Das Zeitalter monolithischer und fest verdrahteter ERP-Systeme ist endgültig passé. Der zusätzliche Einsatz von Cloud Services und nativen SaaS-Cloud-ERP-Lösungen, die entweder in Form einer Single- oder einer Multi-Tenant-Lösung bereitgestellt werden, zählt inzwischen vielfach zur DNA der Digitalisierungsstrategie von Unternehmen. Unternehmen, die sich für den Einsatz einer ERP-Cloud-Software entscheiden, machen die endgültige Auswahl im Wesentlichen von folgenden drei Kriterien abhängig: der langfristigen Verfügbarkeit der ERP-Cloud-Lösung am Markt ist, einem umfassenden Funktionsumfang und der Möglichkeit zur Integration von Geschäftsprozessen.
Das zeigen die Ergebnisse der aktuellen Studie "Cloud-ERP 2021" von COMPUTERWOCHE zusammen mit lexbizz, All for One Steeb, Oracle, Unit4 und e.bootis. Teilgenommen haben 365 Geschäfts- und IT-Entscheider aus deutschen Unternehmen unterschiedlicher Branchen und Größen.
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Standardisierung steigert Produktivität
Den größten Nutzen vom Einsatz einer Cloud-ERP-Software versprechen sich 27 Prozent der befragten Firmen davon, Geschäftsprozesse standortübergreifend harmonisieren zu können. Für ein Viertel besteht der größte Mehrwert in einer Produktivitätssteigerung und für jeweils 24 Prozent im schnellen Auffinden von Informationen, der einfachen Datenverwaltung und der Kostenkontrolle.
"Die Studie zeigt, dass immer mehr Unternehmen die Vorteile eines hohen Standardisierungsgrads erkennen, den eine Cloud-ERP-Plattform ermöglicht und der ein essenzieller Baustein auf dem Weg zu mehr Automatisierung sowie zu mehr Produktivität ist", sagt Carsten Schröder, President of Cloud ERP bei lexbizz. "Einheitliche digitale Prozesse ermöglichen aber auch Smart-Data-Auswertungen mit KI- und ML-Technologien, etwa um neue Geschäftsmodelle zu erkunden."
"Vor allem bei Unternehmen aus Branchen, die starken Veränderungen unterliegen und sich mit der Standardisierung von Prozessen beschäftigen müssen, geht der Trend stark in Richtung eines Cloud-ERP. Da die Firmen flexibel reagieren und ihre Geschäftsmodelle an den Anforderungen des Marktes und der Kunden ausrichten müssen, ist die IT-Infrastruktur entsprechend anzupassen", kommentiert Horst Lambauer, Senior Director Cloud-ERP bei der All for One Group. Ähnlich sieht das Tom Dehouck, President Continental Europe bei Unit4 Business Software. "Um ihre Leistung und die Produktivität zu steigern und auf neue Entwicklungen in angemessener Zeit reagieren zu können, brauchen Unternehmen eine agile IT-Umgebung, was in einer volatilen Zeit wie dieser besonders deutlich wird. Dafür eignet sich ein Cloud-ERP am besten."
Alleinstellung gefragt
"Werden Prozesse standardisiert, lassen sie sich automatisieren - ein wichtiger Hebel für mehr Produktivität. Das ist nicht mit einfachen Standardprozessen zu verwechseln, die selten echten Mehrwert bieten", verdeutlicht Tim Langenstein, Vorstandsvorsitzender der e.bootis AG. "Deshalb müssen besonders Unternehmen aus dem Mittelstand auch im Cloud-ERP-Umfeld in der Lage sein, prozessuale Alleinstellungsmerkmale abzubilden."
Und Christoph Friedl, Senior Director Sales ERP / EPM Germany bei Oracle, sagt: "Unternehmen wollen aller Individualität zum Trotz einheitliche Prozesse. Hier liegen ungeahnte Produktivitätsschätze verborgen, denn in der Praxis sieht es häufig so aus, dass es in über Jahre gewachsenen IT-Strukturen zahlreiche Individuallösungen gibt. Wichtig ist daher, dass ein Cloud-ERP neben Standardprozessen individuell konfigurierbare Best Practices bietet." Genauso sehen das laut Studie auch 62 Prozent der Befragten, für die es ein zentrales Entscheidungskriterium ist, eine Cloud-ERP-Lösung bis zu einem gewissen Grad an individuelle Anforderungen anpassen zu können.
Kostenreduktion als primäres Ziel
Als oberstes Ziel beim Einsatz einer ERP-Cloud-Lösung bezeichnen die Studienteilnehmer Kostensenkungen bei der IT-Infrastruktur (35 Prozent) und beim ERP-Systemmanagement (34 Prozent). 56 Prozent bezeichnen als Hauptgrund für den Einsatz eines Cloud-ERP die erheblich kürzere Einführungszeit im Vergleich zu einer On-Premises-ERP-Installation. Bei Unternehmen aus dem klassischen Mittelstand sind es sogar rund zwei Drittel. Bei mehr als drei Viertel der IT-Verantwortlichen ist die kurze Implementierungszeit hauptverantwortlich für den Einsatz eines Cloud-ERP, vermutlich ebenfalls aus Kostengründen.
