ERP-Zufriedenheitsstudie

ERP-Systeme im Praxis-Check - Anwenderzufriedenheit, Nutzen und Perspektiven

24.12.2014
Von 
Karsten Sontow ist Vorstand der Trovarit AG in Aachen.

Was wird von ERP-Anwendern besonders kritisiert beziehungsweise als problematisch wahrgenommen?

Im ERP-Projekt:

Datenaufbereitung-/Migration (zirka 35 Prozent der Projekte), Termineinhaltung (zirka 22 Prozent), Belastung der Personalressourcen beim Anwender (20 Prozent), Anpassungsumfang (19 Prozent) sowie die Abbildung der Geschäftsprozesse in der Software (16 Prozent). Nur insgesamt 17,1 Prozent der Implementierungsprojekte wurden als "problemlos" eingestuft, wobei dies überdurchschnittlich stark auf Projekte bei kleineren Unternehmen zutrifft.

Ein Vergleich der Projekte von vor zehn Jahren mit aktuellen ERP-Projekten offenbart deutliche Verschiebungen in der Problemlage: So hat sich die Situation bei den Top-Problemen offenbar deutlich entspannt - die Häufigkeit der Nennungen ist je nach Thema um fünf bis acht Prozentpunkte zurückgegangen. Im Gegenzug rücken andere Probleme stärker in den Vordergrund, unter anderem "Schnittstellen" (zuletzt 16,5 Prozent der Projekte) oder "unklare Anforderungen" (12,6 Prozent).

Interessant ist ein gegenläufiger Trend demzufolge Probleme mit dem "Anpassungsumfang" deutlich weniger genannt werden (minus acht Prozentpunkte) während die Probleme mit der Abbildung der Geschäftsprozesse deutlich zunehmen (plus sieben Prozentpunkte). Offenbar wird in der Praxis zunehmend Wert darauf gelegt, eine ERP-Lösung "nahe am Standard" einzuführen, auch wenn dafür Abstriche bei der Prozessunterstützung in Kauf genommen werden müssen.

Probleme bei der ERP-Einführung
Probleme bei der ERP-Einführung
Foto: trovarit

Im ERP-Betrieb:

Aufwand für Updates & Release-Wechsel, Performance, Ergonomie der Software, Mobilität und Web-Fähigkeit sowie Anpassbarkeit/Flexibilität der Software; immerhin zirka 30 Prozent der Installationen werden als "problemlos" eingestuft, wobei dies mit etwa 36 Prozent überdurchschnittlich stark auf Projekte bei kleineren Unternehmen zutrifft während mit zirka 20 Prozent deutlich weniger der größeren Unternehmen derzeit überhaupt keine Probleme mit ihrer ERP-Installation haben.

Probleme im ERP-Betrieb aus Anwendersicht
Probleme im ERP-Betrieb aus Anwendersicht
Foto: trovarit

Anforderungen an ERP-Systeme

Die wichtigsten Anforderungen sind "Funktionale Eignung" (ausschlaggebend in zirka 70 Prozent der Projekte), "Praktikabilität/Mittelstandseignung" (zirka 41 Prozent) und "Flexibilität der Software" (zirka 40 Prozent). Auf den Plätzen folgen "Kosten-Nutzen-Verhältnis", "Kompetenz & Auftreten des Anbieters" sowie "Benutzerführung/Ergonomie" (zwischen 29 und 33 Prozent).

Worauf achten Unternehmen bei der ERP-Auswahl weniger? Die "Release-Fähigkeit" der Software, die "Betriebskosten", ein bestimmtes "Betriebs-/Preiskonzept" (zum Beispiel Cloud/SaaS) und die mobile Nutzbarkeit der ERP-Lösung sind weniger ausschlaggebend, wenn es um die Anschaffung einer neuen ERP-Lösung ging. Dies scheint sich allerdings in der Folge zu rächen, da zum Beispiel der "Aufwand beziehungsweise Support bei Release-Wechseln" überdurchschnittlich stark kritisiert wird. Offenbar sind derartige Leistungskriterien den Anwendern aber in der Auswahlphase entweder nicht gegenwärtig oder aber einfach schlecht zu greifen, so dass sie kaum berücksichtigt werden (können).

