Social Profiling im Supermarkt

Einkaufen wie im Minority Report

14.08.2024
Von 


Manfred Bremmer beschäftigt sich mit (fast) allem, was in die Bereiche Mobile Computing und Communications hineinfällt. Bevorzugt nimmt er dabei mobile Lösungen, Betriebssysteme, Apps und Endgeräte unter die Lupe und überprüft sie auf ihre Business-Tauglichkeit. Bremmer interessiert sich für Gadgets aller Art und testet diese auch.
Die US-Supermarktkette Kroger handelt sich mit der KI-gestützten Nutzung von digitalen Preisschildern Ärger bei Kunden und Politikern ein.
Electronic Shelf Labels (ESLs) ermöglichen es Einzelhändlern, Preise ihrer Produkte automatisch zu aktualisieren. Die Technik lässt sich aber auch missbrauchen.
Electronic Shelf Labels (ESLs) ermöglichen es Einzelhändlern, Preise ihrer Produkte automatisch zu aktualisieren. Die Technik lässt sich aber auch missbrauchen.
Foto: Zapp2Photo - shutterstock.com

Welche Möglichkeiten sich durch die Kombination von dynamischer Preisanpassung, digitalen Preisschildern und künstlicher Intelligenz ergeben, erkundet derzeit die mit knapp 3.000 Filialen größte US-amerikanische Supermarktkette Kroger - und ruft damit die US-Regierung auf den Plan. Das Vorgehen zeige, wie "die Gier der Unternehmen außer Kontrolle geraten ist", prangert Senatorin Elizabeth Warren in einer Erklärung an.

In dieser hatte sie am 7. August gemeinsam mit dem Senator Bob Casey "Bedenken" über Krogers Einsatz von elektronischen Regaletiketten (ESLs) geäußert. Den Senatoren zufolge wurden die 2018 eingeführten ESLs von Kroger in Zusammenarbeit mit Microsoft entwickelt, um Produktinformationen und Preise in Echtzeit darzustellen. Der Haken dabei laut den beiden US-Senatoren: "Durch die Aktualisierung von Preisschildern mit einem einfachen Mausklick können Unternehmen die Preise in die Höhe treiben und die Kosten für die Verbraucher zu Zeiten, in denen die Nachfrage nach bestimmten Produkten am größten ist, plötzlich erhöhen."

KI-Preisschildchen wechsel dich

Damit nicht genug, startete Kroger im Februar 2024 eine Zusammenarbeit mit IntelligenceNode, einem Unternehmen, das "KI und maschinelles Lernen nutzt, um dynamische Preisgestaltungs- und Marktanalyselösungen" auf seinem Drittanbietermarktplatz anzubieten. Durch die Kooperation mit IntelligenceNode und Microsoft sei Kroger in der Lage, seine Preise nicht nur an die Tageszeit oder andere Umgebungsfaktoren anzupassen, wie die Senatoren warnen.

Die als "Enhanced Display for Grocery Environment" (EDGE) bekannte Technologie versetze Kroger auch in die Lage, "Daten über Kunden zu sammeln, um festzustellen, wie viel Preisanstieg sie tolerieren können" und ihnen auf dieser Grundlage personalisierte Preise und Informationen zu präsentieren. Doch nicht nur dadurch erinnert das Szenario stark an die personifizierte Werbung in Steven Spielbergs "Minority Report" aus dem Jahr 2002.

Dem Schreiben zufolge plant Kroger außerdem, im Rahmen seiner 2019 angekündigten Partnerschaft mit Microsoft Kameras an seinen digitalen Displays anzubringen, die mithilfe von Gesichtserkennung das Geschlecht und das Alter eines mit der Kamera erfassten Kunden bestimmen und ihm auf dem EDGE-Shelf personalisierte Angebote und Werbung präsentieren. Hat sich die Person nicht bereits über die Self-Checkout-App "Shop, Bag, Go" angemeldet, werden laut Microsoft auf dem Display Anzeigen oder Gutscheine lediglich auf Grundlage von Alter und Geschlecht angezeigt.

Hat der Kunde jedoch sein Einverständnis gegeben, können die Anzeigen individueller angepasst werden. Verfügen Kunden nicht über die Kroger-App, können sie einen speziellen Handscanner verwenden, der die individuellen Preise erfasst und abrechnet.

Social Profiling im Supermarkt

"EDGE wird es Kroger ermöglichen, anhand von Kundendaten personalisierte Profile von jedem Kunden zu erstellen und digitale Preisschilder an dessen maximale Zahlungsbereitschaft anzupassen. Eine Fähigkeit zur Gewinnmaximierung des Unternehmens, die mit einem klassischen Papierpreisschild unmöglich wäre", konstatieren Warren und Casey.

Die beiden Senatoren haben eine Liste mit elf spezifischen Fragen zum EDGE-System an Kroger-CEO Rodney McMullen geschickt, die der Manager bis zum 20. August beantworten soll. Medienberichten zufolge hält sich die Supermarktkette bedeckt: "Jeder Test von elektronischen Regaletiketten bedeutet, dass die Preise für die Kunden dort gesenkt werden, wo es am wichtigsten ist. Das Gegenteil zu behaupten, ist nicht wahr", erklärte ein Sprecher von Kroger gegenüber Medien.