Commerzbank-COO Hessenmüller

"Digitalisierung beginnt im Kopf"

28.06.2021
Von 
Wolfgang Herrmann war Editorial Manager CIO Magazin bei IDG Business Media. Zuvor war er unter anderem Deputy Editorial Director der IDG-Publikationen COMPUTERWOCHE und CIO und Chefredakteur der Schwesterpublikation TecChannel.
Die Commerzbank will sich zu einer digitalen Beratungsbank weiterentwickeln. COO Jörg Hessenmüller sieht die Cloud als Enabler und glaubt an die Blockchain.
"Innovationen kann man nicht befehlen", sagt Jörg Hessenmüller, COO der Commerzbank. "Man muss dafür einen Raum und eine Kultur schaffen."
"Innovationen kann man nicht befehlen", sagt Jörg Hessenmüller, COO der Commerzbank. "Man muss dafür einen Raum und eine Kultur schaffen."
Foto: Commerzbank

"Digitalisierung ist kein anderes Wort für IT", sagt Jörg Hessenmüller. Das müssten alle im Unternehmen verstehen. "Es geht um viel mehr als nur Technologie. Digitalisierung beginnt im Kopf der Menschen." Seit Januar 2019 sitzt Hessenmüller als Chief Operating Officer (COO) im Vorstand der Commerzbank und ist damit neben anderen Bereichen auch für die digitale Transformation und die IT zuständig.

Mit dem Update der Unternehmensstrategie im Februar 2021 rückte das Finanzinstitut Themen wie Kundennähe, Digitalisierung, Profitabilität und Nachhaltigkeit noch stärker in den Vordergrund. Das bedeutet abermals harte Einschnitte für die Mitarbeiter. Bis 2024 will die Bank 10.000 Stellen streichen und eine Eigenkapitalrendite von sieben Prozent erreichen.

"Technologie verändert das Kundenverhalten", erklärt der COO die Entwicklungen in der Finanzbranche. Daraus entständen Potenziale für neue Geschäftsmodelle, aber auch große Herausforderungen für klassisch aufgestellte Banken. Besonders deutlich wird das derzeit im Privatkundengeschäft der Commerzbank. Hessenmüller: "Wir stellen uns die Frage: Wie interagieren wir künftig mit dem Kunden?" Die 2020 begonnene Integration der Comdirect spielt dabei eine wichtige Rolle. Als reine Direktbank ohne Filialnetz hat sie sich vor allem im Online-Banking und Online-Brokerage einen Namen gemacht. "Insbesondere in Sachen Remote-Kundenbetreuung ist die Comdirect top", lobt Hessenmüller.

Die Stärken der Muttergesellschaft Commerzbank liegen woanders. Als klassische Bank für mittelständische Unternehmen sieht sie sich in einer führenden Position im deutschen Corporate Banking-Markt. Aber auch in diesem Marktsegment ist vieles in Bewegung, wie der COO berichtet. "Wir müssen prüfen, wie wir unsere Banking-Dienstleistungen in Zukunft anbieten." Beispielsweise würden künftig viel mehr Kunden als bisher remote betreut, also nicht mehr über Filialen. Am Ende gehe es darum, die Stärken der Comdirect mit denen der Commerzbank zu kombinieren. Das große Ziel: "Wir wollen eine digitale Beratungsbank werden." Dafür müssen die Frankfurter auch die technische Basis umbauen. Hessenmüller sieht die Cloud dabei als Enabler: "Cloud Computing ist eine Schlüsseltechnologie für die digitale Transformation der Commerzbank."

Multicloud-Strategie

Schon seit 2016 setzt sich der Finanzdienstleister mit Cloud-Konzepten auseinander. Nach den bisherigen Erfahrungen entschied sich Hessenmüller für eine hybride Multicloud-Strategie mit den zwei großen Providern Microsoft und Google Cloud. "Wir wollten keine Abhängigkeit von einem einzigen Cloud-Anbieter", begründet er das Vorgehen. Jeder Hyperscaler habe spezifische Stärken und Schwächen. Google etwa sei aktuell mit seinen Cloud-Services in Bereichen wie Big Data, Analytics und Machine Learning sehr gut aufgestellt. Microsofts Stärken sieht er im Moment beispielsweise im Bereich Workplace und Office-Anwendungen. Für den Multicloud-Ansatz nennt er noch ein weiteres Argument: Mithilfe von Container-Techniken sei es grundsätzlich möglich, Anwendungen zwischen den beiden Hyperscalern hin- und herzubewegen.

Die Cloud-Strategie soll den Frankfurter Bankern auch dabei helfen, die IT zu modernisieren. Dezentrale Anwendungen, sprich: "alles was nicht auf dem Mainframe läuft", will Hessenmüller perspektivisch in die Cloud migrieren. Dabei könne es sich sowohl um Private- als auch um Public-Cloud-Umgebungen handeln. Klassische transaktionale Systeme wie der Zahlungsverkehr oder die Wertpapierabwicklung sollen aber weiterhin auf den eigenen Großrechnern laufen. Der Mainframe habe sich für solche Anwendungen als zuverlässiges System bewährt, argumentiert der IT-Chef.