Cyber-physische Systeme?
Die Produktion der Zukunft kommt nicht ohne technische Betriebsmittel wie Werkzeugmaschinen, Fließbänder, Diagnosesysteme, Industrieroboter, Sortierstationen und Montagelinien aus. Auch elektronische Geräte, die nicht direkt für die Produktion beteiligt sind, werden ein wichtiger Teil einer intelligenten Fabrik: Kameras, mobile Computer und Smartphones. Sie alle sind mit Mikroprozessoren ausgestattet und untereinander vernetzt. Sie bilden Systeme, die mit speziellen Sensoren in Echtzeit Produktionsdaten erfassen, Aktoren steuern und damit indirekt auf die Produktion einwirken können.
Protagonisten der Industrie-4.0-Vision nennen diese intelligenten "Techniknetze" Cyber-physische Systeme (CPS). Die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften (Acatech) definiert in ihrer Studie "agenda-CPS" aus dem Jahr 2012: "Cyber-Physical Systems stehen für die Verbindung von physikalischer und informationstechnischer Welt. Sie entstehen (…) auf Basis ihrer Vernetzung und Integration." Dieselbe Definition gilt für das Internet der Dinge, das bereits während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im Jahr 2007 als "die technische Vision, Objekte jeder Art in ein universales digitales Netz zu integrieren", definiert wurde. So weit die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags im Schreiben Nr. 19/12 vom 17. Juli 2012.
Jedes an einer Produktion beteiligte Objekt ist demnach ein "Ding" im Sinn des IoT: Es ist vernetzt, mit einem Mikroprozessor ausgestattet und kann mit anderen "Dingen" kommunizieren. Und das gilt sowohl für die Betriebsmittel im Sinne eines CPS als auch für das intelligente Produkt selbst. In einer erweiterten Betrachtungsweise gilt es sogar für jeden Gegenstand, der in irgendeiner Art und Weise in eine Produktion involviert ist.
- Industrie 4.0 - So sieht die Fabrik der Zukunft aus
Neue Organisationsformen, innovative Technologien und ein kultureller Wandel – ERP-Anbieter IFS erläutert, welche Trends die Produktion von morgen gestalten. - Stärkere Lokalisierung
Fertigungsunternehmen werden künftig noch wesentlich stärker ausdifferenziert und verteilter sein. Kleinere, aber dafür mehr Standorte sorgen dann dafür, dass sie einen besseren Zugang zu lokalen Ressourcen haben und auf neue Marktanforderungen direkt vor Ort reagieren können. Das ermöglicht ihnen, ihre Supply Chains zu optimieren, agiler zu sein und die Lieferzeiten deutlich zu verkürzen. Daneben wird es aber auch weiterhin sehr große Fertigungsstandorte geben, an denen die Unternehmen ihre größten und wichtigsten Teile herstellen oder montieren. - Fortschreitende Digitalisierung
Durch die stärkere Lokalisierung der Supply Chain spielt die Informationstechnologie in Zukunft eine noch größere Rolle, als das in der Branche ohnehin schon der Fall ist. Ein Beispiel dafür ist der 3D-Druck. Er wird es etwa ermöglichen, dass ein lokaler Vertriebsstandort zumindest bei kleineren Ersatzteilen einfach die Blaupause herunterlädt und sie direkt vor Ort druckt. Darüber hinaus wird die zunehmende Verbreitung von Cloud Computing und des Internets der Dinge eine neue Generation intelligenter Objekte hervorbringen, die Fertiger mit Echtzeitdaten versorgen können. Sensoren von Anlagen und Maschinen, die bei Kunden installiert sind, liefern den Herstellern dann beispielsweise selbstständig wertvolle Informationen für die Wartung und Instandhaltung, mit deren Hilfe sich bessere After-Sales-Services erbringen lassen. - Ausweitung von Kooperationen
Produktionsunternehmen gehen künftig deutlich mehr Partnerschaften ein und arbeiten wesentlich enger zusammen, als sie das heute tun. Zum einen werden sie Partnerschaften mit Universitäten schließen, um sich frühzeitig die besten Talente zu sichern. Aber auch untereinander werden sie stärker kollaborieren. In ersten Ansätzen hat dies beispielsweise der britische Hersteller von Transportverpackungen Loadhog bereits realisiert. Er hat mit einem seiner wichtigsten Zulieferer ein Austauschprogramm für Auszubildende ins Leben gerufen, von dem beide Unternehmen profitieren. - Flexiblere Konfigurierbarkeit
Die Fertigungsstandorte werden immer häufiger so konzipiert sein, dass sich ihre Strukturen schneller und flexibler an neue Marktanforderungen anpassen lassen. Die Elemente von Werkstätten und Produktionshallen – vom einzelnen Arbeitsplatz bis hin zu den Maschinen – sind heute meist noch sehr starr organisiert. In Zukunft werden sie aber zahlreiche unterschiedliche "Konfigurationen" ermöglichen, die jeweils ideal zu den konkreten Anforderungen passen. - Kultureller Wandel
Mit den genannten Änderungen einher geht auch ein Wandel der Unternehmenskultur. Die Außenwelt wird Fabriken nicht länger als staubige und ölverschmierte, sondern vielmehr als offene und stark vernetzte Orte wahrnehmen. Diese Entwicklung hat bereits begonnen und so erinnern viele Fabriken den Betrachter heute schon stärker an einen Bürokomplex als an eine klassische Fertigungsstätte.
