Beim Blick auf die aktuelle Situation wird deutlich: Die Nachfrage nach Cloud-nativen Lösungen für Enterprise Resource Planing (ERP) steigt - und das nicht nur, um damit auch von zu Hause aus auf die ERP-Systeme zugreifen zu können. Vielmehr ist auch das klassische Marketinggeschäft durch COVID-19 schwieriger geworden. Vor diesem Hintergrund nimmt das Interesse an Themen rund um Shop-Systeme, kontaktloses Einkaufen oder Infoterminals zu, um so das Online-Marketing anzukurbeln.
Aber ob es nun an den veränderten Bedingungen am Markt oder am Homeoffice liegt - den meisten Unternehmen ist klar geworden, dass sie früher oder später den Schritt in Richtung Digitalisierung gehen und auf eine Cloud-Alternative setzen müssen. Aber was bedeutet das für das klassisch gehostete ERP konkret? Geht es nur darum, die Daten von dem durch Customizing kostenintensiven, schwer austauschbaren Monolithen auch mobil nutzbar zu machen, oder steckt mehr dahinter?
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ERP - Expense, Regret and Pain?
Dass man international nicht mehr von einem ERP-System, sondern von einer Business Management Solution (BMS) spricht, verrät bereits, dass mit Commerce-Strukturen, Office-Management-Systemen, Business Intelligence oder Marketingautomatisierung der Bezugsrahmen zu ERP-Systemen künftig größer werden wird. Das bedeutet aber nicht, dass ein ERP-System auch Prozesse wie diese bedienen soll und damit noch komplexer und angepasster wird.
Im Gegenteil: Ein ERP-System soll auch weiterhin ein ERP-System sein, aber durch Schnittstellen zu anderen Tools und die Cloud an Attraktivität gewinnen. Für die neue Positionierung weg von der klassischen Verwaltungsdaten-Aggregationsplattform hin zu einem System of Results sind die Unternehmen auch zusehends bereit, einzelne Module ihres ERP-Systems wieder auszulagern und auf eine für sie zugeschnittene Lösung zugunsten eines flexibel anpassbaren Standards in der Cloud zu verzichten.
Cloud ERP ist die evolutionäre Weiterentwicklung vom klassischen, traditionellen Hosting, aber es ist noch nicht unbedingt eine Software as a Service. Hosting in der Cloud ermöglicht im Vergleich dazu auch eine höhere Flexibilisierung: auf der einen Seite die inhaltliche Anreicherung durch zusätzliche Module und Funktionalitäten, auf der anderen Seite die Vorteile eines Shared Service, dessen Individualisierung und Anpassbarkeit nicht so stark limitiert ist wie bei einer klassischen SaaS-Lösung.
Der Mehrwert, der in der Integration unterschiedlicher ERP-Cloud-Lösungen liegt, kommt vor allem großen Unternehmen zugute, die nicht mal eben schnell eine digitale Transformation durchführen können. Sie haben dadurch die Möglichkeit, hybride Modelle laufen zu lassen, um kleineren Tochtergesellschaften oder flexiblen Business-Units mit dezentralen ERP-Cloud-Lösungen eine kürzere Timo-to-Market zu gewähren. Ebenso sind hybride Modelle ein Ansatz für Kunden, die nicht rein auf SaaS gehen und die Vorteile eines klassischen Hostings nutzen wollen. Und nicht zuletzt ist Cloud ERP für diejenigen eine Alternative, die bisher mit der zweitbesten Lösung versucht haben, alles mit einem ERP abzudecken.
- Ulrich Zahner, Allgeier IT Solutions
"Ich denke, dass ein Umdenken der Anwender Richtung Standardisierung stattfinden muss. Customizing ist für mich eine klare Stolperfalle für eine richtige Cloud. Und da sehe ich Probleme, dass man sich mehr auf einen gewissen Standardisierungsgrad einlassen muss. In Deutschland ist man noch in einer Exotenrolle, während andere Länder schon so weit sind, das Rad nicht immer neu erfinden zu müssen. Cloud mit ihren vielen Vorteilen in Verbindung mit einem hohen Customizing ist eben schwierig darzustellen." - Stefan Sörensen, Boomi by Dell
"Wenn ich versuche, die Vorteile von einem Cloud ERP zu nutzen, kann ich mich von Prozessen und Komplexität lösen, die mir keinen Mehrwert bringen. Die entsprechenden Daten identifizieren und werthaltige Komplexität neu aufbauen ist eine super Chance, allerdings auch die große Herausforderung. Das bedeutet nämlich, dass sowohl Legacy und On-Premise-Daten als auch die neuen Systeme miteinander verbunden sein müssen, damit eben auch Bestandteile von Altsystemen in meine Prozesse eingebunden werden können." - Matthias Weber, Cloud-Office.center
"Auch wir sehen Best-Practise-Prozessabläufe und den Wunsch der Kunden, den Standard so zu nutzen, ohne die programmierten Maiglöckchen zu bekommen. Die Leute wollen ohne viel Kosten schnell an die Lösung kommen diese auch schnell umzusetzen. Dafür sind sie sogar bereit, ihre internen Prozesse der Software zu unterwerfen, sofern sie für sie weiterhin sinnvoll sind. Hinzu kommt, dass auch andere Tools eingesetzt werden. Umso wichtiger ist es da, dass die Systeme innerhalb einer EAS-Architektur miteinander können und wollen." - Carsten Schröder, Lexware
