KI-Haftungsrichtlinie

EU-Kommission will Klagen über KI-Produkte erleichtern

04.10.2022
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Manfred Bremmer beschäftigt sich mit (fast) allem, was in die Bereiche Mobile Computing und Communications hineinfällt. Bevorzugt nimmt er dabei mobile Lösungen, Betriebssysteme, Apps und Endgeräte unter die Lupe und überprüft sie auf ihre Business-Tauglichkeit. Bremmer interessiert sich für Gadgets aller Art und testet diese auch.
Nach fast 40 Jahren will die EU-Kommission die europäischen Haftungsvorschriften für fehlerhafte Produkte modernisieren. Dabei sollen erstmals die spezifischen Eigenschaften von Künstliche Intelligenz (KI) berücksichtigt werden.
Mit der KI-Haftungsrichtlinie will die EU-Kommission Schäden, die durch KI-Systeme verursacht werden, stärker berücksichtigen.
Mit der KI-Haftungsrichtlinie will die EU-Kommission Schäden, die durch KI-Systeme verursacht werden, stärker berücksichtigen.
Foto: Zapp2Photo - shutterstock.com

Als die Europäische Kommission 1986 einheitliche Regeln zur Produkthaftung festlegte, war die Sachlage noch relativ einfach: Konnten die Geschädigten nachweisen, dass der Schaden durch ein fehlerhaftes Produkt entstanden war, hatten sie Anspruch auf eine Entschädigung. Heutzutage, im digitalen Zeitalter, wo Künstliche Intelligenz in immer mehr Produkten und Lösungen zu finden ist, ist dieser Nachweis deutlich schwieriger geworden. Und richtig kompliziert wird es, wenn KI in Zukunft Autos und andere Fahrzeuge steuert und es zu Unfällen kommt.

KI-Kausalitätsvermutung

Mit dem nun vorgestellten Entwurf einer KI-Haftungsrichtlinie will die EU Kommission eine "Kausalitätsvermutung" für diejenigen einführen, die Schäden durch KI-gestützte Produkte geltend machen. Das bedeutet, dass die Opfer keine komplizierten KI-Systeme entwirren müssen, um ihren Fall zu beweisen, solange ein kausaler Zusammenhang zwischen der KI-Leistung eines Produkts und dem damit verbundenen Schaden nachgewiesen werden kann.

Außerdem sollen die Opfer über mehr Instrumente verfügen, um rechtliche Entschädigung zu verlangen, indem in Fällen, in denen "Hochrisiko-KI-Systeme" betroffen sind, ein Recht auf Zugang zu Beweismitteln im Besitz von Unternehmen und Anbietern eingeführt wird.

Dank der neuen Vorschriften soll es beispielsweise leichter werden, Schadensersatz zu erhalten, wenn jemand in einem Einstellungsverfahren, bei dem KI-Technologie zum Einsatz kam, diskriminiert wurde. Auch selbstfahrende Autos, Sprachassistenten und Suchmaschinen könnten in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen.

Die Vorschriften der Kommission sollen im Falle ihrer Verabschiedung mit den Zielen des Weißbuchs zur KI und dem von der EU vorgeschlagenen Gesetz über Künstliche Intelligenz von 2021 einhergehen, hieß es - dem ersten Gesetz seiner Art, das Grenzen für den Einsatz von KI-Systemen setzt.

Bitkom-Kritik an Beweislastumkehr

Der Branchenverband Bitkom begrüßte, dass mit dem Entwurf zur KI-Haftungsrichtlinie erste grundsätzliche Fragen zur Haftung im Schadensfall beim Einsatz von KI geregelt werden sollen. Indem sich die KI-Haftungsrichtlinie auf die relevanten Definitionen aus der KI-Verordnung (AI Act) bezieht, werde Konsistenz sichergestellt und rechtliche Unsicherheiten würden vermieden, hieß es in einer Stellungnahme.

Kritischer sieht der Branchenverband die nach dem Entwurf vorgesehene Beweislastumkehr: Kann nicht eindeutig festgestellt werden, ob der entstandene Schaden kausal mit einer Pflichtverletzung des Herstellers oder Betreibers zusammenhängt, wird zunächst bei diesem das Verschulden vermutet - diese Vermutung muss der Hersteller oder Betreiber dann selbst widerlegen, indem er 'andere plausible Erklärungen' nachweist. "Was darunter konkret zu verstehen ist, lässt der Entwurf bisher offen, so der Bitkom: "An dieser Stelle brauchen wir Klarheit."