APIs, Start-Ups, Digitalisierung

IT im Cannabis-Business

26.08.2016
Von 
Katherine Noyes ist US-Korrespondentin des IDG News Service in Boston.

"Ein Haufen Leute ohne Geschäftssinn, die wussten, wie man Gras anbaut"

Technologie durchdringt also dieselben Prozesse und setzt dieselben Ressourcen frei wie in anderen Handels-Sparten, wo das schon lange zum Standard gehört, geht dabei aber auf die besonderen regulatorischen Bedürfnisse der Marihuana-Industrie ein. Und weil die Branche wächst und reift, wird sich dieser Trend fortsetzen und weiter verstärken.

"Als ich in dieser Branche angefangen habe", erzählt LaConte’s-Manager Howell, "war das einfach ein Haufen Leute ohne Geschäftssinn, die wussten, wie man Gras anbaut. Heute fangen die großen Player damit an, Berater anzuheuern und HR-Abteilungen aufzubauen. Die Unternehmen, die in diesem Umfeld überleben, wissen, dass sie einen CEO, ein Geschäftsmodell und einen Plan brauchen. Und wir brauchen Technologien, um unsere Prozesse zu verschlanken und Richtlinienkonformität gewährleisten zu können."

Das sind wichtige Schritte, denn wenn es nach Green Lion Partners-CEO Bologna geht, werden Cannabis-Produkte irgendwann zu völlig normalen Bedarfsartikeln. Sollte das tatsächlich geschehen, dürften auch in der Marihuana-Branche dieselben effizienzsteigernden Best Practices und Tools zur Anwendung kommen, wie in der restlichen Enterprise-Welt: "Viele Leute stecken uns in eine Schublade, aber wir sind bereits dabei, mit allen grundlegenden Tools zu arbeiten", so Bologna.

GreenRush: Lieferheld für medizinisches Marihuana

Bei GreenRush ist das definitiv der Fall: Die E-Commerce-Plattform für die Auslieferung von medizinischem Marihuana arbeitet mit lokalen Ausgabestellen und Lieferservices zusammen und hilft ihnen, über die Online-Plattform bei der Kundenakquise. "Wir sind wie GrubHub für medizinisches Marihuana", subsummiert Gründer und CEO Paul Warhsaw ("GrubHub" ist ein US-Lieferservice und funktioniert ähnlich wie beispielsweise "Lieferheld" hierzulande, Anm. d. Red.).

Kunden können auf der Online-Plattform sowohl Ausgabestelle als auch Produkte wählen und diese - mit einer verifizierten Karte für medizinisches Marihuana - bestellen. Wer in Kalifornien wohnt, aber keine entsprechende Karte besitzt, kann über die GreenRush Telemedicine-Plattform auch gleich einen Arzt konsultieren.

"Lieferheld für medizinisches Marihuana": Ein Blick auf die Webseite von GreenRush.
"Lieferheld für medizinisches Marihuana": Ein Blick auf die Webseite von GreenRush.
Foto: GreenRush

Die Technologie hinter GreenRush wurde zwar in großen Teilen inhouse programmiert, aber das Start-Up hat eine Reihe externer Tools benutzt, um sein Business in Gang zu bringen. Eine Partnerschaft mit Salesforce etwa hilft in Sachen Sales Management und Kunden-Support. Das hat auch seinen Grund, wie Warshaw erklärt: "Wir sind eine Sales Company. Alles steht und fällt mit den Kontakten zu den Ausgabestellen."

Daneben setzt GreenRush zum Beispiel DocuSign für Mitgliedschafts-Verträge, MailChimp für E-Mail-Marketing und Slack für die Kommunikation mit seinen Partnern ein. Es muss also nicht immer eine Speziallösung sein, wie Warshaw verdeutlicht: "Es ist toll, dass Leute speziell auf die Cannabis-Branche zugeschnittene Technologien erschaffen, aber es gibt bereits einige großartige Plattformen und Tools da draußen, die unser Business so viel effizienter und transparenter machen können."

Beim Start-Up Potbot brüstet man sich mit dem weltweit ersten "virtuellen Bud-Tender". Dabei handelt es sich um eine "Empfehlungs-Engine" für medizinisches Marihuana, die Patienten per mobiler App oder Webzugang entsprechend ihrer benötigten Cannabinoid-Dosen und Konsum-Gewohnheiten zur richtigen Marihuana-Sorte führt. Diese kann anschließend direkt zur nächstgelegenen Abgabestelle bestellt werden.

Zwischen Profitabilitäts-Wunder, Banken und Vorurteilen

Mehr als 80 Prozent der Start-Ups in der legalen Cannabis-Industrie erreichen nach einem Jahr den Break-Even. Das sei teilweise dem hohen Preisniveau zu Schwarzmarkt-Zeiten geschuldet, verrät Leslie Bocskor, President bei Electrum Partners, einer auf das Cannabis-Business spezialisierten Beratungsfirma. "Eine solch rapide Profitabilität hat es vorher nicht gegeben", erklärt sie.

Gleichzeitig stelle diese Profitabilität auch die größte Herausforderung für die Branche dar: "Hohe Margen können über viele Fehler hinwegtäuschen. Wenn Unternehmen nicht vorankommen, müssen sie Best Practices nutzen - egal wie es um ihre Profitabilität steht. Technologie spielt hierbei eine große Rolle", so Bocskor.

Das "Banken-Problem" bleibt allerdings weiterhin eines der größten Hindernisse für die Cannabis-Industrie, wie GreenRush-CEO Warshaw aus eigener Erfahrung weiß: "Das durchschnittliche Cannabis-Unternehmen kann nicht einfach zu irgendeiner Bank gehen. Und nicht jeder ist auch Willens, mit dir zusammenzuarbeiten. Es kann für Cannabis-Unternehmen auch Schwierigkeiten geben, wenn es um Werbe-Anzeigen auf Google oder Facebook geht oder darum, Apps online zu bringen. Dinge, die man sonst überhaupt nicht als Herausforderung wahrnehmen würde."

Dennoch dürfte das legale Geschäft mit Marihuana eine große Zukunft vor sich haben. Denn die Bemühungen und Investitionen könnten für neue Arbeitsplätze und steigende Steuereinnahmen sorgen. Den klischeebehafteten Kinderschuhen ist diese Branche jedenfalls längst entwachsen, wie Leslie Bocskor betont: "Da steht nicht länger ein Typ in einem verlassenen Lagerhaus, wo Kaffee geröstet wird, um den Geruch zu überdecken. Die Investitionen sind Innovationstreiber und werden sich weltweit auf die Landwirtschaft auswirken."

Oder wie Howell es ausdrückt: "Wir bauen nicht mehr nur Gras an, um Gras zu verkaufen. Es ist ein Business."