Cannabis-Legalisierung in Deutschland ab 2018?
Vielleicht ist Ihnen das ganze Thema viel zu theoretisch und praxisfern. Schließlich steht Erwerb und Verkauf von Cannabis in Deutschland weiterhin unter Strafe. Lediglich zu medizinischen Zwecken dürfen Cannabis-Produkte in engen rechtlichen Grenzen eingesetzt werden. Und das dürfte sich - trotz zahlreicher Modellprojekte und Petitionen - auf Bundesebene wohl auch nicht so schnell ändern. Aber vielleicht haben Sie sich auch schon einmal gefragt, was passieren würde, wenn die Bundesregierung plötzlich eine Kehrtwende vollzöge und Cannabis legalisiert? Welche wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen daraus entstehen würden?
Journalist und Autor Rainer Schmidt hat genau das getan und seine Zukunftsvision zu Papier gebracht. Das satirische Ergebnis heißt "Legal High" und ist am 26. August 2016 im Rohwolt-Verlag erschienen.
Im folgenden haben wir eine kleine Leseprobe für Sie zusammengestellt. Wenn Sie danach Lust auf mehr verspüren, finden Sie weiteres Material zum Probelesen direkt bei Rohwolt.
Auszug aus Rainer Schmidts "Legal High":
"Manchmal verstand die Kanzlerin ihre Mitbürger nicht. Warum hackten scheinbar normale Menschen ohne Not schmucklose Gewächse klein, stopften das Gestrüpp in Papier, zündeten es an und saugten daran - bloß um dann auszusehen und aufzutreten wie ihre halbe Fraktion nach anstrengenden Sitzungen? War das so erstrebenswert? Bei internationalen Konferenzen sah es übrigens nicht anders aus. In einigen Fällen lag es an den Themen, bei manchen Teilnehmern am Alkohol, oft einfach an der Erschöpfung.
Sie wollte sich gar nicht davon ausnehmen. Gott, in was für einem Zustand sie teilweise während dieser absurden Verhandlungen mit den Griechen vor drei Jahren gewesen waren, unverantwortlich eigentlich. Wie Betrunkene hatten sie bis in die frühen Morgenstunden über Dinge gesprochen, die selbst ausgeruht kaum zu verstehen waren, vollkommen übermüdet und erschöpft gegen fünf Uhr morgens allerdings allen wie ägyptische Kreuzworträtsel erschienen. Sogar den Griechen selbst. Auch ihr Finanzminister hatte mehr als einmal hysterisch gekichert, und der rauchte ja wohl nicht. Obwohl, vielleicht aus medizinischen Gründen …?
Aufmerksam blätterte sie in dem kleinen Geheimdossier, das ihr die Büroleiterin am 16. August 2018 zusammengestellt hatte, wie darauf vermerkt war, privat sozusagen, niemand sollte mitbekommen, womit sie sich hier beschäftigte. Und alles nur wegen der Amerikaner. Lächelnd schüttelte sie den Kopf, denn neben den Cannabis-Umsatzzahlen und den entsprechenden Steuereinnahmen der diversen US-Bundesstaaten hatte ihre Vertraute sehr liebevoll überall lachende Schäuble-Köpfe mit Hanf-Siegerkranz und Dollarzeichen in den Pupillen hingemalt. Je höher die Summe, desto breiter grinste sie ihr ewiger Minister an.
Mit vor Erregung glühenden Wangen saß er auf der steil nach oben ragenden Pfeilspitze der Einnahmenkurve, in der Hand das prall gefüllte Staatssäckle. Das sah fast zu süß aus, dachte die Kanzlerin, so süß war der ja selten in echt. Aber wie er sie so triumphierend von der Zeichnung angrinste, wurde ihr klar, dass genau diese Zahlen seine radikale und durchaus überraschende Kehrtwende bewirkt haben mussten. Plötzlich stellte er sich vor die Kameras und sagte: «Ja, Legalisierung ist auch ein Gebot fiskalpolitischer Vernunft!» Das hatte er selbstredend wieder ohne Absprache und Ankündigung zur besten Sendezeit in den Tagesthemen und auf YouTube verkündet.
Schäuble eben. Nicht zu bremsen. Sie kannte das ja. Deswegen fragte sie manchmal ihre Büroleiterin morgens als Erstes: «Gibt es was Neues vom irren Alten?» Wahlweise auch: «Was heckt unsere Schwarze Null heute wieder aus?» Das war ihr kleiner Running Gag. Aber sein neuer Drogenkurs war nicht witzig. Der Seehofer lag ihr mit dem Cannabis-Thema auch schon länger in den Ohren. Kurz hatte sie gedacht, endlich ist Ruhe an der Südfront, der hat so viele Pleiten erlebt, jetzt geben der und dieser fränkische Fleischkopf endlich mal Ruhe, nein, bekommt er wieder seine berühmten fünf Minuten und will im Alleingang die Hanf-Revolution ausrufen, weil seine Bauern endlich Klarheit verlangen, wie er behauptet.
Bayerns und Deutschlands Zukunft als fortschrittliche Agrarnation stehe auf dem Spiel, man könne und werde sich diesen Milliardenkuchen unter gar keinen Umständen von den Amis oder eventuell sogar den Chinesen vor der Nase wegschnappen lassen, die schon in Colorado die US-Anbieter von Ausrüstung zum Cannabisanbau in die Ecke gedrängt hätten. Der Bayerische Bauernverband drohe bereits unverhohlen mit Aufrufen zu Wahlboykott und Parteiaustritten. Sogar die Katholiken saßen dem im Nacken. Gottes Schöpfung sei heilig und zu ehren, kein Mensch habe das Recht, seine Weisheit und Güte in Frage zu stellen und bei seinen Geschenken zwischen Gut und Böse zu urteilen.
Das sei anmaßend und frevelhaft, eine Sünde wider den Herrn, weswegen sich die Deutsche Bischofskonferenz bald in einem Hirtenbrief für Cannabis starkmachen werde. Das traf den Horst bis ins Mark. Der glaubte selbstverständlich schon lange an gar nichts mehr außer an sich selbst, aber er wusste sehr genau um die mögliche Wirkung solcher Worte von der Kanzel bei seiner verbliebenen Kernklientel.
Der steht ganz schön unter Druck, der Arme, dachte die Kanzlerin, deswegen führt er sich auf wie Rumpelstilzchen. Gedroht hatte er ihr auch schon wieder. Wenn sie sich nicht bald zu einer Stellungnahme bewegen ließe, würde er eben alleine vorpreschen. Ganz böse hatte der Horst dabei geguckt, fehlte nur noch, dass er mal wieder mit einer Verfassungsklage drohte. Und alles bloß wegen dieses Cannabis.
Schnell warf sie einen Blick auf die aktuellen Umfragen zum Thema, die seit dem Nachmittag auf dem Tisch lagen. Oha! Daher wehte der Wind also. Das waren allerdings klare Zeichen. Sie würde wohl doch bald handeln müssen."
Mit Material von IDG News Service.