Werkzeuge wie ChatGPT aus der KI-Schmiede von OpenAI scheinen ein neues KI-Zeitalter einzuläuten und die Fantasie der Investoren zu beflügeln. Angeblich will das kalifornische Startup eigene Anteile zu Höchstpreisen verkaufen. Im Rahmen eines solchen Deals könnte sich der Gesamtwert von OpenAI auf etwa 29 Milliarden Dollar aufsummieren, berichtet die New York Times (NYT) unter Berufung auf zwei an den Gesprächen beteiligte Personen. Außerdem sei eine weitere Beteiligung von Microsoft im Gespräch. Der Softwareriese hatte schon 2019 rund eine Milliarde Dollar in das KI-Startup gesteckt.
Auslöser für den jüngsten KI-Goldrausch ist das Projekt Chat Generative Pretrained Transformer (ChatGPT), das Open AI im Dezember 2022 vorgestellt und interessierten Usern zu Testzwecken bereitgestellt hatte. Das Tool sorgte in den vergangenen Wochen für Furore. Anhand einfacher Anweisungen kann ChatGPT Antworten auf Fragen liefern beziehungsweise neue Inhalte kreieren. Das reicht von einfachen Gedichten über Schulaufsätze bis hin zu Softwarecode. Trainiert wird der Bot mit Hilfe von im Internet zu findenden Daten.
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Das Tool gehört in die Kategorie Generative Artificial Intelligence. Die Analysten von Gartner beschreiben damit KI-Techniken, bei denen aus Massendaten intelligent neue Artefakte erzeugt werden, die zwar eine Ähnlichkeit mit den Originaldaten aufweisen, im Grunde aber völlig neu sind. Generative AI kann demnach nicht nur Modelle von physischen Gegenständen, sondern auch ganz neuartige Medieninhalte (einschließlich Text, Bild, Video und Audio) erzeugen oder auch synthetische Daten. Hilfreich sei diese Technik beispielsweise für das Design von neuen Materialien mit bestimmten Eigenschaften, die Erforschung von Arzneimitteln oder für kreative Arbeiten in den Bereichen Marketing, Design, Architektur und Medieninhalte.
KI soll neue Geschäftsfelder eröffnen
Für die gebeutelte Tech-Branche kommt der neue Hype zur rechten Zeit. Nachdem die Geschäfte im vergangenen Krisenjahr angesichts grassierender Inflation und wachsenden Rezessionsängsten längst nicht mehr so rund liefen wie in den Jahren zuvor und etliche IT-Anbieter Sparprogramme auflegten und ihre Belegschaften ausdünnten, erscheint die neue KI-Generation vielen wie ein Silberstreif am Horizont.
Neben OpenAI haben die Investoren auch andere KI-Startups im Visier. Das erst 2021 gegründete Unternehmen Jasper erhielt im vergangenen Oktober 125 Millionen Dollar und erzielte damit eine Gesamtbewertung von etwa 1,5 Milliarden Dollar. In das auf Bildgenerierung spezialisierte Startup Stability AI steckten Geldgeber im gleichen Monat rund 101 Millionen Dollar und trieben damit die Bewertung des Anbieters auf zirka eine Milliarde Dollar. Laut Angaben von Pitchbook, einem Analysedienst für Finanzdaten, haben Investoren im vergangenen Jahr 78 Deals mit einem Gesamtvolumen von 1,37 Milliarden Dollar im Bereich Generative AI eingefädelt - so viel wie insgesamt in den fünf Jahren zuvor.
Neue Anwendungen mit Generative KI
Generative AI verspricht eine neue Art der Interaktion zwischen User und Computer. Entsprechende Tools könnten ganze Anwendungsbereiche wie beispielsweise Suchmaschinen und digitale Assistenzsysteme aber auch Software für die Erstellung und Bearbeitung von Inhalten wie Bild- und Texteditoren grundlegend verändern. Investoren und Analysten sprechen bereits von einem Paradigmenwechsel. Die Technik könne die Arbeit von Milliarden Menschen schneller, effizienter und kreativer machen, hieß es in einer Analyse von Sequoia Capital aus dem Herbst 2022. "Generative AI hat daher das Potenzial, Billionen von Dollar an wirtschaftlichem Wert zu generieren." Die Investoren rechnen damit, dass eine regelrechte Welle neuartiger Anwendungen entstehen werden - ähnlich wie die Flut an Apps im Mobile-Zeitalter.