Für Tom Dehouck ist dieses Ergebnis keine Überraschung: "Die Kosten eines cloud-basierten ERP sind deutlich niedriger als die Beibehaltung des Status quo." Horst Lambauer sieht vor allem "die schnelle und einfache Einführung parallel zum Tagesgeschäft als ausschlaggebenden Faktor für die Einführung einer Cloud-Lösung. Genauso wichtig ist eine hohe Flexibilität, die es ermöglicht, Änderungen und Anpassungen selbstständig durchzuführen, ohne eigene oder externe IT-Experten hinzuziehen zu müssen."
Schnelle Implementierung ist nicht alles
Laut Carsten Schröder widerlege die Studie auch "den Mythos vom ERP-System als schwerfälligem, hochgradig angepassten und im Betrieb sehr kostenintensiven IT-Systemkoloss. Ein Cloud-ERP lässt sich in nur wenigen Wochen einführen inklusive einer Harmonisierung der Datenlandschaft und der Inbetriebnahme." Christoph Friedl ergänzt: "Ein schneller Time-to-Market ist für viele Firmen essenziell und den ermöglichen cloud-basierte ERP-Systeme durch eine kurze Implementierungszeit."
Tim Langenstein gibt zu bedenken, dass "eine schnelle Implementierung zwar erfolgreich sein kann, aber die Chance einer objektiven Prüfung auf Zukunftsfähigkeit vergibt. Oft lohnt es sich hier, die nötige Zeit zu investieren." Die Einführung eines ERP-Systems sei entgegen der landläufigen Meinung auch kein Softwareprojekt, sondern ein Organisationsprojekt.
Pandemie als Investitions-Booster
45 Prozent der Unternehmen planen trotz der Corona-Pandemie, die das IT-Budget belastet, die Einführung eines Cloud-ERP beziehungsweise den Aufbau einer hybriden ERP-Landschaft innerhalb der nächsten zwölf Monate oder mittelfristig. Doch allein mit der Einführung und Nutzung eines Cloud-ERP ist es nicht getan, denn eine solche Lösung muss kontinuierlich ausgebaut werden, etwa um Prozesse zu optimieren, den Digitalisierungsgrad im Business zu erhöhen oder zur Erfüllung gesetzlicher Vorschriften. Hier sind die Unternehmen auf einem guten Weg. 63 Prozent planen für die nächsten zwölf Monaten auf jeden Fall oder wahrscheinlich weitere Investitionen in ihre ERP-Cloud-Applikation, in erster Linie in Funktionen für Finanz- und Rechnungswesen (35 Prozent), CRM (35 Prozent) sowie Einkauf und Beschaffung (29 Prozent). Nur sieben Prozent wollen wahrscheinlich oder definitiv nicht weiter in ihr Cloud-ERP investieren.
Das deckt sich mit den Erfahrungen von Horst Lambauer, der gegenwärtig "trotz Corona-Pandemie eine große Nachfrage nach ERP-Cloud-Lösungen" registriert, was nicht zuletzt auf die Remote-Beratung zurückzuführen sei, die sich im Cloud-Bereich deutlich einfacher gestaltet als on-Premises. Carsten Schröder bezeichnet die Corona-Pandemie gar als "Cloud-Booster, die Unternehmen den Nachholbedarf bei der Digitalisierung ihrer Prozesse vor Augen führt und zugleich deutlich macht, welche Vorzüge ein Cloud-ERP in Bezug auf die digitale Transformation aber auch für ein mobiles Arbeiten bietet. Dass Unternehmen verstärkt Geld für ein Cloud-ERP ausgeben, ist daher nur folgerichtig."
Laut Christoph Friedl belegt die Studie, dass "clevere Unternehmen auch in Krisenzeiten strategisch investieren, um sich schnell an die veränderte Marktsituation anzupassen. Cloud-basierte ERP-Systeme sind hier das Mittel der Wahl." Ähnlich argumentiert Tim Langenstein der das Ergebnis dahingehend deutet, dass "unvorhersehbare Krisen, die Unternehmen in ihren Grundfesten erschüttern, gleichzeitig die Gelegenheit bieten, Altbewährtes zu überdenken, neue Lösungen zu finden und das ERP-System schnell anzupassen." Für Tom Dehouck zeigt die hohe Investitionsbereitschaft in Cloud-ERP vor allem, "dass deutsche Unternehmen die Zeichen der Zeit erkannt haben. Denn um auch in Zukunft mit Erfolg am Markt zu agieren, ist für die meisten die digitale Transformation ihres Geschäfts unverzichtbar."
Wermutstropfen in Cloud-Euphorie
Ein Wermutstropfen ist, dass 36 Prozent der Befragten grundsätzliche Bedenken gegenüber der Nutzung von Cloud Services und immerhin 14 Prozent gegen ein Cloud-ERP äußern. "Dieser hohe Anteil zeigt, dass die 'German Angst' vor der Cloud nach wie vor ein Thema ist", verdeutlicht Carsten Schröder. "Inzwischen kommt aber Bewegung in die Sache, nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie und den stetig steigenden Digitalisierungsdruck, wenn auch langsamer als in anderen Ländern."
