Enterprise-Service-Management (ESM) ermöglicht einen Gesamtblick auf die wichtigsten Service-Geschäftsprozesse eines Unternehmens. Vorbild ist hier der automatisierte und standardisierte Ablauf von IT-Services. Konsequent zu Ende geführt, wird damit künftig jedes Unternehmen zu einem Service-Unternehmen. Doch noch liegt ein längerer Weg vor den deutschen Firmen.
Das zeigen die Ergebnisse der aktuellen Studie zum Enterprise-Service-Management, die CIO und COMPUTERWOCHE gemeinsam mit den Partnern Efecte, FNT Software, Serviceware und USU Software realisiert haben. Dazu wurden 370 Entscheider aus der DACH-Region zu ihren Ansichten, Plänen und Projekten rund um ESM befragt. Ein erster Bericht zu den Ergebnissen der Studie befasste sich mit dem Status quo in deutschen Unternehmen. In diesem zweiten Teil stehen die Chancen, eingesetzten Technologien und die Vorgehensweise beim Aufbau des ESM im Mittelpunkt.
- Peter Schneider, VP Products bei Efecte
„Auch wenn die IT-Abteilung als treibende Kraft einer Enterprise-Service-Management-Initiative agiert, sollten entsprechende Projekte nicht als IT-Projekte verstanden und geführt werden. Es handelt sich in erster Linie um die Digitalisierung von Non-IT-Prozessen mit vorrangig Non-IT Stakeholdern. In alle Planungsaktivitäten sollten daher auch die Fachabteilungen einbezogen werden. Sie sind die eigentlichen Nutzer, können ihre Anforderungen sehr klar definieren und IT-Verantwortliche bei der Evaluation entsprechender Lösungen unterstützen.“ - Ingo Bollhöfer, Head of Product Management & Marketing bei Serviceware
„Der größte Vorteil von Enterprise-Service-Management liegt in der Standardisierung und Automatisierung sämtlicher unternehmensweiter Serviceprozesse auf einer zentralen Plattform mit dem Ziel, Services fehlerfrei und effizient zu erbringen. Mit einem ESM-Tool profitieren Unternehmen von maximaler Servicequalität und steigern gleichzeitig ihre Serviceprofitabilität.“ - Martin Landis, Business Unit Manager Produktmarketing, USU GmbH
„Der große Vorteil für die Kunden der Serviceabteilungen (also prinzipiell alle Mitarbeiter eines Unternehmens) ist, dass sie alle Services ihres Unternehmens über ein einziges Serviceportal nutzen können. Durch die Verwendung von Service-Apps haben die Mitarbeiter im Büro ein ähnlich reibungsloses Serviceerlebnis, wie sie es von Amazon und Co. kennen und schätzen gelernt haben. Die höhere Servicequalität steigt die Produktivität im gesamten Unternehmen.“ - Patrick Büch, Head of Business Line Service Management, FNT Software
„Enterprise-Service-Management ist in erster Linie eine Denkweise und kein technisches Problem. In der Regel trifft Serviceorientierung in den Unternehmen auf ein bestehendes Projektdenken mit konträren Zielen. Lösungen werden oft nur für singuläre Fragestellungen und wenige Teile des Unternehmens gesucht. Es herrscht Silodenken statt Zusammenarbeit – Service-Management ist jedoch funktionsübergreifend. Aus diesem Grund sind in der Vergangenheit sehr häufig Versuche, Service Management nachhaltig zu implementieren, gescheitert.“
Die IT-Abteilung kann sich profilieren
In den meisten Firmen (58 Prozent) sind die CIOs, die IT-Leiter und die Leiter des IT-Betriebs für das Enterprise-Service-Management verantwortlich. In 16 Prozent der Firmen trägt der Geschäftsführer die Verantwortung, in einem Fünftel der großen Unternehmen ab 10.000 Mitarbeitern spielt hier auch der CDO (Chief Digital Officer) eine wichtige Rolle. Auffällig ist hier das positive Selbstbild bei den genannten Personen. 53 Prozent der CIOs (Schnitt 28 Prozent), 40 Prozent der IT-Leiter (Schnitt 24 Prozent) und sogar 65 Prozent der Geschäftsführer (Schnitt 16 Prozent) schreiben sich selbst die tragende ESM-Rolle zu.
Beim Entscheidungsprozess rund um ITSM- und ESM-Tools dominiert zwar ebenfalls die IT, die Geschäftsführer sind hier aber gleichwertig und geben vor allem in den kleineren und mittleren Firmen bis zu 1.000 Mitarbeitern den Ton an. Die bedeutende Rolle der IT beim Thema ESM liegt auf der Hand. Nur die IT-Abteilung hat die Erfahrung und das Know-How, wie sich softwarebasierte Systeme auch auf andere Bereiche übertragen lassen. Die IT-Organisation hat sich mit ITSM und den ITIL-Standards einen Wissensvorsprung erarbeitet, den die anderen Fachbereiche für ihre (neuen) digitalen Services nutzen können.
