Digital Natives

Junge Kreative lassen sich nicht anketten

06.06.2011
Von 
Alexandra Mesmer war bis Juli 2021 Redakteurin der Computerwoche, danach wechselte sie zu dem IT-Dienstleister MaibornWolff, wo sie derzeit als Head of Communications arbeitet.
Arrivierte Unternehmen tun sich schwer mit den Digital Natives: Sie brauchen das neue Denken der Jungen, die aber Freiraum statt Hierarchien fordern.

Sicherheitslücke bei Android, Datenpanne bei Facebook, Apples iPhone speichert alle ortsbezogenen Daten. Kaum eine Woche vergeht ohne neuen Datenschutzaufreger. Viele (junge) Nutzer können das Spektakel nicht nachvollziehen. Sie benutzen Smartphones und soziale Netzwerke in derselben Intensität wie zuvor. Am Stellenwert der Privatsphäre lässt sich vielleicht noch am ehesten ein Graben zwischen den Generationen ausmachen. Aber gibt es ihn wirklich? Sind die so genannten Digital Natives anders als die Generationen davor? Müssen sich Unternehmen anstrengen, um den Web-affinen und jederzeit vernetzten Nachwuchs als Mitarbeiter an sich zu binden? Wie verändern Social Media eine Firma?

Lieber Projekte als feste Jobs

Sie diskutierten über Digital Natives (von links): Jonathan Imme, Heinrich Vaske, Jörg Limberg, Rüdiger Zarnekow, Walter Brenner, Volker Kratzenstein, Urs Vetsch und Felix Reiners.
Sie diskutierten über Digital Natives (von links): Jonathan Imme, Heinrich Vaske, Jörg Limberg, Rüdiger Zarnekow, Walter Brenner, Volker Kratzenstein, Urs Vetsch und Felix Reiners.
Foto: Joachim Wendler

Diese Fragen versuchte der IT-Operations Day "Achtung, die Digital Natives kommen!" in Berlin zu beantworten. Patentlösungen konnten weder Wissenschaftler noch IT-Manager liefern. Auch Jonathan Imme, mit 27 Jahren selbst Teil der Zielgruppe und Veranstalter von Innovationcamps, wollte die unter 30-Jährigen nicht als uniforme Gruppe sehen: "Bei den Digital Natives geht es um ein neues Betriebssystem für Leben und Arbeit. Sie wollen weder Hierarchien noch klassische Karrieren. Sie bevorzugen Projekte statt Jobs und wollen Applaus. Aber das alles trifft nur auf etwa zehn Prozent der unter 30-Jährigen zu."

Imme, der selbst in einem Konzern gearbeitet hat, warnte die Unternehmen davor, Kreative und Querdenker "anzuketten". In festen Anstellungen würden sie es nicht lange aushalten und bald kündigen oder sich an ihre Umgebung anpassen und ihren Mut zur Kreativität verlieren. Stattdessen sollten Firmen das neue Denken des Nachwuchses über so genannte Innovationscamps anzapfen. In diesen befassen sich 20 bis 50 interdisziplinäre Teilnehmer an einem Ort außerhalb der Firma über mehrere Tage bis Wochen mit einer Aufgabenstellung, entwickeln Ideen und Prototypen. Das Feedback kommt vom externen Sparringspartner. Bei dem von der Deutschen Telekom finanzierten Innovationscamp "Palomar 5" hatten sich 30 Teilnehmer aus aller Welt sechs Wochen mit der Zukunft der Arbeit auseinandergesetzt und dann ihre Projekte und Prototypen vor 400 Leuten aus Politik und Wirtschaft präsentiert. Das hat laut Imme nicht so gut funktioniert. Um aus den Ideen der Jungen mehr Inspirationen für den Unternehmensalltag abzuleiten, wäre es besser gewesen, wenn sich die Camp-Teilnehmer mit den Telekom-Vertretern am Ende noch einmal zusammengesetzt hätten.

Mittlerweile binden Firmen wie Siemens Studenten gezielt ein und geben ihnen den größtmöglichen Freiraum bezüglich Arbeitszeit und -ort, um etwa im Social-Media-Umfeld Neues zu entwickeln. Walter Brenner, Professor für Wirtschaftsinformatik an der Universität St. Gallen, hat die Erfahrung gemacht, dass Studenten bei der Analyse kein Blatt vor dem Mund nehmen: "Die Wahrheit ist für Unternehmen oft unangenehm. Aber gleichzeitig können sie über solche Projekte die Studenten als spätere Mitarbeiter gewinnen." Die Stimmung in diesen Projekten entscheide gleichzeitig über den Ruf als Arbeitgeber. Ist sie schlecht, verbreite sich das an der Universität schnell.