Bei den Anforderungen hat es in den vergangenen zehn Jahren einige auffallende Veränderungen gegeben:

Eine deutlich höhere Bedeutung kommt Aspekten wie "Flexibilität der Software" (Vergleich Projekte aus 2003 vs. 2013: bei +11,4 Prozent der Projekte ausschlaggebend), "Man kennt sich schon/Beibehaltung des Lieferanten" (+9,7 Prozent), "Geringe Anschaffungskosten" (+5,8 Prozent), "Usability/Anwenderfreundlichkeit" (+4,7 Prozent), "Mobile Nutzbarkeit" (+4,1 Prozent) und "Internationale Ausrichtung der Software" (+3,5 Prozent) zu. Die "Flexibilität der Software" schließt mit zuletzt fast 48 Prozent der Projekte fast schon zum wichtigsten Aspekt, der "Funktionalen Eignung", auf (zuletzt bei zirka 65 Prozent der Projekte ausschlaggebend). Eine abnehmende Bedeutung läßt sich beim Punkt "Preis-/Leistungsverhältnis" (-7,9 Prozent) beobachten.

In Abhängigkeit der Unternehmensgröße unterscheiden sich die Anforderungsschwerpunkte allerdings zum Teil recht deutlich: Größere Unternehmen legen überdurchschnittlich viel Wert auf die "Funktionaliät", "Moderne Technologie", "Technologieplattform der ERP-Lösung passt zu den Vorgaben der IT-Strategie" und "Internationale Ausrichtung der Software". Darüber hinaus sind größeren Unternehmen die "Wirtschaftliche Perspektive des Anbieters" und eine "große Verbreitung der ERP-Software" besonders wichtig. Kurz: Größere Unternehmen legen sehr großen Wert auf alle Aspekte, die "Investitionssicherheit" und einen effizienten IT-Betrieb betreffen.

Kleinere Unternehmen legen dagegen überdurchschnittlich viel Wert auf die "Mittelstandseignung" und die "Bedienerfreundlichkeit" der Software. Darüber hinaus spielen die regionale Nähe sowie das Auftreten des Anbieters eine überdurchschnittlich große Rolle. Kurz: Bei kleineren Unternehmen stehen der unmittelbare Nutzen und die Praktikabilität der ERP-Software deutlich stärker im Vordergrund.

Ausschlaggebende Gründe für die Auswahl der eingesetzten ERP-Lösung
Ausschlaggebende Gründe für die Auswahl der eingesetzten ERP-Lösung
Foto: trovarit

Trends im ERP-Umfeld aus Anwendersicht

An der Spitze rangieren Themen wie "Steigende Usability" ("sehr beziehungsweise äußerst relevant" für ca. 60 Prozent der Teilnehmer), "Mobiler ERP-Einsatz" (zirka 33 Prozent) sowie eine "Rollen- & Kontextbasierte Benutzerführung" (zirka 27 Prozent). Diese Aspekte sind unmittelbar mit der Nutzung der ERP-Software als Werkzeug für den Arbeitsalltag verbunden. Hier schlägt sich sicherlich nieder, dass es mit der Bedienerfreundlichkeit der ERP-Software in der Vergangenheit nicht so weit her war. Zahlreiche Entwicklungsinitiativen auf der Anbieterseite lassen hier deutliche Fortschritte erwarten.

Technologisch weiter gediehen ist bereits der mobile Einsatz von ERP-Software - jedenfalls, wenn man darunter die Nutzung über das Internet per Laptop oder auch per Tablet-Computer versteht. Der Einsatz über das Smartphone setzt angesichts des deutlich reduzierten Platzangebotes auf dem Display eine völlig neue Oberflächengestaltung voraus, an der eine Reihe von ERP-Anbietern fieberhaft arbeitet. Problematischer ist es derzeit noch um die "Offline-Fähigkeit" der ERP-Anwendungen bestellt, die angesichts der Lücken in den Mobilfunknetzen durchaus eine Notwendigkeit darstellt.