Firmen profitieren vom IT-Service-Management
Denn die große Mehrheit der Unternehmen sieht die positiven Effekte des IT-Service-Managements. "ITSM sorgt generell für eine bessere Service-Qualität in der IT" - dieser Aussage stimmen die meisten befragten Unternehmen zu. Auf einer Schulnoten-Skala von 1 bis 6 erreicht die QoS (Quality of Service) einen Mittelwert von 2,02. Nur knapp dahinter (2,04) folgt die höhere Zufriedenheit der Anwender als Folge von standardisierten Prozessen in der IT.
ITSM verbessert zudem nicht nur die Sicherheit, sondern erleichtert es den Unternehmen auch, Datenschutzregeln einzuhalten (jeweils 2,19). Ebenfalls noch mit "Gut" (2,28) bewerten die Firmen den Punkt "Unsere IT arbeitet durch ITSM wirtschaftlicher". Nicht ganz so zufrieden sind die Firmen mit dem Service-Katalog und der Beschreibung der IT-Services.
Patrick Büch, Head of Business Line Service Management bei FNT Software, rät den Firmen, das Leistungs-Portfolio der IT noch flexibler und vor allem proaktiver zu gestalten. "In vielen IT-Organisationen wird heute noch projektorientiert gearbeitet. Das heißt jede Leistung wird weitgehend individuell für den Kunden 'zusammengebaut'. Das dauert lange, ist aufwendig und wenig agil."
Die Produktionsprozesse von IT-Services müssen laut Patrick Büch wie in der industriellen Fertigung einen größtmöglichen Standardisierungsgrad erreichen. Dazu sei eine Standardisierung der IT-Services selbst erforderlich. "Diese Chance bietet Enterprise-Service-Management. Es um mehr Flexibilität im Leistungsangebot, um eine kürzere Time-to-Market und vor allem um eine bedingungslose Kundenorientierung. Eine zentrale Bedeutung nimmt hierbei die IT-Automatisierung ein. Ein hoher Automatisierungsgrad schafft durch höhere Effizienz Freiräume und gleichzeitig die Voraussetzung für neue Geschäftsmodelle."
Mehrwert für das gesamte Unternehmen
Eines aber ist klar: Der Servicegedanke hat sich in Unternehmen bisher vor allem im Bereich der IT etabliert. "Das volle Potenzial von Enterprise-Service-Management entfaltet sich jedoch erst, wenn auch die Fachabteilungen beginnen, ihre Services zu professionalisieren, das heißt wenn sich die Service-Orientierung mehr und mehr im gesamten Unternehmen durchsetzt", erklärt Ingo Bollhöfer, Head of Product Management & Marketing bei Serviceware.
"In der Regel werden Unternehmen mit einem ESM-System schon nach kurzer Zeit leistungsfähiger und effizienter. Ergebnis sind eine höhere Transparenz, weniger Fehler und sinkende Kosten. So wird Service heute immer mehr zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor, mit dem Unternehmen profitabel wirtschaften und ihr gesamtes Business ankurbeln können".
Die meisten Unternehmen haben das Enterprise-Service-Management bislang auf die Bereiche IT-Sicherheit und Kundendienst/Customer Service ausgedehnt. 46 Prozent der Firmen setzen bereits standardisierte und automatisierte Prozesse ein, um ihre IT-Sicherheit zu verbessern. Weitere wichtige aktuelle ESM-Bereiche sind Kundendienst / Customer Service (32 Prozent), technische Services (29 Prozent), Verwaltung / Organisation / Facility Management (27 Prozent) und HR / Personal mit 26 Prozent.
Im Idealfall lassen sich dann alle Services des Unternehmens über ein einziges Portal nutzen. "Das zentrale Self-Service-Portal wird damit zur Drehscheibe des Enterprise-Service-Managements und von einem gemeinsamen Service Desk unterstützt. Mitarbeiter können sich darüber mit allen Belangen an eine zentrale Stelle wenden - angefangen vom Onboarding eines neuen Mitarbeiters über einen defekten Laptop bis hin zur Buchung eines Dienstfahrzeuges. Benötigen sie darüber hinaus Hilfe durch einen Service Desk Mitarbeiter, können sie eine zentrale Hotline-Nummer wählen", erklärt Peter Schneider, VP Products bei Efecte.
Martin Landis, Business Unit Manager Produktmarketing bei der USU GmbH, ergänzt: "Durch die Verwendung von Service-Apps haben die Mitarbeiter im Büro ein ähnlich reibungsloses Serviceerlebnis, wie sie es von Amazon und Co. kennen und schätzen gelernt haben. Die höhere Servicequalität steigt die Produktivität im gesamten Unternehmen." Allerdings sei es nicht immer einfach, die bisher noch unterentwickelten Servicebereiche von der Idee der Digitalisierung ihrer Serviceprozesse zu begeistern. "Das gilt vor allem für den Bereich HR, da die Kollegen der Personalabteilung 'mit Menschen arbeiten und nicht mit Maschinen'", so Landis weiter.
