Lauterbach macht Druck

Elektronische Patientenakte soll für alle verbindlich werden

06.03.2023
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Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Ab Ende 2024 sollen alle Versicherten die elektronische Patientenakte (ePA) bekommen. Wer damit nicht einverstanden ist, muss aktiv widersprechen.
Dicke Patientenakten, die auf Papier in irgendwelchen Aktenschränken liegen - das soll mit einer verbindlichen elektronischen Patientenakte ePA endlich der Vergangenheit angehören.
Dicke Patientenakten, die auf Papier in irgendwelchen Aktenschränken liegen - das soll mit einer verbindlichen elektronischen Patientenakte ePA endlich der Vergangenheit angehören.
Foto: Dominique James - shutterstock.com

Seit Jahrzehnten doktert die Politik an der elektronischen Patientenakte (ePA) herum, ohne dass nennenswerte Fortschritte erreicht wurden. Zwar können seit dem 1. Januar 2021 alle gesetzlich Versicherten theoretisch eine ePA erhalten und nutzen. Doch weniger als ein Prozent der rund 74 Millionen Menschen in Deutschland mit einer Chipkarte der gesetzlichen Krankenkassen tun das. Ob und wie die digitale Akte genutzt wird, ist freiwillig. Die Versicherten müssen sich per Opt-in aktiv dafür entscheiden und die entsprechenden Funktionen freischalten lassen.

Das soll sich ab Ende 2024 ändern. Angesichts der geringen Nutzerzahlen will Gesundheitsminister Karl Lauterbach die Verwendung der ePA vorschreiben. "Jeder, der nicht ausdrücklich widerspricht, ist automatisch dabei", sagte der Minister der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS). Mit dem Opt-Out-Prinzip will Lauterbach die Nutzung flächendeckend durchsetzen. "Auch bei den Patienten, die sich selbst nicht mit der Einrichtung der elektronischen Akte beschäftigen möchten, steht sie zur Verfügung", erklärte der SPD-Mann. "Sie kann und soll von den Ärzten zum Austausch von Informationen genutzt werden."

Herr über die Daten

Es gehe um das Wohl des Patienten, wirbt Lauterbach für die Nutzung. "Mit der elektronischen Patientenakte wird er endlich Herr seiner Daten - er bekommt eine geordnete Übersicht über Arztbriefe, Befunde, Medikamente." Darüber hinaus helfe die Akte auch bei Behandlungen. Ärzte könnten schneller erkennen, welche Medikamente sich zusätzlich verordnen ließen und ob es zu Wechselwirkungen kommen könne. Außerdem ließen sich Doppeluntersuchungen vermeiden, weil über die digitale Akte ersichtlich sei, ob ein anderer Arzt schon vorher die gleiche Untersuchung vorgenommen habe.

Digitalisierung im Gesundheitswesen wird zum Albtraum

Mit seinem Machtwort will Lauterbach endlich Schwung in die seit vielen Jahren lahmende Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens bringen. Schon vor 20 Jahren, als Lauterbachs Parteikollegin Ulla Schmidt das Gesundheitsressort unter der damaligen rot-grünen Regierung verantwortete, war die Rede davon, Gesundheitsinformationen und Befunde zu digitalisieren. Geschehen ist seitdem wenig.

Lauterbach: "Es muss was passieren"

"Jetzt muss einfach etwas passieren", machte Lauterbach klar. Digitalisierung sei kein Selbstzweck, sondern wichtiger Bestandteil moderner Medizin. "Als Minister muss ich dafür sorgen, dass unser Gesundheitssystem endlich im 21. Jahrhundert ankommt." Das deutsche Problem mit der Digitalisierung sei, viele Dinge unnötig zu verkomplizieren. "Das will ich vermeiden", kündigt der Minister an und verspricht, pragmatisch an die Aufgabe heranzugehen.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will das deutsche Gesundheitssystem ins 21. Jahrhundert katapultieren. Dafür reichen ihm vorerst einfache PDFs und Word-Dokumente auf der elektronischen Patientenakte.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will das deutsche Gesundheitssystem ins 21. Jahrhundert katapultieren. Dafür reichen ihm vorerst einfache PDFs und Word-Dokumente auf der elektronischen Patientenakte.
Foto: Juergen Nowak - shutterstock.com

Lauterbach nimmt für seinen Vorstoß auch Kompromisse in Kauf. "Wir warten nicht, bis es für alle Befunde eine standardisierte Datenstruktur gibt", so der SPD-Mann. Für den Anfang werde es möglich sein, einfach PDF- oder Word-Dateien einzuspeisen. "Bereits das ist schon ein riesiger Fortschritt", konstatierte der Gesundheitsminister.