Technik kennt keine Diskriminierung. Und trotzdem wird auf der Internet-Konferenz DLDwomen in München über den kleinen Unterschied geredet. "Testosteron verschiebt die Risikobereitschaft", sagt der Neurowissenschaftler John Coates. Die Endokrinologin Anneliese Schwenkhagen stimmt zu: "Männer und Frauen sind nicht gleich, und wir alle wissen das." Hormone und Technik - wie passt das zusammen? Die Teilnehmerinnen wollen den Aufbruch in die digitale Welt dazu nutzen, Leben und Arbeiten so in eine Balance zu bringen, dass sich beide Bereiche optimal entfalten können.
Keine bringt das knapper auf den Punkt als Arbeitsministerin Ursula von der Leyen: "Wir wollen Bosse sein und wir wollen Babys haben!" Die Arbeitswelt der Zukunft soll es möglich machen. Denn dann sollen nicht mehr die "Netzwerke alter Jungs" entscheiden, sondern allein die Qualität der geleisteten Arbeit. Und wenn man sich von jedem Ort aus an jeden virtuellen Arbeitsplatz der Welt begeben kann, lassen sich Arbeit und Familie besser miteinander vereinbaren.
Zu den Bossen gehört bereits Maria Molland. Die Amerikanerin ist seit drei Monaten Europachefin beim Design-Shopping-Portal fab.com, das nach einem erfolgreichen Start in den USA jetzt von Berlin aus den Markt in Europa aufrollen und zu einer globalen Marke werden will. Frauen werde die Karriere im Berufsleben immer noch schwer gemacht. "Wenn ich mir meine Business-Schule anschauen, da waren wir zehn Freundinnen, die alle drauf aus waren, die Welt zu entflammen. Aber von diesen zehn bin ich die einzige, die noch arbeitet. Alle anderen kümmern sich um ihre Familie."
Entsprechend sieht auch die Statistik aus, die Bettina Orlopp von der Unternehmensberatung McKinsey auf der Konferenz vorstellt: Bei einem Frauenanteil von 37 Prozent in den europäischen Unternehmen mit mehr als 10.000 Mitarbeitern besetzen Frauen noch 22 Prozent der Positionen im mittleren Management, 14 Prozent der Stellen im höheren Management und gerade mal zwei Prozent der Chefposten im Vorstand. Ihr Rezept für den Weg zur Gleichberechtigung: Die Regeln für die Anwesenheit am Arbeitsplatz müssten so geändert werden, dass das Arbeiten daheim mehr als bisher unterstützt wird.
Das soll mit der zunehmenden Vernetzung und ununterbrochener Internet-Verbindung zum Selbstläufer werden. Das Arbeiten daheim werde die Firmenkultur in Europa in den nächsten Jahren erheblich verändern, erwartet René Schuster, Vorstandschef der Telefónica Deutschland.
Auch als Unternehmerinnen forcieren Frauen das Arbeiten in virtuellen Räumen. Gabriela Ender hat mit ihrer Firma OpenSpace-Online eine Beteiligungssoftware für Online-Konferenzen entwickelt, die gerade für eine Demografie-Konferenz des Bundesinnenministeriums verwendet wurde. "Es blicken immer alle auf die USA, aber auch in Deutschland gibt es viel Innovation", sagt die Berlinerin. Zwar gebe es noch viele Bedenken, sich neuen Ideen zu öffnen. "Die gute Nachricht ist: Es gibt immer mehr, die dies gegenwärtig erkennen."
Den Arbeitsplatz nach eigenen Bedürfnissen gestaltet hat die britische Internet-Unternehmerin Sarah Wood, die im Büro ihren Mann und ihre drei Kinder im Alter von zwei bis zwölf Jahren dabei hat. "Unser Büro sieht aus wie eine Wohnung. Wichtigste Einrichtung ist ein Küchentisch, wo die Entscheidungen fürs Unternehmen getroffen werden und sich auch die Kinder wohlfühlen. Unten haben wir eine Spielzone." Es sei für die Arbeitswelt der Zukunft sehr wichtig, Familien willkommen zu heißen.
Die kreative Gestaltung der eigenen Umwelt hat sich auch die Bewegung mit dem Schlagwort "Urban Knitting" zum Ziel gesetzt. Ihre Anhänger bestricken in den Städten Baumstämme oder Laternenpfähle. "Es geht darum, sich wieder den städtischen Raum anzueignen und ihn hübscher zu machen, Farbe in den grauen Raum zu bringen", erklärt die Netzaktivistin Anke Domscheit-Berg und lädt gleich zum Mitmachen ein.
Bei der Gestaltung digitaler Welten sieht Sarah Wood einen Vorteil von Frauen: "Wir sind ja geborene Experten fürs Multitasking, darum geht es das ganze Leben - gleichzeitig eine Karriere verfolgen, Kinder zu haben und schön auszusehen." Wie schaffe sie das alles gleichzeitig, wird die junge Unternehmerin auf der Münchener Konferenz gefragt, was ist da ihre persönliche Strategie? "Ich weine viel", bekennt Wood. "Der Druck ist einfach so groß." (dpa/tc)