"Die Digitalisierung ist nicht neu und sie geht auch nicht vorüber", sagte Bitkom-Präsident Achim Berg. Er gab zu, dass ihn die Ergebnisse der aktuellen Digitalisierungsumfrage etwas ratlos machten. Zwar sei zu spüren, dass die Wirtschaft erkenne, was die Stunde geschlagen hat. Immerhin spürten immer mehr Betriebe einen steigenden Wettbewerbsdruck durch besser digitalisierte Wettbewerbsangebote. Außerdem schwinde die Angst.
Nur noch zwölf Prozent der über 600 befragten Firmen gaben an, sich durch digitale Technologien in ihrer Existenz bedroht zu fühlen. Vor einem Jahr hegte noch jede vierte Firma diese Befürchtung. Immer mehr Unternehmen würden zudem digitale Produkte und Services anbieten (53 Prozent), ihr bestehendes Angebot überarbeiten (72 Prozent) oder nicht mehr zeitgemäße Erzeugnisse vom Markt nehmen.
Auch sehen neun von zehn Geschäftsführer in der Digitalisierung mehr Chance als Risiko. Die Rate der Skeptiker ist auf sieben Prozent geschrumpft. Umso irritierter zeigte sich Berg angesichts anderer Ergebnisse der Bitkom-Umfrage. Nur 15 Prozent der Befragten haben einen Digital-Verantwortlichen, zum Beispiel einen Chief Digital Officer (CDO) oder einen Leiter Digitalisierung, eingesetzt.
Jeder vierte Betrieb (26 Prozent) hat noch immer keinen konkreten Plan, wie der digitale Wandel für das eigene Unternehmen aussehen soll. Und über eine zentrale unternehmensweite Digitalstrategie verfügt nur jedes dritte Unternehmen (33 Prozent). Lediglich 22 Prozent wollen im laufenden Jahr gezielt in die Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle investieren. "Keine personelle Verantwortung, keine Zeit, kein Geld - so macht man keine Digitalisierungsstrategie", lautet das Fazit des Bitkom-Sprechers.
Technik ist wichtig, aber…
Der Bitkom ist die Interessenvertretung der Digitalwirtschaft. So verwundert es nicht, dass die Verantwortlichen den Einsatz neuer Technologien empfehlen. Viele Anwender wüssten das, doch es folgten keine Taten. So sprechen jeweils rund 80 Prozent der Unternehmen Big Data und dem Internet of Things eine große Bedeutung zu. Immerhin zwei Drittel sehen das genauso für 3D-Druck sowie Virtual und Augmented Reality. Rund sechs von zehn Unternehmen halten KI (60 Prozent), Blockchain (59 Prozent) und autonome Fahrzeuge (57 Prozent) für wichtig.
Laut Bitkom wird aber nicht entsprechend investiert. Der Prozentsatz derer, die Big Data nutzen, dessen Einsatz planen oder zumindest darüber diskutieren, liegt nicht bei 80, sondern nur bei 59 Prozent. Ähnlich verhält es sich mit den anderen Technologien, Internet of Things (44 Prozent), 3D-Druck (43 Prozent) sowie Virtual und Augmented Reality (32 Prozent).
Abgeschlagen rangieren autonome Fahrzeuge (17 Prozent), KI (zwölf Prozent) und Blockchain (6 Prozent) auf den hinteren Plätzen im Technik-Ranking. "Wenn man an die Bedeutung von KI als Querschnitts- und Schlüsseltechnologie denkt und an die Chancen, die eine junge Technologie wie Blockchain bieten kann, dann muss diese Zurückhaltung verwundern", klagte Berg. Verglichen zum Vorjahr gebe es bei KI und Blockchain trotz der größeren Sichtbarkeit dieser Themen keine stärkere Resonanz in den Unternehmen.
Das Thema KI stand auf der hub.berlin und dem BigData.AI Summit des Bitkom im Mittelpunkt vieler Diskussionen. Über 5000 Vertreter der hiesigen IT- und Digitalwirtschaft trafen sich in der Hauptstadt, um über die aktuellen technischen Entwicklungen sowie die Rahmenbedingungen rund um Zukunftstechnologien und Digitalisierung zu diskutieren.
