Neue KI-basierte Tools sollen die Arbeit, das Lernen und die Kreativität revolutionieren, so zumindest die Meinung der Tech-Giganten. Doch Microsoft, Amazon und Google argumentieren hier nach Ansicht des Wall Street Journals nicht ganz uneigennützig: Sie wollen ihr schwächelndes Cloud-Computing-Geschäft ankurbeln.
Hyperscaler werben für KI-Einsatz
So würden die drei großen Hyperscaler, so das Wall Street Journal weiter, immer häufiger das Potenzial generativer KI in den Mittelpunkt ihrer Verkaufsgespräche stellen, um von dem explosionsartigen Interesse an Anwendungen wie dem Chatbot ChatGPT zu profitieren. So soll Microsoft-Chef Satya Nadella etwa Präsentationen darüber halten, wie Unternehmen ihre Effizienz durch den Einsatz von KI über die Azure-Cloud steigern können.
Die KI-Pläne der Hyperscaler
Und Google verkündete, dass es Softwareentwicklern, die die Cloud-Dienste des Unternehmens nutzen, Zugang zu einem seiner größten KI-Programme, dem Pathways Language Model, verkaufen wird. Anwender können damit beispielsweise maßgeschneiderte Chatbots oder Tools zur Zusammenfassung von Webseiten erstellen.
Darüber hinaus haben Microsoft und Google, wie wir berichteten, angekündigt, dass sie die Chatbot-Technologie in ihre Office-Programme wie Microsoft Word(Copilot 365) und Google Docs integrieren werden.
Schwächelndes Cloud-Geschäft
Der Vorstoß in Sachen generative KI erfolgt in einer Zeit, in der das Cloud-Computing-Geschäft der drei Hyperscaler schwächelt. So erwarten Analysten für die drei Großen in diesem Jahr ein kombiniertes Wachstum der Cloud-Umsätze von 18 Prozent. Das ist fast die Hälfte weniger als das Wachstum im letzten Jahr.
Amazon Web Services, der größte Cloud-Anbieter, meldete im letzten Quartal ein Umsatzwachstum von 20 Prozent - der niedrigste Wert aller Zeiten. Zudem kündige Amazon Anfang des Monats an, 9.000 Mitarbeiter im gesamten Unternehmen zu entlassen. Ein Schwerpunkt der Kürzungen betrifft dabei dieCloud-Computing-Sparte. Und Microsoft, hinter AWS die Nummer Zwei im Cloud-Business, warnte bereits Investoren, dass sich das Wachstum im Cloud-Geschäft verlangsame.
Mit KI Cloud-Umsätze steigern
Um dem gegenzusteuern, adressieren die Cloud-Anbieter verstärkt Unternehmen, die mit der Nutzung generativer KI beginnen. Ihre Hoffnung dabei: Generative KI läutet eine neue Ära des Cloud-Wachstums ein. "KI wird große Marktchancen eröffnen", ist etwa Thomas Kurian, CEO von Google Cloud Platform, überzeugt, "wir befinden uns in einem sehr frühen Stadium der Entwicklung." Judson Althoff, Chief Commercial Officer bei Microsoft, sieht in KI einen Beschleuniger, denn Unternehmen würden in Verbindung mit KI immer mehr ihrer Systeme in die Cloud migrieren.
Erste Kundenreaktionen scheinen die Einschätzung der Manager zu bestätigen. So fuhr etwa die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG LLP in den letzten Quartalen seine Ausgaben für Cloud Computing zurück. Seit das Unternehmen aber begann, mit Microsofts Azure OpenAI-Programm zu arbeiten, zeichnet sich laut Brad Brown, Global Chief Innovation Officer der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, jedoch ab, dass es die Ausgaben für KI-Dienstleistungen erhöhen wird.
Startups als potenzielle Kunden
Eine andere potenzielle Einnahmequelle für die Hyperscaler sind kleinere KI-Startups. Sie benötigen große Mengen an Rechenleistung, um ihre Anwendungen zu entwickeln und auszuführen. Nach Schätzungen der Risikokapitalgesellschaft Andreessen Horowitz gehen etwa x 10 bis 20 Prozent des Umsatzes, den generative KI-Apps den Startups einbringen, an die Cloud-Unternehmen.
Dabei werden die Start-ups von den Hyperscalern regelrecht geködert, indem sie etwa die Dienste vorerst kostenlos nutzen können. So hat beispielsweise Google die Zahl der kostenlosen Kredite, die neuen KI-Startups gewährt werden, mehr als verdoppelt. Im ersten Jahr decken sie nun Ausgaben von bis zu 250.000 Dollar ab. Amazon plant, einigen KI-Newcomer im Rahmen eines neuen Programms für Generative-AI-Startups bis zu 300.000 Dollar an kostenlosen Rechenressourcen zu offerieren.
Gefahr der Abhängigkeit
Doch nicht bei jedem KI-Startup stoßen die Offerten auf positive Resonanz. Sie wollen nicht von den externen Anbietern abhängig werden. So hat etwa das Startup Generally Intelligent damit begonnen, eigene Grafikchips zu kaufen, um seine Forschung zu betreiben. Zudem entwickelte das Unternehmen ein eigenes Tool, um seine Rechenaufgaben jederzeit an den günstigsten Cloud-Dienst transferieren zu können.
Nachfrage übertrifft Kapazitäten
Allerdings scheinen solche Reaktionen noch die Ausnahme zu sein. So spricht vieles dafür, dass der KI-Boom dem Cloud-Geschäft wirklich hilft. Der viertgrößte US-amerikanische Cloud-Anbieter Oracle teilte etwa mit, dass das steigende Anwenderinteresse, mehr KI-Tools zu nutzen, zu einem starken Ergebnis im letzten Quartal beigetragen habe. "Es gibt tatsächlich mehr Nachfrage nach KI-Verarbeitung als verfügbare Kapazitäten", stellte der Oracle-Vorsitzende Larry Ellison während eines Gesprächs mit Investoren fest.