Premiere in der EU: Mit "ChestLink" hat erstmals ein KI-Tool zur autonomen Analyse von Röntgenbildern in der EU eine CE-Zertifizierung erhalten. Nach Angaben des litauischen Herstellers Oxipit in Vilnius kann ChestLink etwa 15 bis 40 Prozent der täglichen Befundungen, die in der Radiologie anfallen, automatisiert bearbeiten. Ebenso sei der Einsatz in groß angelegte Screening-Projekte, wie beispielsweise den weltweiten Tuberkulose-Untersuchungen, vorstellbar.
So funktioniert ChestLink
Das Tool scannt Röntgenbilder des Brustkorbs und analysiert diese. Anschließend erstellt es automatisch Patientenberichte über die Bilder der Patienten, die ChestLink als völlig gesund und ohne Anomalien einstuft. Alle Bilder, die das Tool als potenziell problematisch einstuft, werden zur Überprüfung an einen Radiologen weitergeleitet. Da die meisten Röntgenbilder in der Primärversorgung, so Oxipit,unproblematisch seien, könne durch die Automatisierung des Auswertungsprozesses die Arbeitsbelastung der Radiologen stark verringert werden.
Radiologen gegen KI-Einsatz
Allerdings ist der Einsatz KI-gestützter Tools in der Medizin nicht unumstritten. So machen etwa in den USA Berufsverbände wie das American College of Radiology und die Radiological Society of North America lautstark Front gegen die Idee, per KI Röntgenbilder automatisiert zu analysieren. Soveröffentlichten sie etwa 2020 nach einem FDA-Workshop über Künstliche Intelligenz in der medizinischen Bildgebung ein gemeinsames Schreiben, in dem sie erklärten, autonome KI sei noch nicht reif für den klinischen Einsatz. Bislang seien die KI-Programme zu uneinheitlich und würden bei Patientengruppen außerhalb der ursprünglichen Umgebung, in der sie entwickelt wurden, oft nicht gut funktionieren.
ChestLink in der Praxis
Dem hält Gediminas Peksys, CEO von Oxipit, entgegen: "ChestLink zeigt die Zukunft der Gesundheitsdiagnostik, bei der KI als integraler Bestandteil des klinischen Arbeitsablaufs fungiert." Zudem habe die Sensitivitätskennzahl von 99 Prozent dazu geführt, dass in den Einsatzeinrichtungen während der Pilotphase der Anwendung keine klinisch relevanten Fehler aufgetreten seien. Zudem werde das Tool nicht aus dem Stand in einer neuen Umgebung eingesetzt. Vor dem autonomen Betrieb beginnt ein ChestLink-Einsatz laut Oxipit mit einer retrospektiven Bildgebungsprüfung. Die retrospektive Analyse helfe dabei, festzustellen, welcher Teil der Untersuchungen in einermedizinischen Einrichtung erfolgreich automatisiert werden können. Anschließend werde der Betrieb in eine überwachte Umgebung verlagert, in der die ChestLink-Berichte von den medizinischen Mitarbeitern von Oxipit und den Radiologen der medizinischen Einrichtung validiert werden. Erst nach Abschluss dieser Phase könne das Tool mit der autonomen Befundung beginnen.
Nach der CE-Zertifizierung in der EU wollen die Litauer in den USA auch eine Zulassung durch die Food and Drug Administration (FDA) beantragen. Allerdings prüft die FDA nicht nur, ob ein Gerät sicher ist, sondern auch ob es wirksam ist.