"Der Schlüssel liegt darin, nicht ad hoc auf bestimmte Situationen reagieren zu müssen, sondern vorausschauend planen zu können", erklärte Heathrow-CIO Stuart Birrell gegenüber der COMPUTERWOCHE-Schwesterpublikation Computerworld UK. Die bis dato eingesetzte papierbasierte, reaktive Methode soll einem vorausschauenderen, proaktiven Planungsmodell weichen. Ziel ist es, Überraschungen möglichst ganz zu verhindern und damit einen effizienteren Betrieb im Steuern der Passagier- und Gepäckströme zu erreichen. Der Flughafen im Westen von London gehört mit täglich fast 215.000 Gästen zu den verkehrsreichsten der Welt.
Um die Passagierströme durch die Terminals besser vorhersagen zu können, nutzen die Betreiber von Heathrow eine Reihe von Daten- und Analyse-Tools sowie Machine-Learning-Techniken von Microsoft. Bereits 2016 hatten die Verantwortlichen ein umfassendendes Programm zur Modernisierung ihrer Datenarchitektur gestartet. Dabei kamen verschiedene Produkte und Services von Microsoft zum Einsatz, unter anderem Azure Cloud Services, darunter Data Lake Analytics, Stream Analytics und Azure SQL Database. Das Ziel: Daten über Flugbewegungen, Passagiertransfers und Warteschlangen möglichst in Echzeit zu extrahieren, zu bereinigen und aufzubereiten. Für die Analyse und Darstellung der Daten am Frontend kommt Microsofts Power BI zum Einsatz.
Herausforderung Datenmigration
Man habe sich vier oder fünf Player für die Plattform und das Analysetool angesehen, erklärte Birrell. Beide Seiten abdecken zu können, habe letztlich den Ausschlag für Microsoft gegeben. "Wir haben uns für Microsoft als integrierte Lösung entschieden", sagte der Flughafen-CIO und verwies auf eine aus seiner Sicht nahtlose Integration, von der Identitäts- und Sicherheitsebene bis hin zur Datensicherheit und -integrität. "Die große Herausforderung von Azure bestand darin, die Daten aus Altsystemen in die neue Umgebung zu bringen", fügte Birrell hinzu. Als das erledigt gewesen sei, habe der Rest ziemlich schnell funktioniert.
Im August haben die Heathrow-Verantwortlichen erste Ergebnisse ihrer Analytics-Initiative präsentiert. "Wir haben jetzt ein maschinelles Lernmodell, das im 15-Minuten-Rythmus die Passagierströme in jedem Terminal genau vorherzusagen kann", sagte Birrell. Die einzelnen Manager in den verschiedenen Bereichen des Flughafens könnten so Personaleinsatz, Pausen und Sicherheitsressourcen wesentlich flexibler und genauer planen.
Der CIO führte als Beispiel Flüge an, die wegen des atlantischen Jetstreams früher als geplant in Heathrow ankommen. In der Vergangenheit hätten verschiedene Abteilungen vom Gepäckpersonal bis zu den Grenzbehörden plötzlich auf den ungeplanten Volumenanstieg reagieren müssen. Dank der neuen Vorhersagemodelle sowie zusätzlich verfügbarer Wetterdaten sei man nun in der Lage, bereits im Voraus Pläne für solche Lastspitzen zu erstellen.
Datenwörtenbuch sorgt für einheitliches Verständnis
Die statischen Papierberichte, die immer 48 Stunden im Voraus als Basis für die Einsatzpläne dienten, braucht es künftig nicht mehr. Die IT konsoldiert die für Analysen notwendigen Daten. Über Dashboards bekommen die Mitarbeiter Zugang zu den stets aktuell aufbereiteten Informationen und können entsprechend die benötigten Ressourcen flexibel planen. Eine Art Datenwörterbuch soll dabei für gemeinsame Standards sorgen und damit ein einheitliches Verständnis für Daten und Analysen rund um den gesamten Flugbetrieb schaffen.
In einem nächste Schritt will Heathrow seine Analysemetriken weiter 'demokratisieren', um sie mehr Mitarbeitern in verschiedenen Bereichen des Flughafens zur Verfügung zu stellen. Power BI-Berichte und Dashboards gibt es bereits für Sicherheitsbeauftragte und Kundendienstmitarbeiter. In der nächsten Phase des Rollouts soll auch die Grenzpolizei Zugang zu Informationen über Ankünfte und Gepäckmengen erhalten. Birrell will außerdem die Vorhersagemodelle weiter verfeinern. Eine große Chance sieht der Manager darin, die Machine Learning-Modelle um zusätzliche Datenströme zu erweitern, um neue Muster zu entdecken. Für neue Erkenntnisse sei es an dieser Stelle zwar noch zu früh, "aber wir werden weiter experimentieren", kündigte der CIO an.