Multi-Cloud-Management-Studie

Gute Vorbereitung verhindert Chaos

14.07.2022
Von 
Iris Lindner ist freiberufliche Journalistin für Elektronik und Automatisierung.
Damit die unausweichliche Reise in die Cloud nicht eine von Ressourcenengpässen und Architektur-Sackgassen gepflasterte Fahrt ins Blaue wird, braucht es ortskundige Fahrer, eine aktuelle Straßenkarte, Wendemöglichkeiten und viel Zeit.
Multi-Cloud-Management - ein zunehmend wichtiges Thema in den Unternehmen
Multi-Cloud-Management - ein zunehmend wichtiges Thema in den Unternehmen
Foto: Boonchuay1970 - shutterstock.com

Es ist unumstritten, dass Bezugsmodelle aus der Cloud Grundvoraussetzung für den digitalen Wandel, die Transformation eines Unternehmens und der Modernisierung der IT-Infrastruktur sind. Nicht nur, weil die Cloud eindeutige Kostenvorteile für das Unternehmen und Vorteile in der Resilienz der Umgebung hat. Unternehmen können sich dadurch zum einen auf die Kernaspekte ihrer IT in einer zukunftsorientierten Ausrichtung fokussieren, zum anderen so schnell auf Themen reagieren, wie es anders nicht mehr möglich ist. Selbst das regulierte Umfeld musste mittlerweile die Relevanz der Cloud eingestehen. Zu groß war der Druck der Mitarbeiter, die selbst Cloud Services nutzen und dies auch an ihrem Arbeitsplatz erwarten, immer stärker der Druck der Provider, die viele Services nicht mehr On-Premises zur Verfügung stellen, und schließlich der Druck des Wettbewerbs - die jungen Wilden, die zum Teil Cloud-native sind, machen den Etablierten das Leben schwer.

Viele Gründe für die Cloud

Doch es gibt auch branchenunabhängige Gründe dafür, warum eine IT-Strategie ohne Cloud heute nicht mehr vorstellbar ist. Einer davon ist die Tatsache, dass Infrastruktur mittlerweile Commodity geworden und somit kein Differentiator mehr bei den eigenen Produkten ist. Ein weiterer verbirgt sich hinter der neuen Rolle der IT. Aus dem Sachbearbeiter wurde ein Gestalter, der als Enabler die Dienste am besten noch am selben Tag bereitstellen soll. Und schließlich bescherte der demografische Wandel allen Branchen ein gravierendes Ressourcenproblem. Es gibt schlichtweg nicht mehr genügend Mitarbeiter, die entweder die Infrastruktur, die Applikation oder die Datenbanksysteme vernünftig pflegen können oder sich mit COBOL und PL1 auskennen.

Die monolithischen Strukturen, die über Jahre hinweg gewachsen sind, kann man allerdings auch nicht in einem Schritt in die Cloud transferieren. Nicht umsonst ist Cloud in vielen Formaten verfügbar wie Function-as-a-Service, Platform-as-a-Service oder Software-as-a-Service sowie als Private oder Public Cloud. Die meisten Unternehmen nutzen mittlerweile das Modell Hybrid Cloud, eine Kombination aus Private und Public Cloud. Und auch wenn beim NIST - dem US-amerikanischen National Institute of Standard and Technology - der Begriff Multi-Cloud nicht auftaucht, so gibt es eine klare Abgrenzung zur Hybrid Cloud: Multi-Cloud bedeutet, entweder innerhalb einer Private Cloud oder einer Public Cloud oder einer Community Cloud mehrere Clouds zu nutzen.

Der Businesszweck bestimmt die Routenplanung

Multi-Cloud als Einstiegsmodell zu wählen, ist wenig empfehlenswert. Zu schnell gelangt man zu einer Komplexität, die nicht mehr beherrscht werden kann. Andererseits muss man, um sich zu optimieren, verschiedene Cloud-Anbieter nutzen, da sie ihre Kernprodukte in unterschiedlichen Bereichen haben. Auch dadurch steigt die Komplexität des Cloud-Managements. Und selbst Dienste aus dem Internet, die keine direkte IT-Funktionalität haben, wie zum Beispiel für E-Procurement oder Supply Chain Management, müssen im Rahmen der gesamten IT-Services orchestriert und gemanaged werden, da sie für das Business essentiell sind. Von daher sollte sich jedes Unternehmen fragen: Wo stehe ich in meiner persönlichen Cloud Journey und wo möchte ich hin? Business Impact und Business Value müssen bei dieser Überlegung immer im Vordergrund stehen und sollten auch bei jedem weiteren Schritt in die Cloud erneut hinterfragt werden.

Den Business Case für eine lohnende Migration zu rechnen ist sehr individuell. Wie man nämlich diesen jahrelangen Pfad bestreitet, hängt im Wesentlichen vom Verständnis ab, mit welchen Parametern man die eigene IT effizienter und eventuell günstiger gestalten kann. Zu oft werden hier die Utilisation der Infrastruktur sowie die Verkürzung der Wertschöpfungskette übersehen. Das komplette Technologiemanagement, wie man es im IT Service Management (ITSM) kennt, fällt in der modernen Cloud komplett weg. Das bedeutet, das ganze Prozesse, wie sie im ITIL-Modell hinterlegt sind, so nicht mehr notwendig sind. Darüber hinaus wird bei der Cloud-Migration sehr häufig die Reduzierung der Assets übersehen.