"Wir erkennen schon jetzt einen starken Trend zu modularen, auf Best Practices basierenden offenen ERP-Plattformen. Deswegen sehe ich Cloud ERP grundsätzlich als Krisengewinner. Darüber hinaus bietet das Hosting in einer Public Cloud die Möglichkeit, mit zukünftigen Technologien wie IoT oder Machine Learning zu partizipieren. Auch wird Cloud-Technologie immer stärker ein Mittel sein, um Weichen für Wachstumsszenarien und technologische Innovationssprünge mit einzuplanen und so preiswert wie möglich zu machen." - Timo Bärenklau, myfactory
"Es wird in Zukunft noch vereinzelt lokale ERP-Installationen geben, aber irgendwann wird alles in der Cloud laufen. Man hat sich ja auch privat daran gewöhnt: Ob es nun Spotify ist oder ein anderes monatliches Mietmodell, das irgendwo gehostet und nicht mehr auf dem Endgerät gespeichert wird, das ist gesellschaftlich akzeptierter geworden. Dass dieses Nutzungsmodell von Vorteil ist, zeigt auch die aktuelle Krise, denn mit kurzen Laufzeiten und flexiblen Modellen kann man als Unternehmen besser darauf reagieren." - Steffen Eichstädt, reybex
"Wie die Unternehmen haben auch wir im globalen Wettbewerb keine Zeit und Ressourcen eine ERP-Einführung über mehrere Jahre zu begleiten. Daher sind schnelle Implementierungen gefragt. Die Kernprozesse der Unternehmen sollen dabei aber weiterhin effektiv und performant im ERP funktionieren. Dies kann mittels Customizing der Prozesse im ERP-System erfolgen, das zunehmend auch in der Cloud möglich wird. Ferner werden offene Schnittstellen, API und Anbindungen an externe Partner immer wichtiger." - Christian Zöhrlaut, Sage
"Wir haben unter anderem schon Bot-Systeme in unsere Lösungen integriert. Der User kann den entsprechenden Chat-Mechanismus beispielsweise fragen, wie viel Umsatz gemacht wurde. KI bietet dem Anwender die Möglichkeit, mit dem System zu interagieren, ohne es in der Tiefe kennen zu müssen. Ein komplexes ERP-System lässt sich so sehr einfach nutzen. Das wird auch eine der künftigen Anforderungen sein, sich nicht mehr mit einer komplexen Lösungs-Architektur beschäftigen zu müssen, wenn man von dem System eine schnelle Antwort benötigt." - Marcel Buchner, TechMahindra
"Wenn wir das ERP und die umliegenden Systeme als System of Record und System of Engagement unterteilen, werden wir ein ERP-System weiterhin als "Spinne im Netz" haben. Allerdings flexibel und nicht als Monolith, weil sie im Unternehmen eine Konsistenz der Daten und dessen zentrale Datenhaltung und Bereitstellung vorsehen müssen. Die Kunden können somit verschiedenen Um-Systeme, wie beispielsweise CRM oder auch Business Unit spezifische ERP-Systeme, die durchaus von verschiedenen Anbietern sein können, flexibel an ihr zentrales System of Record anbinden."
Mut zur Lücke
Von diesem Versuch müssen sich auch die ERP-Hersteller künftig verabschieden. Sie müssen ihre Grenzen kennenlernen und dürfen nicht mehr den Anspruch haben, alles selbst lösen zu können. Stattdessen werden sie in Zukunft eine offene Plattform anbieten müssen, um den Kunden die Anbindung von Fremdsystemen an ihr ERP-System zu gewährleisten, die genau auf ihre Anforderungen passen. Allerdings sollte die mit Partnern realisierte Lösung nach einem Guss aussehen und auch einfach zu bedienen sein - nicht nur, weil KMUs gerne noch alles aus einer Hand haben möchten und das Motto "Weniger ist mehr" der klare Trend bei den All-in-One-Systemen ist.
Einheitlich sollte es vor allem deshalb aussehen, weil ein ERP-System weiterhin die Spinne im Netz sein wird, die alle Fäden zusammenhält. Der Unterschied zu früher: Es wird Spielraum geben und kein Monolith sein, weshalb man als Unternehmen eine zentrale Datenhaltung vorsehen und die unterschiedlichen ERP-Systeme flexibel daran anbinden können muss.
Was den Umfang der Module in ERP-Systemen angeht, so wird Cloud ERP ganz klar den Trend angeben, wo die Reise hingeht. Die komplexe Systemlandschaft wie im On-Premise-Bereich wird man in der Cloud nicht mehr erreichen. Zum einen ist dies nicht mehr gewünscht, zum anderen entstehen durch das mobile Arbeiten bei den Nutzern ganz andere Erwartungshaltungen, wie sie ihre Daten einsehen und damit arbeiten können. Und vor allem: Man zieht ein ERP-System nicht 1:1 in die Cloud um, sondern man muss sich Gedanken machen, welche Daten man weiterhin nutzen möchte und welche nicht. Daten, die nicht relevant für das Alltagsgeschäft sind, aber archiviert werden müssen, sollten deshalb weiterhin im On-Prem-System liegen bleiben.
