Denkanstöße aus dem Silicon Valley

Hamsterrad oder Selbstbestimmung

07.03.2016
Von 
Winfried Gertz ist Journalist in München. Er arbeitet in einem Netzwerk von zahlreichen Anbietern kreativer Dienstleistungen. Das Spektrum reicht von redaktioneller Hörfunk- und Fernsehproduktion über professionelle Fotografie bis zu Werbetexten für Industrieunternehmen und Non-Profit-Organisationen.

Keine Kopie vom Silicon Valley

Damit will man das Silicon Valley jedoch keineswegs kopieren. Mit den Betriebsräten ausgehandelt wurden zum Beispiel über 100 Arbeitszeitmodelle, die vor allem den Ausgleich zwischen Berufs- und Privatleben zum Ziel hätten. Den Wertvorstellungen entspricht, dass Mitarbeiter bewusst abschalten können statt sich mangels solcher "Leitplanken" womöglich selbst auszubeuten, worauf Gewerkschaften nicht ruhen hinzuweisen.

Für Arbeitnehmervertreter könnte Bosch ein leuchtendes Beispiel sein, wie sich die digitale Transformation sozial abfedern lässt: mit fairer Bezahlung und dem Erhalt physischer und psychischer Gesundheit; mit mehr Zugewinn an Zeitsouveränität, aber nicht um den Preis der Entgrenzung von Arbeit in rechtsfreien Räumen wie in der Crowd. Christine Benner, zweite Vorsitzende der größten europäischen Gewerkschaft, IG Metall, betonte deshalb auf der Tagung in Frankfurt, die digitale Ökonomie müsse den Beschäftigten auch Sicherheit und Schutz garantieren. "Wer krank wird, braucht eine Krankenbescheinigung - 300 Freunde bei Facebook helfen ihm da nicht."

Noch sei die Digitalisierung wie eine "Black Box", betonte Gastgeberin Benner. "Landen wir im Hamsterrad oder gewinnen wir an Selbstbestimmung?" Unstrittig sei, dass IT als "Megaqualifikation" die Transformation beflügle, wie in der Automobilindustrie bereits zu beobachten. Deshalb sei es so wichtig, Beschäftigte massiv weiterzubilden und so zu ihrem "Empowerment" beizutragen. "Kriegen wir den Skill Shift hin?", fragte Benner beinahe flehend ins Auditorium.

Mit seiner Ingenieurskunst und dem Bildungssystem sei Deutschland gut gerüstet, pflichtete Hartung der Spitzengewerkschafterin bei. Doch ohne maßgeschneiderte Qualifikation und lebenslanges Lernen nicht zuletzt der älteren Fachkräfte drohe man die gute Position einzubüßen. Eindringlich appelliert Hartung an Politiker, die Digitalisierung in das schulische Curriculum zu integrieren. "Jedes Kind sollte lernen, wie Programmierung im Grundsatz funktioniert." Im Alter von 30 sei das zu spät.