Ein Beispiel: Heute betreiben die meisten intern ein großes Storage-System, mit dem sie ihre Systeme füttern. In der Cloud hat man es entweder mit File-Storage, virtuellen Festplatten oder Object Storage zu tun. Drei unterschiedliche Produkte, die bei applikationsorientierten Ausschreibungen nicht berücksichtigt werden. Ergo werden auch die Einsparungen, die dadurch zum Tragen kommen, nicht berücksichtigt.

Studie "Multi-Cloud-Management 2022": Sie können sich noch beteiligen!

Zum Thema Multi-Cloud-Management führt die COMPUTERWOCHE derzeit eine Multi-Client-Studie unter IT-Entscheidern durch. Haben Sie Fragen zu dieser Studie oder wollen Sie Partner werden, helfen Ihnen Regina Hermann (rhermann@idg.de, Telefon: 089 36086 161) und Manuela Rädler (mraedler@idg.de, Telefon: 089 36086 271) gerne weiter. Informationen zur Studie Multi-Cloud-Management finden Sie auch hier zum Download (PDF).

Die IT muss zurück in den Fahrersitz

Dass eine saubere Architektur und eine Governance-Struktur Grundvoraussetzungen sind, um Schritt für Schritt seine eigene Cloud Journey zu gehen, ist in der Theorie schon lange bekannt. Ebenso, dass diese Roadmap über Jahre hinweg abgearbeitet werden muss, um eine Überforderung zu vermeiden. Die Anforderung 'Fast Delivery' führt in der Praxis jedoch zu einem Chaos, das auch jeder kennt. Meist unterstützt vom Management-Board, schaffen Fachbereiche auf eigene Faust Cloud-Silos, in denen Lösungen schnell erdacht und umgesetzt werden. Dabei blenden sie die Probleme aus, die spätestens dann auftreten, wenn die IT dies in einen Regelbetrieb umsetzen soll. All die unterschiedlichen Systeme mit einem Service-Gedanken wieder zusammenzuführen und eine gemeinsame Compliance darüber zu legen, macht eine Vereinheitlichung nicht nur sehr viel komplexer. Die IT ist dadurch auch wieder für die Verfügbarkeit und die Sicherheit von SaaS-Produkten verantwortlich.

Möchte man technisch möglichst schnell in die Cloud migrieren, liegt die Herausforderung darin, die Organisation darauf vorzubereiten und umzubauen. Dazu gehört auch, in höheren Riegen mehr Awareness für die IT zu schaffen. Sie ist die wichtigste Ressource, da sie im Endeffekt das Produkt baut, worauf das ganze Unternehmen zurückgreift. Damit dahinter jedoch Architekten stehen, welche den Prozess ganzheitlich beleuchten und vorantreiben, ist es nicht damit getan, jedem einzelnen IT-Mitarbeiter eine Cloud-spezifische Schulung zu verabreichen. Damit man aus einem Systemadministrator einen Software Developer macht, braucht es auf der einen Seite einen kulturellen Wandel. Die Jobprofile in der IT ändern sich und diesen Change muss man nicht nur begleiten, sondern auch Fehler ungestraft zulassen. Gerade zu Beginn der Journey wird es immer Sackgassen geben, Fehlentscheidungen in der Architektur, die man korrigieren muss.

Auf der anderen Seite müssen sich die IT-Organisationen selbst genau so transformieren wie die Technik - mit anderen Skills, anderen Zuständigkeiten und mit anderen Verantwortlichkeiten. Doch hier kommt wieder der Ressourcenbedarf ins Spiel. Es wird sich nicht umgehen lassen, Fachkräfte aus anderen Regionen der Welt zu holen, weil sie in der Qualität und der Masse, wie sie gebraucht werden, hierzulande nicht zu bekommen sind.

Im Mannschaftsbus auf Cloud Journey

Wer als Unternehmen die Herausforderungen des digitalen Zeitalters meistern will, der braucht nicht nur ganz neue Fertigkeiten, Fähigkeiten und eine andere IT-Infrastruktur. Um nicht in einen Ressourcenengpass zu gelangen, muss er vor allem die Attraktivität als Arbeitgeber erhöhen. Wie das gelingen kann, haben zwei Automobilhersteller bereits vorgemacht: Sie haben die IT-Mitarbeiter noch näher an die Produktion herangerückt, um ihnen zu verdeutlichen, wie hoch der individuelle Wertbeitrag ist, den jeder einzelne Mitarbeiter am fertigen Fahrzeug leistet. Dadurch stieg nicht nur die Zufriedenheit der Mitarbeiter, sondern auch die Anzahl der Bewerber. Zusammen mit der Schaffung einer modernen Arbeitsplatzinfrastruktur und modernen Abläufe, führte dieser Weg zu einer sehr hohen Attraktivität für den IT-Bereich.

Das Beispiel verdeutlicht, wie wichtig es ist, die eigene Wertschöpfungskette wieder in den Fokus zu rücken, damit sie auch verstanden wird - und zwar von der IT über den Fachbereich bis hin zum CIO. Denn: Die Chancen, die die Digitalisierung bietet, sind maximal und gehen auch nicht ohne Cloud. Die Frage ist nur: Wer treibt es voran und wer kann es entsprechend ordnen? Weder die IT noch der CIO allein sind dazu in der Lage. Ein organisationsübergreifendes Gremium, das sich mit der IT den "Fahrersitz" teilt, schon.