Bis es soweit ist, dürften allerdings noch einige Jahre ins Land gehen. In Gartners Hypecycle for Emerging Technologies aus dem Jahr 2021 stand Generative AI kurz vor dem Gipfel der überzogenen Erwartungen. Aus Sicht der Analysten damals wird es noch bis Mitte des Jahrzehnts dauern, bis die Technik praxistauglich funktioniert und Produktivitätsstatus erreicht.
"Generative AI steht noch am Anfang"
Auch den Investoren von Sequoia ist klar, dass es noch Zeit braucht, bis ihre Investitionen Früchte tragen. "Generative AI steht noch ganz am Anfang", steht in dem Analysepapier. Die Plattform-Ebene stabilisiere sich noch, und der Anwendungsbereich komme gerade erst in Gang. Es gebe noch viele Probleme im Zusammenhang mit Geschäftsmodellen und Technologien zu lösen. Fragen zu wichtigen Themen wie Urheberrecht, Vertrauen und Sicherheit sowie Kosten seien längst nicht geklärt.
Tatsächlich haben erste Versuche mit ChatGPT gezeigt, dass die vom OpenAI-Bot erzeugten Ergebnisse vielleicht kreativ, aber inhaltlich nicht sonderlich verlässlich sind. Außerdem ist das Tool nicht gegen Verzerrungen gefeit. Je nachdem, mit welchen Trainingsdaten ChatGPT gefüttert wird, kommen auch rassistische und beleidigende Ergebnisse heraus.
Die dunkle Seite von ChatGPT
Zudem haben Sicherheitsforscher von Check Point herausgefunden, dass Hacker mit Hilfe von ChatGPT bösartige E-Mails und Code generieren könnten, um ihre Cyberangriffe gezielter und effizienter zu setzen. In einem Experiment konnten die Security-Experten mithilfe des Chatbots Schadcode zur Initiierung von Cyberangriffen bauen und sich gleich die passenden Phishing-Mails dazu texten lassen.
Dazu kommen bis dato ungeklärte Urheberrechtsfragen. Auch Generative AI muss schließlich trainiert werden. Die dem zugrundeliegenden Text-, Bild- und Code-Daten stammen zu überwiegenden Teil von real existierenden Menschen, die in aller Regel nicht nach ihrer Zustimmung gefragt wurden. Wenn nun die Ergebnisse, die ein Generative-AI-Tool ausspuckt, stark bestimmten Trainingsdaten ähneln, stellt sich die Frage, ob damit Urheberrechte verletzt werden. Matthew Butterick, ein Programmierer und Rechtsanwalt in Los Angeles, hat laut einem Bericht der NYT bereits eine Sammelklage gegen Microsoft, GitHub und OpenAI auf den Weg gebracht.
Die KI muss keinen Tolstoi schreiben
Angesichts all dieser Unwägbarkeiten und noch zu lösenden Probleme, warnen die Investoren von Sequoia vor allzu viel Euphorie. Die aktuellen Modelle seien gut genug, um erste Entwürfe von Blogbeiträgen zu schreiben oder Prototypen von Logos und Produktoberflächen zu bauen. Es gebe eine Fülle von wertschöpfenden Möglichkeiten, die sich in naher bis mittlerer Zukunft umsetzen ließen. Die Investoren pädieren dafür, mit den bestehenden Möglichkeiten schnell ins Machen zu kommen. "Um Generative AI sinnvoll zu nutzen, brauchen wir keine großen Sprachmodelle, um einen Tolstoi-Roman zu schreiben."