Studie "Legacy-Modernisierung 2022"

IT-Steinzeit in deutschen Unternehmen

08.02.2023
Von 
Jürgen Mauerer ist Journalist und betreibt ein Redaktionsbüro in München.
Legacy-IT ist aufwändig zu betreiben und bremst den digitalen Wandel. Daher sind viele Firmen mit ihrer IT nur durchschnittlich zufrieden. Es besteht Nachholbedarf bei der Modernisierung von Bestandssystemen.
Über die Hälfte der Unternehmen hat noch Mainframes im Einsatz.
Über die Hälfte der Unternehmen hat noch Mainframes im Einsatz.
Foto: icosha - shutterstock.com

In vielen Unternehmen sind die IT-Systeme und geschäftskritischen Anwendungen schon lange im produktiven Einsatz - und in die Jahre gekommen. Diese Legacy-Applikationen basieren oft auf veralteten Technologien, einer historisch gewachsenen Code-Basis und monolithischen Architekturen. Das Problem: Sie genügen den heutigen Anforderungen an eine agile IT-Infrastruktur nicht mehr, treiben die Kosten für Betrieb und Wartung in die Höhe und stellen zunehmend ein Sicherheitsrisiko dar. Zudem fehlen häufig Mitarbeiter, die mit den alten Technologien vertraut sind.

Um den digitalen Wandel zu meistern, benötigen Firmen eine moderne IT-Infrastruktur, die sich flexibel an wechselnde Anforderungen anpasst. Das Gros der Firmen hat diese Zeichen der Zeit erkannt und aktualisiert ihre IT-Infrastruktur sukzessive. Doch insgesamt besteht noch Nachholbedarf. Das zeigen die Ergebnisse der aktuellen Studie "Legacy-Modernisierung 2022", die CIO und COMPUTERWOCHE gemeinsam mit den Partnern

  • Confluent,

  • TIMETOACT Group,

  • PKS Software,

  • CAST Software und

  • Workday realisiert haben.

Dazu wurden 339 Entscheider aus der DACH-Region zu ihren Ansichten, Plänen und Projekten rund um Legacy-Modernisierung befragt.

Zur Studie 'Legacy-Modernisierung 2022' im Aboshop

Viele Altsysteme im Einsatz

Wie sieht die Lage derzeit aus? Die vorliegende Studie zeigt, dass in 44 Prozent der befragten Unternehmen mindestens 50 Prozent der Bestandssysteme schon lange im produktiven Einsatz sind. Gemeint sind hier Systeme, die den operativen Betrieb massiv tragen, jedoch meist eine monolithische Architektur aufweisen und im eigenen Rechenzentrum betrieben werden.

In jedem zehnten Unternehmen sind mehr als 75 Prozent der Bestandssysteme schon lange im produktiven Einsatz. Zwischen 50 und 75 Prozent liegt der Anteil in 34 Prozent der befragten Unternehmen. Die kleineren Firmen befinden sich hier mit 39 Prozent unter dem Durchschnitt. In knapp einem Drittel der Firmen liegt der Anteil der monolithischen Altsysteme zwischen 25 und 50 Prozent, in 13 Prozent der Unternehmen zwischen 10 und 25 Prozent. Nur zwei Prozent der Firmen betreiben keine geschäftskritischen Anwendungen auf Altsystemen.

Das Problem: Die Altsysteme benötigen mehr Pflege. In 59 Prozent der Firmen ist der Aufwand für die Wartung und den Betrieb der Bestandssysteme im Vergleich zu anderen Anwendungen deutlich höher, höher oder eher höher. Insbesondere die kleineren Firmen mit bis zu 249 Mitarbeitern klagen über deutlich höheren oder höheren Aufwand. In 29 Prozent ist der Wartungsaufwand in etwa gleich. Acht Prozent sagen, der Aufwand sei niedriger.

In jedem zehnten Unternehmen sind mehr als 75 Prozent der Bestandssysteme schon lange im produktiven Einsatz.
In jedem zehnten Unternehmen sind mehr als 75 Prozent der Bestandssysteme schon lange im produktiven Einsatz.
Foto: Research Services: Patrick Birnbreier

Mainframes sind immer noch in

Erstaunlich viele Unternehmen (54 Prozent) setzen immer noch Großrechner (Mainframes) wie BS2000, VSE oder z/OS oder IBM Midrange Systeme (IBM POWER i, As/400) in ihrer IT und in ihren Rechenzentren ein. Überdurchschnittlich hoch ist hier der Anteil in kleinen Unternehmen mit bis zu 249 Mitarbeitern (67 Prozent) und Firmen mit einem IT-Etat von mehr als zehn Millionen Euro (66 Prozent). Bei mittleren Firmen zwischen 250 und 999 Mitarbeitern setzen 47 Prozent Mainframes und IBM Midrange-Systeme ein, bei den großen Unternehmen ab 1.000 Mitarbeitern sind es 55 Prozent.