Auf den Plätzen des Themen-Ranking folgen "Internationalisierung" (zirka 20 Prozent), "Enterprise Application Integration beziehungsweise Schnittstellenmanagement" (zirka 19 Prozent) und ein umfassendes "Enterprise Information Management" (zirka 15 Prozent). Daraus lässt sich durchaus ein spürbarer Trend zu mehr Durchgängigkeit in der Informationsversorgung ableiten - sei es über Unternehmensebenen, Aufgabenbereiche oder auch Standorte und Regionen hinweg. Ziel ist es offenbar, die Ressource "Information" zukünftig deutlich umfassender und auch gezielter zu bewirtschaften.

Einige der Themen, die in den einschlägigen Fachmedien und -kreisen sehr hoch gehandelt werden, offenbaren dagegen noch deutlichen Klärungsbedarf: So messen nur 5,7 Prozent der Befragten dem "Cloud Computing" eine große Relevanz zu, wenn es um ERP geht. Bei "Social Media" sind es sogar nur 5,2 Prozent und "Industrie 4.0" landet mit mageren 4,1 Prozent am Ende der Liste der Treiber für Veränderungen des ERP-Einsatzes. Dabei sind diese Einschätzungen unterschiedlich einzuordnen: Während 93 Prozent der Befragungsteilnehmer "Cloud Computing" nach eigener Einschätzung zumindest grundsätzlich einordnen können, wissen fast 40 Prozent der Befragten mit "Industrie 4.0" (noch) nichts anzufangen. Letzteres gilt in ähnlichem Maße für Themen wie "Big Data" oder "Bring Your Own Device/BYOD".

Die "Cloud" ist im (deutschsprachigen) ERP-Markt also noch nicht angekommen:

  • Es gibt nach wie vor große Verständnisprobleme. Immerhin noch zirka 32 Prozent der Anwender sehen sich nach eigener Einschätzung nicht in der Lage zu beurteilen, ob beziehungsweise welches Cloud-Konzept genutzt wird. Dies gilt mit rund 38 Prozent der Teilnehmer überdurchschnittlich stark für kleinere Unternehmen. Aber selbst Anwender, die definitiv eine Cloud-Lösung nutzen und sich dessen auch bewusst sind, tun sich schwer mit der Einordnung des Betriebskonzeptes nach Public und Private Cloud. So wähnt sich ein Großteil der Anwender von "SAP Business by Design" in der Private Cloud, was eigentlich im Widerspruch zur Betriebscharakteristik der Software steht.

  • Das Betriebskonzept spielte nur bei ca. 2,3 Prozent der ERP-Entscheidungen in der jüngeren Vergangenheit eine ausschlaggebende Rolle.

  • Von den Teilnehmern, die sich eine Aussage zur Betriebsform zutrauen, nutzen nach eigener Einschätzung 81 Prozent "keine Cloud" und 16,8 Prozent eine "Private Cloud".

  • Das anspruchsvollere Konzept der Public Cloud wird nur von knapp einem Prozent der Teilnehmer genutzt.

Bei "Mobile ERP" dominiert derzeit noch das Notebook (67 Prozent der Installationen). Tablets (22 Prozent) und Smartphones (16 Prozent) sind allerdings im Kommen. Einen rein stationären Zugriff auf die ERP-Lösung geben noch 25 Prozent der Anwender zu Protokoll (bei kleineren Unternehmen fast 31 Prozent).

Bei den Bezahlformen für die Nutzung der Software dominiert weiterhin der "Lizenzkauf" (zirka 94 Prozent). Der Anteil von "Miete" (vier Prozent) und "Performance Payment/Pay-per-Use" (ein Prozent) ist (noch) verschwindend gering.

Relevanz von Themen und Trends im ERP-Umfeld (Anteil mit "Sehr Hoher bzw. herausragender Relevanz")
Relevanz von Themen und Trends im ERP-Umfeld (Anteil mit "Sehr Hoher bzw. herausragender Relevanz")
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