Frauenpower

"Ich stoße eher auf Neugier als auf Ablehnung"

22.04.2014
Von 
Bernd Reder ist freier Journalist und Autor mit den Schwerpunkten Technologien, Netzwerke und IT in München.
Obwohl die IT immer noch eine Männerdomäne ist, gibt es einige Frauen in Spitzenpositionen. Vera Schneevoigt von Fujitsu und Jacqueline Fechner von Xerox gehören dazu. Die Botschaft der beiden Topmanagerinnen: Frauen haben die Chance, Karriere zu machen - aber einfach ist es nicht.

Einst galten Frauen in der IT-Branche als Exoten. Vor allem in den USA haben es jedoch inzwischen etliche Managerinnen an die Unternehmensspitze geschafft - und das nicht nur in Startups, sondern auch bei Traditionskonzernen. So leitet Ursula Burns die Geschicke von Xerox, Margaret Whitman gibt bei Hewlett-Packard den Ton an, und Anfang 2012 übernahm Virginia Rometty bei IBM das Ruder (siehe unten).

Während es in den USA mittlerweile normal ist, dass Frauen in IT- und anderen Hightech-Firmen Spitzenpositionen einnehmen, setzt sich dieser Trend in Deutschland erst langsam durch. "Wenn ich sage, dass ich mich als Frau selbst verwirklichen und Karriere machen möchte, wird das in Deutschland nicht als selbstverständlich angesehen", erläutert Jacqueline Fechner, die seit Januar 2014 als General-Country-Managerin die Geschäfte der Xerox GmbH lenkt und speziell den Ausbau des Serviceangebots von Xerox vorantreibt. Seit März 2014 ist Fechner außerdem Vorsitzende der Geschäftsführung. "Ein Verständnis dafür, dass Frauen Führungspositionen anstreben, müssen wir in Deutschland noch entwickeln."

Jacqueline Fechner, Xerox: Als einzige Frau sitzt man auf dem Präsentierteller. Es wird sehr auf meine Äußerungen und mein Auftreten geachtet. Dabei kann man häufig nur gewinnen oder verlieren."
Jacqueline Fechner, Xerox: Als einzige Frau sitzt man auf dem Präsentierteller. Es wird sehr auf meine Äußerungen und mein Auftreten geachtet. Dabei kann man häufig nur gewinnen oder verlieren."
Foto: Xerox

Mit Neugier beobachtet

Dieser Beobachtung kann Vera Schneevoigt nur zustimmen. Die Managerin ist seit Januar 2014 als Executive Vice President Business Group sowie seit dem 1. April 2014 als Mitglied der Geschäftsführung bei Fujitsu. Sie ist für den Ausbau und die Weiterentwicklung des internationalen Produktportfolios zuständig und leitet das Werk in Augsburg. In ihrer Rolle als Führungskraft mit internationalen Aufgaben arbeitet Schneevoigt unter anderem eng mit ihren Kollegen aus dem Stammhaus in Japan zusammen. Vorbehalte ihr gegenüber verspürt sie nicht, obwohl in der japanischen Gesellschaft klassische Rollenbilder relativ stark verankert sind: "Meine japanischen Kollegen haben mich sehr offen empfangen. Sie zeigen sich interessiert an meinen Erfahrungen und Einschätzungen. Das Thema Diversity ist bei Fujitsu für das laufende Geschäftsjahr sogar als strategischer Fokus gesetzt worden." Allerdings sei der Frauenanteil im Management japanischer Unternehmen noch gering. "Ich bin schon so etwas wie ein bunter Hund", räumt sie mit einem Lächeln ein. "Ich stoße aber eher auf Neugier als auf Skepsis oder Ablehnung.

Allein unter Männern - diese Situation kennt auch Xerox-Chefin Fechner: "Ich war und bin manchmal heute noch die einzige Frau unter vielen Männern. Da kann man in Konferenzen nicht einfach in der Masse abtauchen. Wenn von zehn Männern drei nichts sagen, fällt das nicht weiter auf. Als einzige Frau sitzt man hingegen auf dem Präsentierteller. Es wird sehr auf meine Äußerungen und mein Auftreten geachtet. Dabei kann man häufig nur gewinnen oder verlieren."

Unterstützung aus der Politik notwendig

Damit sich in den Führungsetagen etwas ändert, sei die Einführung einer Frauenquote sinnvoll - darin sind sich Fechner und Schneevoigt einig. "Wir haben deutlich mehr Potenzial unter den Frauen, als heute in Management-Positionen sichtbar ist, das gilt vor allem für die IT-Firmen", meint Schneevoigt. "Die Quote als Mittel zum Zweck scheint notwendig zu sein, um Bewegung in das Thema zu bringen. Sie darf aber nicht dazu führen, dass Positionen eher nach Geschlecht und weniger aufgrund der Qualifikation besetzt werden." Auch Xerox-Managerin Jacqueline Fechner ist inzwischen für die Quote: "Früher war ich der Auffassung, dass es Frauen aus eigener Kraft schaffen müssten. Heute denke ich darüber anders. Eine Frauenquote würde einige Dinge beschleunigen - und das nicht nur in den Aufsichtsräten, das fängt schon im mittleren Management an."