36 Prozent der Befragten haben ihre Großrechner durch andere Lösungen ersetzt. Ein Fünftel der Firmen will ihre bestehenden Mainframes kurz- oder mittelfristig durch andere dezentrale Systeme mit Linux oder Windows ablösen, 50 Prozent eher langfristig. Immerhin 18 Prozent wollen ihre Mainframes auch langfristig behalten.

In welchen Geschäftsbereichen finden sich am meisten Altsysteme? Hier liegt die Abteilung Einkauf & Beschaffung vor Human Ressources (Personaleinsatzplanung / Workforce Management) und der Unternehmensführung (34 Prozent) an der Spitze. Auch die Bereiche Customer Experience, Logistik, Vertrieb und Produktionssteuerung setzen noch viele "alte" Systeme, Anwendungen und Prozesse ein.

IT nur mit Note "Befriedigend"

Kein Wunder also, dass die befragten Unternehmen mit ihrer IT-Infrastruktur nur durchschnittlich zufrieden sind. Gäbe es Schulnoten, würden die befragten Firmen ihre IT-Infrastruktur mit "Befriedigend" bewerten. Die Durchschnittsnoten liegen bei allen abgefragten Kriterien zwischen 3,07 und 3,27. Am besten schneidet die Performance der IT ab (3,07), am schlechtesten das sehr wichtige Thema Flexibilität und Anpassbarkeit (3,27). Die schlechte Bewertung erstaunt, da eine agile und zukunftsfähige IT essenziell für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen ist. Sie zeigt gleichzeitig aber auch den hohen Modernisierungsbedarf auf. Besonders bemerkenswert: Die Anwender aus den Fachabteilungen bewerten nahezu alle genannten Kriterien für die Qualität der IT-Infrastruktur ihres Unternehmens schlechter als die C-Level-Manager und die IT-Abteilung.

Daher sind sich die meisten Unternehmen bewusst, dass sie ihre geschäftskritischen Bestandssysteme modernisieren müssen, um die digitale Transformation erfolgreich umzusetzen und wettbewerbsfähig zu bleiben. Derzeit bewerten 61 Prozent der Unternehmen die Modernisierung von kritischen Bestandssystemen als sehr wichtig (26 Prozent) oder wichtig (35 Prozent), 27 Prozent als eher wichtig, und 12 Prozent als eher nicht wichtig bis gar nicht wichtig. Der Relevanz-Wert steigt dabei mit der Größe des Unternehmens an. Für die Zukunft steigt der Relevanz-Wert noch einmal auf 77 Prozent an (sehr wichtig 43 Prozent, 34 Prozent wichtig). Nur noch acht Prozent der Firmen glauben, dass sie ihre Bestandssysteme künftig nicht zu modernisieren brauchen, um die digitale Transformation erfolgreich zu bewältigen.

Derzeit bewerten 61 Prozent der Unternehmen die Modernisierung von kritischen Bestandssystemen als sehr wichtig (26 Prozent) oder wichtig (35 Prozent).
Derzeit bewerten 61 Prozent der Unternehmen die Modernisierung von kritischen Bestandssystemen als sehr wichtig (26 Prozent) oder wichtig (35 Prozent).
Foto: Research Services: Patrick Birnbreier

Trotz der erkannten Relevanz hat bislang allerdings nur jedes zehnte der befragten Unternehmen die wichtigsten Modernisierungsprojekte bereits abgeschlossen. Es besteht also Nachholbedarf. Knapp ein Viertel der Unternehmen plant daher, seine Bestandssysteme bereits nächstes Jahr zu modernisieren, 38 Prozent beabsichtigen das für die nahe Zukunft (1 bis 3 Jahre). Auch hier drücken die größeren Unternehmen auf das Gaspedal. Sowohl die Werte für nächstes Jahr als auch die nahe Zukunft steigen mit der Größe des Unternehmens an. Ein Fünftel der Firmen will in drei bis fünf Jahren seine Systeme auf den technisch neuesten Stand bringen, 7 Prozent in frühestens sechs Jahren.

In der Praxis hat es sich bewährt, die Modernisierung der Legacy-IT in Ruhe und strategisch anzugehen. Firmen planen ihre Projekte für die Modernisierung der Bestandssysteme größtenteils für einen Zeitraum zwischen einem und drei Jahren. Immerhin 11 Prozent der Unternehmen vollenden ihre wichtigsten Projekte zur Erneuerung der Legacy-IT kurzfristig innerhalb von sechs Monaten.

