"Fangen Sie vor der S/4HANA-Migration mit dem Business-Reengineering an - danach kriegen Sie kein Geld mehr dafür", empfahl BMW-CIO Klaus Straub den 5500 Besuchern des diesjährigen Jahreskongresses der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe (DSAG), der vom 17. bis zum 19. September in Nürnberg stattfand. Der Manager sprach damit ein Problem an, mit dem sich derzeit viele CIOs herumschlagen: Sie müssen mit S/4HANA in den kommenden Jahren auf eine neue Softwaregeneration aus dem Hause SAP umsteigen, wissen aber im Grunde noch nicht so recht, was sie damit im Zuge der Digitalisierung anfangen können.
Tatsächlich steckt bei vielen SAP-Anwenderunternehmen Sand im Digitalisierungsgetriebe. Der digitale Wandel komme nicht richtig voran, so das Ergebnis einer Umfrage der DSAG aus dem Sommer dieses Jahres. Zwar würden viele Betriebe entsprechende Pläne entwickeln, Proofs-of-Concept erstellen und Prototypen bauen. Doch diese Bemühungen mündeten nur selten in erfolgreichen Projekten, stellten die DSAG-Verantwortlichen fest. "Fast die Hälfte der Ideen für Digitalisierungsvorhaben verlaufen im Sand", konstatierte der DSAG-Vorstandsvorsitzende Marco Lenck. "Dafür gibt es organisatorische, aber auch technische Gründe."
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Selbstkritisch nannten die SAP-Anwender im Rahmen der Umfrage zunächst Probleme im eigenen Haus: fehlende personelle sowie finanzielle Ressourcen (42 Prozent) und mangelnde digitale Unternehmenskultur (38 Prozent). An fehlender Änderungsbereitschaft der Mitarbeiter oder starren Organisationsstrukturen (jeweils 24 Prozent) lässt sich die die schleppende digitale Transformation dagegen weniger festmachen. Auch an mangelhafter Unterstützung durch das Management (12 Prozent) oder fehlendem Know-how (elf Prozent) liegt es offenbar nicht.
Neben den hausgemachten Schwierigkeiten stoßen die Anwenderunternehmen allerdings auch auf etliche externe Hindernisse. Die DSAG-Verantwortlichen sprechen an dieser Stelle von informatorischen, technischen und funktionalen Anforderungen, die die digitale Transformation in den Mitgliedsunternehmen erschweren, etwa beim Aufbau hybrider Landschaften. Dabei könnte die Unterstützung seitens der SAP durchaus besser sein, monieren die Kunden. SAP-Strategie und -Roadmaps müssten plan- und belastbar sein, forderte die Anwendervertretung. Doch darüber fühlt sich lediglich ein Viertel der DSAG-Mitglieder gut informiert. 45 Prozent vertrauen der SAP-Produktstrategie nur teilweise, wogegen 30 Prozent der Anwender dieses Vertrauen in Frage stellen.
DSAG-Chef Lenck hat sehr konkrete Vorstellungen darüber, welche Aufgaben SAP in seinem Produktportfolio besser lösen müsste. Es geht dabei um
bessere Integration,
einheitliche Stammdaten,
eine erweiterte, stabile Funktionalität sowie
die Skalierbarkeit von Lösungen und Lizenzmodellen.
"Da Unternehmen verstärkt auf hybride Landschaften setzen, ist SAP gefordert, deren Auf- und Ausbau inklusive Lizenzmodellen so einfach und flexibel wie möglich zu gestalten", so Lenck. "Ansonsten geraten Projekte weiter ins Stocken." Der Anwendervertreter mahnt zur Eile. Zwar arbeite SAP bereits an einige Punkten wie beispielsweise der Harmonisierung der Stammdaten. "Das Tempo, mit dem an zentralen Themen gearbeitet wird, muss mit den Anforderungen in den Unternehmen mithalten."
Bei aller Kritik verwies der DSAG-Mann aber auch auf positive Entwicklungen zum Beispiel im Personalwesen. Nach intensiven Diskussionen könnten Kunden ab 2022 die Lösung für das Personalwesen SAP Human Capital Management (SAP HCM) auch integriert in S/4HANA betreiben. Ein Erfolg, der insbesondere die SAP-Kunden freut, die im zeitlichen Umfeld des Jahres 2025 noch nicht zur Software-as-a-Service-Lösung SuccessFactors in die Cloud wechseln wollen oder können.