Bitkom-Analyse

Digitaler Tiefschlaf lähmt Deutschland

26.06.2023
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.

Riesige Lücke zwischen Theorie und Praxis

Viele Unternehmen tun sich offenbar schwer, die Blaupausen in die Praxis umzusetzen. Zwischen Theorie und Praxis klafft eine riesige Lücke. Ein Beispiel: 72 Prozent sagen, dass KI eine große Bedeutung für die künftige Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft hat, aber nur 15 Prozent nutzen KI im eigenen Unternehmen. Offensichtlich fehlt den Verantwortlichen hier noch die zündende Idee. Ein Drittel sieht in KI eher ein Risiko denn eine Chance für den eigenen Betrieb. Nur ein Viertel der Befragten glaubt, dass damit neue Geschäftsmodelle möglich seien.

Zwei Drittel der deutschen Unternehmen sehen sich als digitale Nachzügler.
Zwei Drittel der deutschen Unternehmen sehen sich als digitale Nachzügler.
Foto: Bitkom

So schieben viele Unternehmen das Thema KI auf die lange Bank. Nur ein Viertel der Befragten rechnet damit, KI innerhalb der nächsten zehn Jahre einzusetzen. 29 Prozent sprechen von einem Zeithorizont von zehn bis 20 Jahren, 25 Prozent gehen von mehr als 20 Jahren aus, und 16 Prozent geben an, KI werde für ihr Unternehmen wohl nie relevant werden.

"Das Bild von KI sollte sich in den kommenden Monaten verändern", hofft Bitkom-Präsident Wintergerst. KI könne einen enormen Innovations- und Effizienzschub auslösen. "Je mehr KI-Anwendungen auf den Markt kommen, desto mehr Unternehmen sollten und - das ist meine Hoffnung - werden sie sich zu Nutze machen."

Digitale Technologien sind wichtig, aber in der Praxis selten zu finden.
Digitale Technologien sind wichtig, aber in der Praxis selten zu finden.
Foto: Bitkom

Dabei ist KI nicht die einzige Technologie, bei der die wahrgenommene Bedeutung und die Bereitschaft, selbst voranzugehen, auseinanderklaffen. So sprechen 92 Prozent der Unternehmen Datenanalysen und Big Data eine große Bedeutung zu, aber nur 39 Prozent vertrauen darauf. Robotik halten 86 Prozent für wichtig, doch nur 40 Prozent nutzen die Technologie. Ähnlich sieht es aus beim Internet of Things (84 Prozent große Bedeutung, 36 Prozent Einsatz) und 5G (82 Prozent zu 23 Prozent).

Kein Geld für Digitalisierung

Es gibt verschiedene Gründe, warum die Unternehmen nur schleppend vorankommen. An externen Faktoren nennen die Verantwortlichen vor allem den Datenschutz (77 Prozent) und fehlende Fachkräfte (64 Prozent) als Hemmnisse. Intern fehlt es den Betrieben an Zeit und vor allem an Geld. 54 beklagen fehlende finanzielle Mittel, um sich digital neu aufzustellen, 2022 waren es 43 Prozent.

Eine zentrale Digitalisierungsstrategie hat nur jedes dritte Unternehmen.
Eine zentrale Digitalisierungsstrategie hat nur jedes dritte Unternehmen.
Foto: Bitkom

Leere Kassen dürften den digitalen Fortschritt auch im kommenden Jahr behindern. Immerhin gibt etwas mehr als die Hälfte der Befragten an, im laufenden Jahr mehr in die Digitalisierung investieren zu wollen. Im nächsten Jahr wollen nur noch 28 Prozent mehr Geld dafür in die Hand nehmen. 23 Prozent wollen 2024 die Mittel für Digitalisierungsmaßnahmen kürzen (2023: 16 Prozent).

Viele Digitalisierungshemmnisse werden 2023 von mehr Firmen als gravierender eingeschätzt als noch im vergangenen Jahr.
Viele Digitalisierungshemmnisse werden 2023 von mehr Firmen als gravierender eingeschätzt als noch im vergangenen Jahr.
Foto: Bitkom

Von der Politik erwarten die wenigsten Unterstützung, auch die Grundhaltung im Land wird skeptisch gesehen. Aus Sicht von 54 Prozent der Befragten trägt die Politik mit ihren Entscheidungen eher dazu bei, den Einsatz digitaler Technologien zu verhindern als zu fördern. Und 52 Prozent stimmen der Aussage zu: "Die Bevölkerung in Deutschland ist bei neuen Technologien zunächst immer skeptisch."