Größte Hemmschuhe sind neben Sicherheitsbedenken (26 Prozent), ein "Gefühl des Ausgeliefertseins" (26 Prozent) und "fehlende Eigenkontrolle" (25 Prozent), ein unzureichender oder fehlender Support aufseiten des Cloud-ERP-Anbieters (23 Prozent) sowie eine "größere Abhängigkeit vom Anbieter" (20 Prozent). Als Hemmnis bezeichnen immerhin 17 Prozent der Befragten eine schlechte Software-Ergonomie und -Usability.
Kritisch beurteilt Tom Dehouck die Vorbehalte: "Scheuen Unternehmen die Veränderungen, die eine Migration von einem On-Premises-ERP-System auf ein cloud-basiertes ERP mit sich bringt - sei es aus Kostengründen oder aus Sicherheitsbedenken -, können sie die Anforderungen aufseiten des Business in Zukunft nicht optimal unterstützen."
Cloud-Vorbehalte besonders im Mittelstand
In Bezug auf den Einsatz einer ERP-Cloud-Software haben zudem deutlich mehr kleinere Firmen mit weniger als 500 Beschäftigten (18 Prozent) Vorbehalte als mittelständische und größere Firmen (kumuliert zwölf Prozent). "Die Erkenntnis, dass vor allem mittelständische Unternehmen Vorbehalte gegen die Nutzung von Cloud-Services haben, deckt sich mit unseren Erfahrungen aus dem Tagesgeschäft", erläutert Tim Langenstein.
Alles in allem gestaltet sich die Entwicklung und Akzeptanz von Cloud-ERP jedoch positiv und viele Firmen sind inzwischen bereit, eine solche Lösung einzuführen oder von ihrem On-Premises-ERP auf ein cloud-basiertes ERP zu migrieren. Christoph Friedl bezeichnet "den Kampf gegen Cloud-Vorbehalte eher als eine Schlacht von gestern, vor allem weil Sicherheitsstandards in der Cloud meist deutlich besser sind als hauseigene Standards. Nicht zuletzt ist mit einem Cloud-ERP auch das leidige Upgrade-Thema erledigt."
Hybrid statt Cloud-only
Eine "Cloud only"-Strategie verfolgen gegenwärtig aber die wenigsten Unternehmen wie die Studie deutlich macht. Bevorzugt wird ein hybrides Bereitstellungs- und Betriebsmodell. Diesen Trend beobachtet auch Horst Lambauer: "Das stabile ERP-Kernsystem wird durch ein cloud-basiertes Innovationssystem erweitert, das eine Differenzierung vom Wettbewerb ermöglicht. Schlussendlich geht es aber nicht um die Frage, ob On-Premises oder Cloud, sondern darum, wie sich das eigene Geschäftsmodell am besten und am schnellsten abbilden lässt." Auch für Tim Langenstein ist Flexibilität im Hinblick auf das Betriebsmodell ein zentraler Faktor. "Eine ERP-Lösung, deren Betrieb wahlweise on-Premises, in der Cloud oder hybrid möglich ist, bietet Mittelständlern die freie Wahl in Bezug auf die Organisation ihrer Prozesse und Daten."
Darüber hinaus fördert die Studie noch zahlreiche weitere interessante Ergebnisse zutage. Dazu zählt unter anderem, dass 80 Prozent aller Befragten Maßnahmen zur Verbesserung der Datenqualität parallel zur Einführung eines Cloud-ERP umsetzen. Das zeigt, dass die Unternehmen die Bedeutung von Daten als strategisches Asset erkannt haben. Hohe Priorität genießt das Thema Datenqualität besonders in Firmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten, von denen 84 Prozent entsprechende Initiativen veranlasst haben.
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Studiensteckbrief
Herausgeber: COMPUTERWOCHE, CIO, TecChannel und ChannelPartner
Platin-Partner: Haufe-Lexware (lexbizz)
Gold-Partner: All for One Steeb; Oracle Deutschland; Unit4 Business Software
Silber-Partner: e.bootis
Grundgesamtheit: Oberste (IT-)Verantwortliche von Unternehmen in der D-A-CH-Region: strategische (IT-)Entscheider im C-Level-Bereich und in den Fachbereichen (LoBs), IT-Entscheider und IT-Spezialisten aus dem IT-Bereich
Teilnehmergenerierung: Stichprobenziehung in der IT-Entscheider-Datenbank von IDG Business Media; persönliche E-Mail-Einladungen zur Umfrage
Gesamtstichprobe: 365 abgeschlossene und qualifizierte Interviews
Untersuchungszeitraum: 14. bis 18. August 2020
Methode: Online-Umfrage (CAWI)
Fragebogenentwicklung: IDG Research Services in Abstimmung mit den Studienpartnern
Durchführung: IDG Research Services