Auskunftsersuchen wegen VMware

EU untersucht Broadcoms Lizenzpraktiken

17.04.2024
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Manfred Bremmer beschäftigt sich mit (fast) allem, was in die Bereiche Mobile Computing und Communications hineinfällt. Bevorzugt nimmt er dabei mobile Lösungen, Betriebssysteme, Apps und Endgeräte unter die Lupe und überprüft sie auf ihre Business-Tauglichkeit. Bremmer interessiert sich für Gadgets aller Art und testet diese auch.
Nach Beschwerden von Anwenderverbänden muss sich Broadcom gegenüber der EU-Kommission erklären. Unterdessen kommt der Konzern VMware-Kunden etwas entgegen.
Nach der Übernahme von VMware durch Broadcom bleibt kein Stein mehr auf dem anderen - zum Leidwesen der Anwender.
Nach der Übernahme von VMware durch Broadcom bleibt kein Stein mehr auf dem anderen - zum Leidwesen der Anwender.
Foto: Michael Vi - shutterstock.com

Nur kurze Zeit nachdem Broadcom Ende 2023 die Übernahme von VMware abgeschlossen hatte, begann es beim Virtualisierungsspezialisten zu rumoren. Die neuen Eigentümer kündigten eine Reihe von Produkten ab, zahlreiche Jobs wurden gestrichen, der Geschäftsbereich EUC an den Finanzinvestor KKR verkauft. In andere Bereichen änderte Broadcom zum Leidwesen zahlreicher Anwenderunternehmen das Lizenzmodell von Dauerlizenz zu einem Abomodell.

Nach Kritik von Anwenderverbänden an diesem Vorgehen muss sich Broadcom nun wegen seiner Lizenzierungspraktiken gegenüber der EU-Kommission erklären. Wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, hat die EU-Wettbewerbsbehörde ein Auskunftsersuchen an Broadcom geschickt, um die Angelegenheit zu untersuchen. "Die (Europäische) Kommission hat Informationen erhalten, die darauf hindeuten, dass Broadcom die Bedingungen für die Lizenzierung und den Support von VMware ändert", zitiert Reuters einen Sprecher der Behörde.

Offener Brief an die EU-Kommission

Ende März hatten sich verschiedene europäische Anwenderverbände, darunter auch Voice e.V., an die EU-Kommission gewandt und in einem offenen Brief (PDF) das Verhalten von Broadcom kritisiert. Die in einem Schreiben an die damalige Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager geäußerten Bedenken nach der Bekanntgabe der geplanten Übernahme von VMware im Mai 2022 hätten sich nun bewahrheitet, erklärten die vier Verbände aus Belgien, Frankreich, Deutschland und den Niederlanden.

Die Anwenderverbände forderten die EU-Kommission auf, die europäischen Geschäftskunden von VMware vor dieser Art von Verhalten schützen. Seit der Übernahme von VMware habe Broadcom seine Kunden mit plötzlichen Änderungen von Lizenzpolitik und -praktiken konfrontiert. Dies habe unter anderem zu starken Preiserhöhungen, der kostspieligen Bündelung von Lizenzen, dem Verbot des Weiterverkaufs von Lizenzen und der Weigerung, die Vertragsbedingungen für unbefristete Lizenzen aufrechtzuerhalten, geführt, führten die Anwenderverbände an. Dieses Verhalten sei nur aufgrund des Kunden-Lock-ins und der starken Abhängigkeit von Business-Anwendern möglich, die VMware-Produkte in der Vergangenheit erworben und implementiert haben.

Drastische Upselling-Maßnahmen

Seit der Übernahme von VMware im vergangenen November hat Broadcom die VMware-Angebote in zwei grundlegenden Paketen zusammengefasst:

  • VMware Cloud Foundation (VCF), das Rechen-, Speicher-, Netzwerk-, Management- und Support-Funktionen für die Bereitstellung von Infrastruktur und Betrieb über Clouds hinweg umfasst, und

  • VMware vSphere Foundation (VVF), das erweiterte Rechen-, Betriebs- und Managementfunktionen für Kunden bietet, die VMs und Container verwalten müssen, aber keinen kompletten Stack wünschen.

Als Resultat sind zahlreiche beliebte Softwarelösungen wie VMware vSphere+, VMware Aria Suite und VMware NSX nicht mehr einzeln erhältlich (eine vollständige Auflistung findet sich hier). Auch der beliebte kostenlose ESXi Hypervisor wurde komplett eingestellt. Der offensichtliche Plan von Broadcom: Die Nutzer sollen auf die teureren Komplettpakete VCF oder VVF wechseln.

