Chefsache Digitalisierung

Einfach, schnell, flexibel - Was Fabrik-IT im IoT-Zeitalter leisten muss

27.05.2019
Von 


Franz E. Gruber, Jahrgang 1963, ist Gründer und Chef des Smart-Factory-Spezialisten FORCAM in Ravensburg. Der studierte Wirtschaftsingenieur war in den 1990er Jahren die rechte Hand von Dietmar Hopp bei SAP, bevor er im Jahr 2001 mit FORCAM als Pionier für Fabriksoftware startete, lange vor dem Begriff "Industrie 4.0".

1. Konnektivität: Maschinen sowie ERP-Ebene lassen sich einfach vernetzen

Für Fertigungsleiter am wichtigsten: Wie binde ich meinen Park aus unterschiedlichsten Maschinen digital an? In den meisten Fabriken sind Anlagen aus unterschiedlichen Jahrgängen und von unterschiedlichen Herstellern die Regel. Dafür müssen IIoT-Plattform-Lieferanten einfache Lösungen bieten können. So darf der Anschluss von zum Beispiel drei Pilot-Maschinen durch Plug-ins nicht viel länger als drei Tage dauern - inklusive Vernetzung mit der Planungsebene (ERP) via Adapter.

Im nächsten Schritt geht es darum, Big Data aus den Maschinen in Echtzeit in nutzbare Informationen (Smart Data) zu verwandeln. Dazu sind hochleistungsfähige, Cloud-basierte Rechnerlösungen zur Datenmodellierung und Validierung notwendig (Semantic layer): Sie müssen digitale Zwillinge am Computer erzeugen, damit Betriebszustände virtuell analysiert und real optimiert werden können. Diese Vernetzungs- und Validierungskompetenz ist sowohl horizontal für den Shop Floor notwendig, aber auch vertikal hin auf die Planungsebene - dem Top Floor (ERP - Enterprise Ressource Planning).

Für IT-Leiter wichtig ist die Antwort auf die Frage der Vernetzung aller Anlagen: Welcher Standard ist der beste, damit die Maschinen untereinander sowie mit anderen Systemen oder Computern einfach kommunizieren können? Die Experten sprechen von semantischer Interoperabilität.

Antwort: Die Schaltzentrale für die Maschinenkommunikation (IoT Hub) sollte möglichst viele offene Kommunikationsstandards bieten können. Konkret: Sowohl der in Deutschland promovierte Standard OPC UA (für Open Platform Communications United Architecture) als auch der internationale De-facto-Standard MQTT (für Message Queue Telemetry Transport) sollte im IoT-Hub vorhanden sein.

2. Produktivität: Vorinstallierte Anwendungen ermöglichen schnelles Profitieren

Es gibt eine Handvoll Anwendungen, die für Fertigungsleiter wesentlich sind. Ein Muss in allen Branchen ist heute die lückenlose Rückverfolgung (Track&Trace) aller Prozesse. Daneben sind wichtige MES-Anwendungen auf einer IIoT-Plattform: Leistungsanalysen zur Gesamtanlageneffektivität OEE, Visualisierungen und Alarmierungen, Feinplanung und Steuerung von Aufträgen und Personalkapazitäten, Energiedaten-Management, Produktionsdaten-Management (Dokumente), Werkzeugdaten-Management (TDM - Tool Data Management), Qualitätssicherung (CAQ - Computer-Aided Quality-assurance).

Im besten Falle sind diese wichtigen Apps auf der IIoT-Plattform vorinstalliert. Dann ist die Lösung vergleichbar mit einem Fertighaus: Unternehmen können mit nutzerfreundlichen Charts und Grafiken schlüsselfertig starten, ihre Produktivität zu steigern. Mindestens zehn Prozent höhere Produktivität sollten in den ersten drei Pilot-Monaten drin sein - gemessen an der Gesamtanlageneffektivität OEE (Overall Equipment Effectiveness).

3. Flexibilität: Smart sein heißt offen sein für Drittlösungen

Die Kunden wollen mehr Service, Wettbewerber bringen neue Produkte heraus, Produktzyklen verkürzen sich, neue Anwendungen kommen auf den Markt - die Digitalisierung im IIoT erfordert ein Höchstmaß an Schnelligkeit und Flexibilität. Nur wer flexibel bleibt, gewinnt größte Planungssicherheit.

Für die Produktionslandschaft und ihre IT-Architektur bedeutet das konkret: Eine IT-Plattform muss heute cloudfähig sein und offene Schnittstellen bieten (OPEN API - offene Anwendungs-Programmier-Schnittstelle). Die Cloudfähigkeit ermöglicht Echtzeit-Monitoring größter Datenmengen, auch über Ländergrenzen und Zeitzonen hinweg.

Offene Schnittstellen bringen Unternehmen zudem die große Freiheit: Programmierer können mit ihnen auf Wunsch sowohl bestehende IT-Systeme als auch Drittsysteme wie Anwendungen für Werkzeugdatenmanagement, Qualitätssicherung oder Vorhersagende Wartung (Predictive Maintenance) nahtlos integrieren. Unternehmen werden mit integrierten offenen Schnittstellen wieder zu unabhängigen Bauherren ihrer ganz individuellen IT-Architektur.

Digitale Transformation "fliegt" mit zwei Flügeln

Eine digitale Transformation "fliegt" nur mit zwei Flügeln: Sie hängt sowohl ab von einer technologischen Echtzeit-Lösung als auch von einem modernen Change-Prozess für die Belegschaft. Oberste Management-Aufgabe in der digitalen Transformation ist es daher, technologischen und kulturellen Wandel zu synchronisieren.

Digitale Transformation besteht aus einem technischen und einem kulturellen Teil.
Digitale Transformation besteht aus einem technischen und einem kulturellen Teil.
Foto: Suwin - shutterstock.com

Für den technologischen Teil der Transformation gilt: Fertigungs- und IT-Leiter sollten sich für eine anwenderfreundliche, performante und flexible IT-Plattform entscheiden - die Dreifaltigkeit eines datengestützten Shop Floor Managements.

Für den kulturellen Teil gilt: Das gesamte Unternehmen profitiert, wenn jeder einzelne seine Aufgaben bestmöglich erfüllen kann. Es gilt, allen klarzumachen, dass es beim Arbeiten mit digital erfassten Kennzahlen nicht um eine bessere Kontrolle von Menschen, sondern um eine bessere Überwachung von Maschinen und damit um Effizienzsteigerungen insgesamt geht. Dafür bietet die digital gesteuerte Smart Factory jedem die Möglichkeit, deutlich bequemer und eigenverantwortlicher zu arbeiten.

Für Unternehmenslenker und Arbeitnehmer-Vertreter gilt: Wer die Zukunft des Unternehmens sichern will, kann sich einer Digitalisierung auch im Shop Floor nicht mehr entziehen. (mb)