Dabei behielten die Fachbereiche die Hoheit über ihren Prozess, betonen die Verantwortlichen des Versicherers: Die verantwortliche Führungskraft als Prozess Owner stelle Fachexperten für die Entwicklung. Diese beschreiben - unterstützt von den Prozessanalysten des RCC - jeden einzelnen Arbeitsschritt, inklusive Sonder- und Testfällen. Der Prozess Owner vertritt das Vorhaben dann im Betriebsrat, erteilt die Produktionsfreigabe und bekommt mit dem Bot einen zusätzlichen, virtuellen Mitarbeiter.
Um das Thema Robotics weiterzuentwickeln, arbeitet das RCC eng mit dem Bereich Advanced Data Analytics zusammen, der sich unter anderem mit künstlicher Intelligenz (KI) beschäftigt. Während herkömmliche Bots strukturierte, digitale Daten und schematische Abläufe benötigen, könne KI auch unstrukturierte Daten wie Texte, Sprache, Bilder und Videos erfassen. Damit könnten beispielsweise Vertragsnummern aus E-Mails ausgelesen oder die Schadenhöhe anhand eines Gutachtens abgeschätzt werden.
KPIs messen den Bot-Erfolg
Um den Erfolg der Bots zu messen, verwendet Ergo sowohl zentral einheitliche wie auch prozessspezifische KPIs. Quantitativ werde für jeden Bot die daraus resultierende zu erwartende Arbeitszeitersparnis sowie Dauer und Aufwand der Entwicklung erhoben. Im laufenden Betrieb werden die Fallzahlen gemessen, die jeder Bot bearbeitet - Stand Ende April 2020: 43 aktive Bots verarbeiten zusammen mehr als 30.000 Vorgänge pro Monat. Dafür müsste ein einzelner Mensch schon mehr als vier Jahre arbeiten, so die Bilanz des Versicherungskonzerns.
Für die Fachbereiche zählen darüber hinaus je nach Prozess ganz unterschiedliche Kriterien, wie beispielsweise eine schnellere Bearbeitung von Kundenanliegen beispielsweise oder gezieltere Auswahl von Prüffällen. Eine weitere Messgröße ist die Wirtschaftlichkeit bei der Verfolgung von Regressansprüchen gegen Unfallgegner der eigenen Kunden nach einer unfallbedingten Heilbehandlung.
Einen Kuchen für den Roboter
"Robotics ist zum Selbstläufer geworden", ziehen die Ergo-Verantwortlichen heute eine zufriedene Bilanz ihrer RPA-Initiative. Statt selbst nach Einsatzszenarien suchen zu müssen, wie am Anfang, fragten inzwischen die Fachbereiche aktiv nach Bots für ihre Prozesse. Außerdem habe ein Umdenken in den Fachabteilungen stattgefunden: Aus der Erfahrung, lästige und monotone Aufgaben einfach per Roboter-Automatisierung abgeben zu können, würden Prozessabläufe jetzt kritischer hinterfragt, hieß es.
In der Belegschaft habe sich ein neues Mindset entwickelt: Die anfängliche Skepsis - "der Bot nimmt mir meine Aufgaben weg" - sei ins Gegenteil umgeschlagen. Kollegen hätten dank vieler Aufklärungsmaßnahmen verstanden, was ein Bot kann - "aufwändige Tipparbeiten übernehmen" - aber auch, was er eben nicht kann - "komplexe Sachverhalte für den Kunden lösen". Dadurch entstehe eine hohe Akzeptanz, berichten die Ergo-Verantwortlichen. Der Bot wird zum Kollegen, der nicht selten einen richtigen Namen erhält und zu dessen Geburtstag sogar Kuchen gebacken wird.
- Mark Sturzenegger, Automation Anywhere
Heute kommt bei RPA der Einsatz im Front Office hinzu. Dadurch hat jeder Mitarbeiter einen eigenen digitalen Assistenten zur Verfügung, der häufig wiederkehrende Arbeiten auf Knopfdruck erledigt. - Ricardo Ullbrich, Blue Prism
Viele SAP-Systeme müssen in nächster Zeit auf S/4HANA umgestellt werden. Hier kann Automatisierung bis zu 35 Prozent des Zeitaufwandes einsparen. - Martin Berg, metafinanz
Bei RPA hindert häufig fehlendes Know-how eine erfolgreiche Umsetzung. Viele Unternehmen wollen zwar RPA einsetzen, wissen aber nicht, worin sich die einzelnen Tools in Funktionen, Umfang und Handhabung unterscheiden. - Oliver Ehrmann, Microfocus
Es wird bei RPA-Projekten häufig einfach ein Tool installiert, und schon ,macht‘ man RPA. So funktioniert das nicht. - Robert Kreher, Microfocus
RPA hat seine klassischen Einsatzfelder überall dort, wo Mitarbeiter routinemäßig Daten zwischen Anwendungen, Dokumenten und Datenträgern übertragen, oft in Verbindung mit Datentransformation und Plausibilitätsprüfungen. - Walter Obermeier, UiPath
In den kommenden Jahren wird man in der Lage sein, mit KI und neuronalen Netzen auf einer Trägerplattform viele Systeme miteinander zu vernetzen, die heute noch autark arbeiten. Auch Kunden und Lieferanten eines Unternehmens lassen sich dann in automatisierte Prozesse einbinden.