Standards und Best Practices führen zum ESM
Beim Einstieg in die ESM-Welt setzen die befragten Unternehmen auf Normen, Standards und Frameworks wie die ISO 9000/9001, ITIL und Service Design Thinking. Die ISO 9000/9001 ist die relevanteste Norm beim Service-Management in Unternehmen. Fast die Hälfte (48 Prozent) der befragten Firmen setzt auf diesen Standard, der die Grundlagen für Qualitätsmanagement (QM) setzt und den Aufbau eines QM-Systems festlegt. 39 Prozent der Firmen orientieren sich an der IT Infrastructure Library (ITIL). ITIL stellt Best Practices zur Prozessoptimierung in Unternehmen bereit. Ziel von ITIL ist die Konzentration des IT Service auf die bestmögliche Unterstützung der Geschäftsprozesse.
Beim Service-Design beziehungsweise der Beschreibung und Definition von Services nutzen die Firmen als Methodik vor allem Service Design Thinking (24 Prozent), ITIL (18 Prozent), bluEDGE (17 Prozent) und IT4IT. In 26 Prozent der Unternehmen gibt es keine einheitliche Methode für die Beschreibung und Definition von Services. Dafür existiert in immerhin zwei Drittel der Unternehmen ein zentraler Service-Katalog, teilweise unternehmensweit (19 Prozent), teilweise für einige oder einzelne Bereiche wie IT, Kundenservice, HR oder Facility (34 bzw. 15 Prozent).
Tools optimieren (IT-)Prozesse
Hauptziel bei der Einführung der ITSM- und ESM-Lösungen sind optimierte IT-Prozesse (59 Prozent). Dabei steht mehr die Kostenreduktion im Vordergrund, weniger die höhere Qualität der Services. 42 Prozent der Firmen wollen damit die Zufriedenheit von Kunden oder Endanwendern erhöhen, 38 Prozent die IT-Automatisierung fördern. Eine größere Rolle spielen zudem die Optimierung der Service-Prozesse außerhalb der IT (27 Prozent) und eine höhere Zufriedenheit der Mitarbeiter (24 Prozent). 22 Prozent der Befragten wollen mit Hilfe von ESM- und ITSM-Lösungen die Voraussetzung für die digitale Transformation im Unternehmen schaffen.
Fünf Prozent der Firmen haben weder ein ITSM- noch ein ESM-Tool. Das gilt vor allem für die kleineren Firmen mit bis zu 1.000 Mitarbeitern (11 Prozent), einem IT-Etat von weniger als einer Million Euro (16 Prozent) und einer IT-Abteilung mit weniger als zehn Personen (19 Prozent). "Es ist eine Herausforderung, ein geeignetes ESM-Tool zu beschaffen, das alle nötigen Funktionen mitbringt, um beliebige Serviceprozesse zu modellieren", sagt Martin Landis von USU.
Bei den gewünschten Funktionen und Merkmalen eines geeigneten ITSM-/ESM-Tools steht aktuell das Thema Hohe Integrationsfähigkeit ganz oben (28 Prozent). Weitere wichtige Kriterien bei der Auswahl sind Cloud Brokering / Hybrid Cloud Management (27 Prozent) und die Unterstützung vieler ITIL-Prozesse (25 Prozent). Die Lösung soll zudem unternehmensweit in allen Abteilungen einsetzbar sein. Prozesse flexibel modellieren, Service-Automatisierung und eine leistungsfähige CMDB (Configuration Management Database) bieten. Auch Social-Media-Schnittstellen zu Facebook & Co., Predictive Analytics / Big Data Analytics, Financial Management und Service Design spielen eine Rolle bei der Auswahl eines ITSM/ESM-Tools.
Bekanntester Hersteller ist mit großem Abstand IBM (58 Prozent) vor BMC (24 Prozent) und ServiceNow (21 Prozent). Auf den Plätzen folgen Anbieter wie Realtech, Matrix42, Cherwell Software, Atlassian oder Micro Focus.
Genau die Hälfte der Unternehmen nutzt derzeit für das IT- oder Enterprise-Service-Management eine Software-as-a-Service-Lösung aus der Cloud. 37 Prozent setzen auf eine lokal installierte Software (On-Premise), in 22 Prozent der Firmen gibt es hybride Lösungen.
Studiensteckbrief
Herausgeber: COMPUTERWOCHE, CIO, TecChannel und ChannelPartner
Studienpartner: FNT GmbH, Serviceware SE (Gold-Partner), Efecte Germany GmbH, USU Software AG (Silber-Partner)
Grundgesamtheit: Oberste (IT-) Verantwortliche von Unternehmen in der D-A-CH-Region: strategische (IT-)Entscheider im C-Level-Bereich und den Fachbereichen (LoBs), IT-Entscheider & IT-Spezialisten aus dem IT-Bereich
Teilnehmergenerierung: Stichprobenziehung in der IT-Entscheider-Datenbank von IDG Business Media. Persönliche E-Mail-Einladungen zur Umfrage.
Gesamtstichprobe: 378 abgeschlossene und qualifizierte Interviews
Untersuchungszeitraum: 22. Oktober bis 30. Oktober 2018
Methode: Online-Umfrage (CAWI)
Fragebogenentwicklung: IDG Research Services in Abstimmung mit den Studienpartnern
Durchführung: IDG Research Services