Anja Karliczek, Bundesministerin für Bildung und Forschung betonte gleich zu Beginn ihrer Rede die Risiken künstlicher Intelligenz. Als Beispiel führte die CDU-Politikerin Fehler bei der Bild- und Gesichtserkennung an, wenn beispielsweise der Algorithmus männliche und weibliche Gesichter verwechsele. "Die Technik entlässt den Menschen nicht aus seiner Verantwortung", betonte die Ministerin. KI könne schließlich nicht zwischen Gut und Böse unterscheiden. Letztlich müsse die Technik immer dem Menschen dienen.
KI sichert deutschen Wohlstand
Trotz dieser Warnung betonte Karliczek die Bedeutung von KI für den deutschen Wirtschaftsstandort. Die Technologie werde helfen, den Wohlstand hierzulande zu sichern. Die Ministerin verwies in diesem Zusammenhang auf die KI-Strategie der Bundesregierung. KI müsse in Industrieanwendungen verankert und die Technik besser vermarktet werden. Karliczek kündigte an, gemeinsam mit Wirtschaftsminister Peter Altmaier Anwendungs-Hubs zu initiieren, beispielsweise für Medizin, Mobilität und Industrie 4.0.
Darüber hinaus will die Ministerin die Forschung intensivieren. Deutschland verfüge über exzellentes Knowhow in Sachen KI, zum Beispiel im DFKI. Jetzt gehe es auch darum, Spitzenforscher zu entwickeln und diese weltweit sichtbar zu machen. Darüber hinaus sollen mehr Talente ins Land geholt werden. "Wir wollen Deutschland zum führenden Standort für KI machen", kündigte Karliczek an.
Die Schaffung von 100 neuen Professuren für KI ist bereits beschlossen. Außerdem will die Bundesregierung bis 2025 drei Milliarden Euro in die KI-Forschung stecken. Dieser Posten sei trotz knapp werdender Mittel von Finanzminister Olaf Scholz bereits genehmigt, versicherte die Politikerin. "Investitionen in KI sind gute Investitionen in die Zukunft."
Als Politikerin sieht sich Karliczek in der Verantwortung, die richtigen Rahmenbedingungen für die Weiterentwicklung der Technologie abzustecken. KI bedeute auch eine Anstrengung für die Gesellschaft. Gerade im aktuellen Wissenschaftsjahr zum Thema KI gelte es zu zeigen, "was KI kann und was nicht".
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"Die nationale KI-Strategie kann ein Hebel sein, dieses Bewusstsein weiter zu entwickeln", sagte Bitkom-Präsident Berg, warnte aber auch: "Damit dies gelingt, müssen wir bei der Umsetzung vorankommen und dürfen uns nicht in politischen Klein-Klein-Diskussionen und Etatstreits verlieren." Von einer Einmischung der Politik hält der Lobbyverband wenig.
Mit Blick auf die Diskussion über eine neue nationale Industriestrategie forderte Berg eine digital-industriepolitische Flankierung der traditionell ordnungspolitisch orientierten deutschen Wirtschaftspolitik. "Wir verstehen Industriepolitik weder interventionistisch noch protektionistisch", so Berg. "Aus unserer Sicht brauchen wir keinen Staat, der den Unternehmen sagt, was sie tun sollen und sich in ihre Entscheidungen einmischt."
Auch Katrin Suder, Vorsitzende des Digitalrats, der die Bundesregierung in Sachen Digitalisierung berät, forderte, dass Barrieren durch Gesetze abgebaut werden müssten. Es brauche eine Industriepolitik wie mit bestimmten Technologien umzugehen sei, sowie klare Botschaften zu Cloud, AI und Cyber-Security, sagte die studierte Physikerin. Suder räumte ein, dass dies schwierig sei, weil neben einer deutschen auch eine europäische sowie eine globale Perspektive zu berücksichtigen sei.