Nachbarländer machen es besser

Allerdings sollten sich die Politiker nicht nur Gedanken um die Frauenquote machen, sondern vor allem bessere Rahmenbedingungen für Familien mit Kindern schaffen, gibt Schneevoigt zu bedenken. "Ich vermisse in Deutschland beispielsweise ein besseres Angebot an einer kostengünstigen und zeitlich flexiblen Kinderbetreuung." In dieser Beziehung könne Deutschland von einigen Nachbarländern eine Menge lernen.

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bleibt in Deutschland also weiterhin ein Problem. Einen heiklen Punkt spricht Fechner an: "Nur die wenigsten Väter nehmen eine Elternzeit von mehr als zwei Monaten in Anspruch. Häufig ist das eine rein monetäre Entscheidung, denn in vielen Familien verdient der Mann immer noch besser als die Frau. Dadurch verharren wir aber leider weiterhin in alten Denkmodellen, in denen Männer Karriere machen und Frauen für die Familie verantwortlich sind."

Zur Abhilfe wünscht sich die Xerox-Managerin ein umfassendes Betreuungssystem mit Kindertagesstätten und Ganztagsschulen, das Frauen genauso wie Männern eine Karriere ermöglicht. Mütter und Väter sollten die gleiche Chance haben, eine Auszeit zu nehmen und wieder in den Beruf zurückzukehren. "In den USA wird Frauen ein besseres Umfeld geboten, um Familie und Beruf zu verbinden", erläutert Fechner. "In Deutschland haftet karrierebewussten Frauen immer noch das Image an, Familie und Kinder zu vernachlässigen."

Arbeitgeberinitiative gefragt

Doch nicht allein der Staat ist gefordert. Auch die Arbeitgeber könnten nach Ansicht der beiden Managerinnen dazu beitragen, die Hürden für weibliche Führungskräfte zu senken. Dazu zählt eine Ausweitung des Angebots an attraktiven Teilzeitarbeitsplätzen. Bei Xerox-Chefin Fechner kümmert sich zum Beispiel der Ehemann um den gemeinsamen neunjährigen Sohn, wenn die Mama auf Dienstreise ist oder spät nach Hause kommt: "Für meinen Mann ist es als Beamter einfacher, in Teilzeit zu arbeiten."

Um Arbeit und Familie unter einen Hut zu bringen, bietet Xerox seinen Mitarbeitern flexible Bürozeiten und die Möglichkeit, vom Home Office aus zu arbeiten. Das ist hilfreich: "Ich hatte das Glück, die überwiegende Zeit meiner beruflichen Karriere für amerikanische Arbeitgeber zu arbeiten, die flexible Arbeitsmodelle schon vor vielen Jahren eingeführt haben und für die Frauenförderung immer ein großes Thema war."

Bei Fujitsu gibt es in München einige vom Arbeitgeber mitfinanzierte Kita-Plätze. Doch für Schneevoigt geht es nicht nur um die Vereinbarkeit von Job und Familie. Ihrer Ansicht nach sollten Unternehmen für eine gezielte Förderung von qualifizierten Fachkräften sorgen: "Es ist wichtig, dass man Frauen ermutigt und befähigt." Selbstzweifel sind aus ihrer Sicht der entscheidende Grund, warum viele Frauen eine Führungslaufbahn meiden oder abbrechen. Gezieltes Leadership-Coaching sei hier gefragt: "In meinem Leitungskreis für die Bereiche Entwicklung, Einkauf, Produktion, Qualitätssicherung und Supply-Chain-Management beträgt die Frauenquote mittlerweile 50 Prozent. Zudem bin ich unternehmensübergreifend als Mentorin für Frauen tätig, die eine Laufbahn im Management einschlagen möchten."

 "Wir haben deutlich mehr Potenzial unter den Frauen, als heute in Management-Positionen sichtbar ist, das gilt vor allem für die IT-Firmen.", meint Fujitsu-Managerin Vera Schneevoigt.
"Wir haben deutlich mehr Potenzial unter den Frauen, als heute in Management-Positionen sichtbar ist, das gilt vor allem für die IT-Firmen.", meint Fujitsu-Managerin Vera Schneevoigt.
Foto: Fujitsu

Für junge Frauen sieht Fechner keinen Grund, einen Bogen um technische Berufe oder die Mint-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) zu machen. "Frauen sollten sich mit offenen Augen von Männern dominierte und häufig besser bezahlte Berufe ansehen und prüfen, ob sie sich eine Karriere in einem solchen Umfeld vorstellen können. Gerade in Deutschland mit seinen vielen mittelständischen Ingenieur-Unternehmen gebe es für technisch gut ausgebildete Frauen höchst attraktive Arbeitsplätze. Hinzu komme, dass Firmen umzudenken anfingen und Wert auf gemischte Teams legten. Junge Frauen sollten sich also nicht abschrecken lassen. "Es geht voran, wenn auch nicht so schnell wie gewünscht", bilanziert die Xerox-Deutschland-Chefin.