IoT-Technologie für die Produktion
IoT-Technologien werden durch die vollständige Vernetzung von Maschinen (Dingen) aller Art bestimmt. Die globale Vernetzung aller technischen Geräte in einem "Netz der Netze" erlaubt die Bereitstellung einer neuen Generation von Anwendungen. Diese müssen in Echtzeit Daten aus verschiedensten Quellen verarbeiten, analysieren und kombinieren können und gleichzeitig auf eine Vielzahl von Endgeräten einwirken. Unter den populären Begriffen Smart City oder Smart Home entstehen bereits Plattformen, die erstmals solche Anwendungen ermöglichen. Dazu gehört beispielsweise die Steuerung des Verkehrs durch die Analyse einer Vielzahl einfacher Sensordaten, die Fahrzeugpositionen, Wetterbedingungen, Fußgängerdichte (= Dichte der mobilen Geräte).
Ein anderes Szenario ist eine signifikante Senkung des Energieverbrauchs durch das Einbeziehen lokaler Energiequellen und Berechnungen mit Messwerten des momentanen Energiebedarfs. Die Liste der Anwendungen ist lang. Anwendungsgebiete sind jedoch vor allem Verbrauchsoptimierungen bei knappen oder teuren Ressourcen sowie in den Bereichen Mobilität, Versorgung und Sicherheit. Die jeweiligen Aufgabenstellungen sind zumeist hochkomplex, können jedoch mit IoT-Technologien sinnvoll gelöst werden. Wenn durch den flächendeckenden Einsatz modernster Technologie eine vollständige Automatisierung, Vernetzung und Flexibilisierung der Fertigung erfolgen soll, wie es die Vision Industrie 4.0 vorsieht, wird es an Herausforderungen keinesfalls fehlen. Eine davon ist die Integration der Transportlogistik in die Wertschöpfungskette.
Die flexible Produktion von Industriegütern über Firmengrenzen hinweg stellt sehr hohe Anforderungen an die Liefergenauigkeit und -flexibilität von Rohmaterial, Zwischenprodukten, Fertigteilen und anderen Waren. Die Vernetzung von Fahrzeugen und Waren mit Hilfe von IoT-Technologie hilft diese Aufgaben erfolgreich zu meistern. Beispielsweise lässt sich die Liefergenauigkeit erheblich verbessern: Eine automatisierte Anpassung von Fahrtrouten aufgrund der Verkehrslage, die Senkung von Wartezeiten an der Laderampe durch genaues Zeit-Management und die erhöhte Fahrsicherheit durch Wettervorhersage und Umweltanalysen bieten reichlich Optimierungspotenzial. Wenn Fahrzeuge und die transportierte Ware vollständig vernetzt sind, können Warenflüsse als Ganzes über Netz- und Kapazitätsplanungen unter Einbezug von Risikoabschätzung und Belastbarkeit der Route optimiert werden.
Fazit: Vision für das Jahr 2025
Die Hightech-Strategie Industrie 4.0 ist auch drei Jahre nach ihrem Entwurf eine Vision für das Jahr 2025. Sie kann jedoch schneller Realität werden als ursprünglich gedacht. Der Weg führt über die digitale Transformation der Unternehmen, die den Produktionsstandort Deutschland ausmachen. Motor dieser Transformation ist die vollständige Vernetzung von Maschinen und Menschen. Für die Industrie ist die Vernetzung von Maschinen - das Internet der Dinge - der entscheidende Faktor.
Sie sorgt dafür, dass die Vision der automatisierten, flexiblen und dezentralen Produktion nicht an der heutigen Grenze des Industriegebäudes endet. Besonders offensichtlich wird der Nutzen auf Ebene der integrierten Transportlogistik und des intelligenten Produkts. Doch IoT-Plattformen bieten weit mehr. Durch innovative Kombinationen von Technologien wie Em-bedded Systems, robuste Netze, Cloud Computing, Sensor Data Processing und IT-Security werden Lösungsansätze möglich, mit denen sich hochkomplexe Gesamtsysteme optimal steuern lassen. Es gilt nun, diese Technologien sinnvoll für Industrie 4.0 zu adaptieren. (jb)