Die IT hat den Hut auf

Die Modernisierungsprojekte selbst sind meist Teil einer IT-Strategie (61 Prozent), einer Digitalisierungsstrategie (46 Prozent), einer Datenstrategie oder einer Cloud-Strategie. Diese sind wiederum häufig in eine umfassende Gesamtstrategie für die Unternehmenstransformation eingebettet oder in eine Art Roadmap für die grundlegende Veränderung. Die IT-Abteilung spielt hier eine wichtige Rolle. In 90 Prozent der Firmen ist die IT in die Gesamtstrategie für die Unternehmenstransformation eingebunden.

Die IT-Abteilung und der CIO dominieren auch das Thema Modernisierung. In 51 Prozent der Firmen ist der IT-Leiter mit seiner Abteilung für die Modernisierung der "alten" Systeme, Anwendungen und Prozesse zuständig. Auffällig hoch sind hier die Werte bei der IT-Abteilung selbst (59 Prozent). Zählt man noch die Ergebnisse für den CIO oder IT-Vorstand hinzu, kommt man auf 88 Prozent. Das heißt: Legacy-Modernisierung ist eindeutig ein IT-Thema. In einem Drittel der Unternehmen ist die Geschäftsführung für die Auffrischung der IT verantwortlich.

Die konkrete Auswahl von Dienstleistern für die Modernisierungsprojekte liegt eher auf Vorstandsebene. In 37 Prozent der Unternehmen ist der CIO / IT-Vorstand dafür verantwortlich, gefolgt vom Geschäftsführer (31 Prozent) und dann erst dem IT-Leiter und der IT-Abteilung (26 Prozent). Auch der CTO / Technik-Vorstand (20 Prozent) und der CDO (14 Prozent) spielen bei der Auswahl eines Dienstleisters für die Modernisierung eine Rolle.

Die konkrete Auswahl von Dienstleistern für die Modernisierungsprojekte liegt eher auf Vorstandsebene.
Die konkrete Auswahl von Dienstleistern für die Modernisierungsprojekte liegt eher auf Vorstandsebene.
Foto: Research Services: Patrick Birnbreier

Modernisierung lohnt sich

Schließlich lohnt sich die Modernisierung mit Technologien wie Virtualisierung, Daten-Konversion oder der Erweiterung von Bestandsanwendungen durch neue (Micro-)Services. Auch das zeigt die vorliegende Studie. Die Hälfte der Unternehmen ist mit den bisherigen Projekten zur Modernisierung von Bestandssystemen sehr zufrieden oder zufrieden. Eher zufrieden sind 39 Prozent der Befragten, eher nicht zufrieden bis gar nicht zufrieden sind 12 Prozent.

Hier gibt es keine Unterschiede bei der Größe des Unternehmens, jedoch bei den Rollen. Während beim C-Level-Management 64 Prozent der befragten Personen sehr zufrieden oder zufrieden sind, sind es bei der IT-Abteilung inklusive IT-Leiter 51 Prozent und bei den Fachabteilungen gerade einmal 38 Prozent. Insbesondere die letzte Zahl ist sehr aussagekräftig, da die Mitarbeiter aus dem Business ja die IT-Systeme und Anwendungen in der Praxis nutzen.

Ein Grund für den schlechten Wert bei den Fachabteilungen könnten zu lange Abstimmungszeiten sein, die oft die Umsetzung von Modernisierungsprojekten behindern. Daher sollten Unternehmen die Zeitplanung optimieren oder eine klarere Roadmap definieren, um die Modernisierung zu beschleunigen. Wichtig ist zudem eine enge Zusammenarbeit zwischen der IT-Abteilung und den Fachbereichen. Nur wenn IT und Business miteinander verzahnt sind, wird die Modernisierung erfolgreich ablaufen.

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Foto: Research Services: Patrick Birnbreier

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Studiensteckbrief

Herausgeber: CIO, CSO und COMPUTERWOCHE

Platin-Partner: Confluent GmbH

Gold-Partner: PKS Software GmbH; TIMETOACT Software & Consulting GmbH

Silber-Partner: CAST GmbH; Workday GmbH

Grundgesamtheit: Oberste (IT-)Verantwortliche von Unternehmen in der D-A-CH-Region: strategische (IT-)Entscheider im C-Level-Bereich und in den Fachbereichen (LoBs), IT-Entscheider und IT-Spezialisten aus dem IT-Bereich

Teilnehmergenerierung: Persönliche E-Mail-Einladung über die Entscheiderdatenbank Entscheiderdatenbank von CIO, CSO und COMPUTERWOCHE sowie - zur Erfüllung von Quotenvorgaben - über externe Online-Access-Panels

Gesamtstichprobe: 339 abgeschlossene und qualifizierte Interviews

Untersuchungszeitraum: 11. bis 18. Mai 2022

Methode: Online-Umfrage (CAWI)

Fragebogenentwicklung & Durchführung: Custom Research Team von CIO, CSO und COMPUTERWOCHE in Abstimmung mit den Studienpartnern