Nicht zu hoch gepokert

Wie Marius Sandbu, Cloud Evangelist bei Sopra Steria, in einem Blog-Beitrag ausführt, stehen die Chancen, dass diese Strategie aufgeht, gar nicht so schlecht. Zwar gebe es eine Reihe von Alternativen, der Wechsel auf eine andere Virtualisierungsplattform, um hohe Lizenzkosten und einen Vendor Lock-in zu vermeiden, sei allerdings alles andere als trivial.

Zum einen müsse man sich Wissen über eine andere Technologie aneignen, erklärt Sandbu, wobei je nach Entscheidung die Anzahl der Experten wesentlich geringer sein kann als bei VMware. Zum anderen verwies er auf mögliche Integrationen oder Abhängigkeiten mit dem Virtualisierungs-Layer, die eine Migration erschwerten. So seien mehrere Technologien direkt mit den verschiedenen vSphere-APIs integriert, etwa Backup-Produkte (zum Beispiel Veeam), VDI-Dienste wie Horizon und Citrix, oder Storage Services (zum Beispiel CSI-Treiber für Kubernetes).

Und wer beispielsweise vSphere mit VSAN (Software-defined Storage) und NSX (Software-defined Networking) verwendet, stelle eventuell beim Wechsel zu einer anderen Virtualisierungsschicht fest, dass diese Funktionen nicht zur Verfügung stehen. Zwar gebe es alternative Technologien, etwa von Nutanix und Microsoft, schreibt der Cloud-Experte. Allerdings seien die SDN-Funktionen von Microsoft im Vergleich zu VMware NSX nicht so funktionsreich und einfach zu verwalten. Daneben müsste auch noch beachtet werden, ob der neue Virtualisierungs-Layer die Anforderungen an Hardware (etwa GPUs für VDI-Umgebungen) Workloads (Oracle RAC auf Linux, Microsoft-SQL-Clusters oder Exchange) und Ähnlichem (Hochverfügbarkeit) unterstützt.

Zuletzt seien da noch die Kosten, so Sandbu: Während VMware selbst teuer sein kann, müsse man neben den Lizenzkosten noch weitere Kostenfaktoren berücksichtigen, etwa für die Anschaffung/Lizenzierung zusätzlicher Komponenten, Support, Schulung der Mitarbeiter oder das Migrationsprojekt selbst.

Leichte Zugeständnisse für VMware-Kunden

Erschwert wird die Entscheidung durch eine Reihe von Änderungen für VMware-Kunden und -Partner, die Broadcom-CEO in einem Blog-Beitrag bekannt gab: "Das Grundprinzip unserer neuen Zusammenarbeit mit Cloud-Anbietern ist, dass Endkunden die volle Freiheit haben sollten, ihre Arbeitslasten von ihren eigenen Rechenzentren zu Cloud-Anbietern und zwischen Cloud-Anbietern zu verschieben", holte Tan aus, um die verärgerten VMware-Kunden zu besänftigen.

Zu den Änderungen, die der Broadcom-Chef vorstellte, gehören die Standardisierung der Preisgestaltung bei Cloud-Providern auf eine Pro-Kern-Lizenzierung - dieselbe Metrik, die auch bei der Lizenzierung für Endkunden verwendet wird - sowie die Portabilität der Lizenzen für VCF.

"Auf diese Weise werde sichergestellt, dass die Kunden beim Wechsel des Providers nicht mit einer unterschiedlichen Lizenzierung konfrontiert werden ", schreibt Tan in seinem Beitrag. Außerdem werde VCF als Standardtechnologie für Cloud-Anbieter "zum halben Listenpreis im Vergleich zu den bisherigen Preisen" angeboten, um allen Anbietern die gleiche Technologie und den gleichen Support zu bieten".

Weiterhin Zero-Day-Patches für vSphere

Was den Wechsel von unbefristeten Lizenzen auf ein Abo-Modell betrifft, zeigte sich Broadcom dagegen wenig nachgiebig. Dieser Plan existiere bereits seit 2018 - lange, bevor Broadcom seine Pläne zur Übernahme des Unternehmens bekannt gab, so Tan. Die Umstellung werde jedoch keine Auswirkungen auf die Möglichkeit von Kunden zu haben, bestehende unbefristete Lizenzen zu nutzen, einschließlich derjenigen für zuvor lizenzierte ältere vSphere-Versionen, betonte er. Kunden könnten auch weiterhin Wartung und Support für VSphere erhalten, indem sie sich für eines der neuen Abonnementangebote anmelden. Wenn sie sich jedoch nicht für ein Abonnement entscheiden, erhalten sie weiterhin kostenlosen Zugang zu Zero-Day-Patches für unterstützte Versionen von vSphere, so Tan.