Dass Frauen keine Angst vor Technik haben sollten, meint auch Vera Schneevoigt: "Ich ermutige jede Frau, die Spaß an Mint-Fächern hat, diesen Weg einzuschlagen", so die Fujitsu-Managerin. "Ich selbst komme aus dem kaufmännischen Bereich und habe einfach irgendwann die Chance ergriffen, die Technik aus dem betriebswirtschaftlichen Blickwinkel mitzugestalten."

Um jungen Mädchen Berufe im IT-Umfeld schmackhaft zu machen, veranstaltet Fujitsu jedes Jahr einen "Girls` Day" in Augsburg und München. Zudem unterstützt der IT-Konzern das Projekt "Uni-Mento-Schule - Schülerinnen gewinnen für Mint" der Universität Augsburg. Hier können sich interessierte Mädchen einen ersten Eindruck verschaffen. (hk)

Vera Schneevoigt

Executive Vice President der Product Business Group bei Fujitsu International Business

Geschichte und Architektur zählen zu den Gebieten, mit denen sich Vera Schneevoigt in ihrer Freizeit beschäftigt. Ihre berufliche Karriere begann sie im kaufmännischen Bereich bei Siemens und mehreren Tochtergesellschaften. Dort war sie mehrere Jahre lang in unterschiedlichen Bereichen und Positionen tätig, zuletzt als Global Senior Executive Manager.

2014 wechselte Schneevoigt und übernahm bei Fujitsu International Business als Executive Vice President Business Group die Verantwortung für den Ausbau und die Weiterentwicklung des Produktportfolios.

Seit dem 1. April 2014 gehört sie auch der Geschäftsführung an. Zu ihren weiteren Aufgaben zählt, die Globalisierungsinitiativen innerhalb der Fujitsu Business Group voranzutreiben. Dieser Geschäftsbereich betreut derzeit mehr als 100.000 Kunden und 45.000 Partner. Zudem leitet Schneevoigt die Produktionsstätte von Fujitsu in Augsburg.

Jacqueline Fechner

General Country Managerin der Xerox GmbH

Die gebürtige Essenerin studierte an der TU Dortmund Informatik mit Betriebswirtschaft als Nebenfach. Fechner kam im November 2013 zu Xerox und übernahm zunächst die Führung der Large Enterprise Organisation (LEO). Dort sind die Aktivitäten in den Bereichen Dokumenten-Management, Managed Print-Services, Content-Management sowie Technologie-Direktvertrieb an Großkunden zusammengefasst.

Seit dem 1. Januar 2014 ist Fechner als General Country Managerin zusätzlich für die Xerox GmbH zuständig. Im März 2014 wurde sie außerdem Vorsitzende der Geschäftsführung.

Ihre Karriere begann Fechner Anfang der 90er Jahre bei HP. Dort war sie rund 20 Jahre tätig, schwerpunktmäßig in den Sparten Vertrieb von IT-Dienstleistungen und Lösungen sowie strategisches Outsourcing. Zuletzt leitete die Managerin bei der Wipro Technologies GmbH die Energy & Utilities-Organisation in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

US-Frauen an der Macht

Einige der weltgrößten Technologiekonzerne werden von Managerinnen geleitet. Nicht selten spielt das Thema Diversity in diesen Unternehmen eine besonders wichtige Rolle.

Marissa Mayer, seit 2012 CEO von Yahoo, gehört zu den Topfrauen in der IT. Das US-Wirtschaftsmagazin "Fortune" zählte sie bereits 2008 zu den 50 mächtigsten Frauen der Welt - mit gerade einmal 33 Jahren. Damals war sie noch in einer Spitzenposition für Google tätig.

Sheryl Sandberg macht als Chief Operating Officer (COO) von Facebook und rechte Hand des Gründers Mark Zuckerberg Schlagzeilen. Sie hat den Bestseller "Lean In: Woman Work and the Will to Lead" veröffentlicht und gilt als Wegbereiterin einer neuen Frauenbewegung.

Chefin von Xerox: Ursula Burns.
Chefin von Xerox: Ursula Burns.
Foto: Xerox

Ursula Burns, Chefin von Xerox, ist die einzige afroamerikanische Frau an der Spitze eines Standard & Poor`s-100-Unternehmen. Die gelernte Maschinenbauerin löste 2009 Anne Mulcahy ab und steht auf Rang 14 der weltweit mächtigsten Frauen.

HP-Chefin Meg Whitman.
HP-Chefin Meg Whitman.
Foto: HP

Margaret "Meg" Whitman hat die schwierige Aufgabe, Hewlett-Packard zurück zu altem Glanz zu verhelfen. Die HP-Chefin ist seit 2011 im Amt, war aber schon vorher weltbekannt in ihrer Rolle als Ebay-Chefin (1998-2008).

Virginia "Ginni" Rometty führt seit Anfang 2012 als CEO und President IBM. Die studierte Elektrotechnikerin und Informatikerin löste Samuel Palmisano ab und wird in der Time-Liste der 100 einflussreichtsen Menschen der Welt geführt.