Azure for 5G als Software
Offen zeigten sich Fraport und Partner NTT dann auch beim gewählten Technikansatz. "Da wir uns die Möglichkeit offenhalten wollten, während der Projektphase noch nachjustieren zu können, entschieden wir uns für einen offenen Standard und wählten als 5G-Ansatz OpenRAN", erklärt Kai Grunwitz, CEO NTT Ltd. Germany. In Sachen Software setzt man dabei auf Azure for 5G. Für die Microsoft-Lösung sprach unter anderem die enge Verknüpfung mit der IoT-Welt. Bei der eigentlichen Netz-Hardware fiel die Wahl auf Cisco, wobei die Partner gerade in Sachen Antennen den Markt genau beobachten, da hier derzeit noch etliche Neuentwicklungen zu erwarten sind. Sowohl Grunwitz als auch Oswald betonen angesichts der noch jungen Technik, dass diese Entscheidungen nicht in Stein gemeißelt seien.
Die neue Technologie hatte noch eine andere Konsequenz: Man war sich schnell bewusst, dass ein Rollout ohne genaue vorherige Prüfung auf Wechselwirkungen zur bestehenden Technik ein zu großes Risiko für den Flughafenbetrieb wäre. Daraus entstand die Idee, eine Testumgebung in einer Art Sandbox aufzubauen, um so sicherzustellen, dass der Betrieb nicht gefährdet ist.
Gleichzeitig fungiert die Testumgebung als Innovation Hub, um neue Use Cases für 5G zu evaluieren und zu eruieren, wie diese später ausgerollt werden können. Darüber hinaus hat sie noch eine dritte Aufgabe: Sie soll die neue Technologie für die anderen Beschäftigten im Unternehmen sichtbar und erlebbar machen, um so eventuell vorhandene Widerstände gegen 5G abzubauen. Deshalb entschied sich Oswald auch bewusst für einen Bereich um die Konzernzentrale, um so die neuen, mit 5G möglichen, Use Cases zu promoten.
Push-to-Talk im 5G-Netz
Ein Beispiel für solche Beharrungskräfte ist etwa die Sprachkommunikation. Bislang nutzt der Flughafenbetreiber mehrere Betriebsfunksysteme mit den entsprechenden Funkgeräten, deren Unterhalt jedoch recht aufwändig ist, weshalb Oswald die Sprachkommunikation künftig über das private 5G-Netz abbilden will. Auf den ersten Blick keine Schwierigkeit, denn schließlich telefonieren wir alle täglich über Mobilfunk und das Endgeräteangebot reicht vom einfachen Handy bis zum ruggedized Smartphone.
"Allerdings wollten unsere Mitarbeitenden im Operation-Bereich nicht auf die gewohnte User Experience der Funkgeräte verzichten", schildert Oswald die Herausforderung, "denn sie sind es gewohnt, nur auf einen Knopf drücken zu müssen und sofort lossprechen zu können." Was zunächst nach einer Petitesse klingt, hat in der Flughafenpraxis aber durchaus Relevanz. In brenzligen Situationen ist es unter Safety-Aspekten eventuell entscheidend, ob eine Kommunikation binnen Millisekunden auf Knopfdruck zustande kommt oder erst auf den Aufbau eines Telefonats gewartet werden muss. Lösen will Oswald das Problem durch die Einführung einer modernen 5G-fähigen Push-to-Talk-Lösung.
Arbeitsteilung zwischen Fraport und NTT
Was die Arbeitsteilung zwischen Fraport und NTT anbetrifft, so agiert der Flughafenbetreiber künftig sowohl formal als auch praktisch als Betreiber des 5G-Netzes. "Schließlich ist es uns auch wichtig, dass 5G in Zukunft nicht irgendwo als abgekapselte Inseltechnologie gesehen wird, sondern vollständig in unsere Betriebsprozesse integriert wird", erläutert Oswald.
Zumal Fraport als KRITIS-Unternehmen das Thema Security über die gesamte Prozesskette sicherstellen muss, also vom Endgerät bis hin zu den Backend-Systemen. Das geht so weit, dass Oswald und sein Team schon heute das Provisioning öffentlicher SIM-Karten selbst durchführen, um eine lückenlose Dokumentation zu gewährleisten. Auch im Private-5G-Netz wird die Mannschaft wieder die Zuteilung der 5G-Karten übernehmen.
Auch beim späteren Betrieb plant NTT weiterhin mit von der Partie zu sein und Fraport im Zuge eines Servicekonzepts mit Managed Services zu unterstützen oder die Wartung von Komponenten zu übernehmen. Des Weiteren sieht die Arbeitsteilung Grunwitz zufolge so aus: "Fraport übernimmt den Support auf Level 1 und 2, während wir auf Level 3 agieren." Oswald veranschaulicht dies an einem Beispiel: "Themen, die auf dem Vorfeld passieren - etwa die Frage, wo und wie Antennen betrieben werden oder die Endgeräte - fallen in unsere Zuständigkeit, während NTT für den Backend-Bereich zuständig ist, wie beispielsweise die verwendeten Cloud-Komponenten, denn wir fahren als Fraport einen Cloud-First-Ansatz."
Projektende 2024
Doch bis es so weit ist, dauert es noch etwas. Schließlich hatte die Corona-Krise den Flughafenbetreiber hart getroffen, so dass das Projekt Private 5G vorerst auf Eis gelegt werden musste. Als man dann im Frühjahr 2022 die Projektarbeit wieder aufnahm, sah man sich wie viele andere Unternehmen auch mit den Lieferketten-Problemen der Hardwarehersteller konfrontiert. Deshalb geht Oswald davon aus, dass das gesamte 5G-Netz im Vollausbau erst Ende 2024 fertig sein wird. Allerdings soll der Rollout auf das Vorfeld bereits in diesem Jahr erfolgen.