Zwar wird die Komplexität eines ERP-Systems dadurch sinken, die Anzahl der Funktionalitäten wird jedoch steigen. Themenfelder, die wir heute noch nicht im Kern mitdenken, werden Teil des ERP werden, aber schlanker geschnitten sein. Da die Grundvoraussetzung dafür sein wird, dass Applikations- und Datenlayer getrennt voneinander laufen, wird auch die Architektur eines ERP-Systems einen völlig neuen Stellenwert bekommen - nicht zuletzt deshalb, damit ein Hersteller oder Dienstleister in der Lage ist, einzelne Applikationen auszutauschen, ohne den Nukleus ERP beim Kunden herausnehmen zu müssen.
Studie "Cloud-ERP": Sie können sich noch beteiligen! |
Zum Thema Cloud-ERP führt die COMPUTERWOCHE derzeit eine Multi-Client-Studie unter IT-Entscheidern durch. Haben Sie Fragen zu dieser Studie oder wollen Sie Partner werden, helfen Ihnen Frau Regina Hermann (rhermann@idgbusiness.de, Telefon: 089 36086 384) und Frau Nicole Bruder (nbruder@idg.de, Telefon: 089 360 86 137) gerne weiter. Informationen zur Cybersecurity-Studie finden Sie auch hier zum Download (PDF). |
Unschlagbare Cloud-Vorteile
Warum künftige ERP-Lösungen weitgehend cloud-basiert sein müssen, führt die aktuelle Situation sehr deutlich vor Augen: Bei flexiblen Nutzungsmodellen mit kurzen Laufzeiten entfallen hohe Anfangsinvestitionen, man kann kurzfristig und von überall auf der Welt darauf zugreifen, muss nichts mehr auf dem Endgerät installieren, und das System ist immer auf dem aktuellen Stand.
Zwar lassen sich durch das verminderte Customizing weniger Teile des eigenen Prozesses hineinverlagern, dafür bietet die Cloud mit Verfügbarkeit und Skalierbarkeit einen entscheidenden Mehrwert, allen voran den Unternehmen, die in ihren global verteilten Niederlassungen jeweils ein eigenes ERP betreiben und diese am Ende zusammenbringen müssen. Manche sprechen deshalb nicht mehr vom ERP-System, sondern von einer EAS (Enterprise Applikation Software)-Architektur. Schließlich muss es nicht immer nur die eine Software sein - die Cloud macht es einfacher, ein Netz aus verschiedenen Produkten zu spannen, die dann mit bereits geklärter Datenhoheit ineinandergreifen.
Darüber hinaus bietet die Cloud die einfache Möglichkeit, künftige Technologien wie Internet of Things (IoT), Machine Learning (ML) oder Künstliche Intelligenz (KI) zu nutzen, also Technologien, die ebenso wie die gesamte Automatisierung im Betrieb einen großen Einfluss auf die Softwarearchitektur eines ERP-Systems haben werden. Es wird kein Weg daran vorbeiführen, dass Applikationen Künstliche Intelligenz nutzen wollen, weshalb Schnittstellen und Offenheit extrem wichtig sind, um andere Teilsysteme des Prozesses wie zum Beispiel RPA einzubinden. Jedoch muss man sich von der großen Macro-Revolution und dem Glauben verabschieden, dass man auf einmal wie von Zauberhand alles durch Bots regelt.
Auf den Fluß kommt es an
KI und ML werden langsam, aber immer stärker auf eine Art und Weise Einzug halten, die für den User auch nutzbar ist. Gerade für den deutschen Mittelstand ist das ein wichtiges Kriterium, der heute noch sehr auf Sicht fährt. Haben KI und ML für ihn den Stellenwert eines Investitionsguts, sträubt er sich dagegen. Im Endeffekt ist es ihm auch egal, ob es sich bei den Technologien um KI, ML oder RPA handelt, solange der ERP-Hersteller damit einen Mehrwert schaffen kann, der bezweckt, dass Prozesse schneller laufen und Informationen rascher fließen.
Und den Zweck muss man als Anwender auch bei der Migration in die Cloud betrachten. Ist das Ziel ein effizienterer Betrieb, erhofft man sich eine Kosteneffizienz, wünscht man sich mehr Agilität und flexiblere Softwarelandschaften oder ist es einfach der Zwang zu modernisieren? Ein Patentrezept für den Übergang zu Cloud ERP gibt es nicht. Bewährt hat es sich allerdings, nicht alle Bewegungsdaten mit in die Cloud zu nehmen, sondern sich auf die Stammdaten zu beschränken, sich von Altlasten zu trennen und sich von Komplexität zu lösen, die keinen Mehrwert bietet - kurz gesagt: auf Standardisierung einlassen und gleichzeitig Bestandteile alter Systeme miteinbinden.
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