Industrie 4.0 konkret

Diese drei Schritte bringen bis zu 30 Prozent höhere Produktivität

04.07.2018
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Franz E. Gruber, Jahrgang 1963, ist Gründer und Chef des Smart-Factory-Spezialisten FORCAM in Ravensburg. Der studierte Wirtschaftsingenieur war in den 1990er Jahren die rechte Hand von Dietmar Hopp bei SAP, bevor er im Jahr 2001 mit FORCAM als Pionier für Fabriksoftware startete, lange vor dem Begriff "Industrie 4.0".

2. Maschinen mit einer Top-Technologie vernetzen

Ein weiterer häufiger Denkfehler lautet: "Unsere IT-Systeme schaffen das noch". Falsch. Denn die Digitalisierung ist vor allem eines: schnell. Das gilt insbesondere für die Softwareentwicklung. Daher sollten Unternehmen in Sachen IT-Lösung wählerisch sein, nicht auf alte Bekannte sondern auf Top-Performer setzen.

Unternehmen benötigen ein ganz neues IT-Rückgrat, wie es Karl-Heinz Land von der Initiative Deutschland Digital (IDD) treffend beschreibt. "Digitale Transformation braucht … eine Plattformlösung, die ins Unternehmen eingezogen ist wie ein Rückgrat, an das alle Programme angebunden sind."

Die Technologie von morgen steht bereits heute zur Verfügung: Echte 4.0-Lösungen verarbeiten webbasiert größte Datenmengen zentral im Hauptspeicher (Live-Cache) und visualisieren alle wesentlichen Produktionszustände in Echtzeit nutzerfreundlich über alle Schnittstellen in allen Sprachen - vom Computer des Werkers über das Smartphone des Vorstands bis hin zu den Systemen des Kunden.

Hohe Anforderungen an eine IT 4.0

Die schon erwähnte ISG-Markttrend-Studie zählt sieben Anforderungen für IIoT-Plattformen auf. Drei sollten wir näher betrachten:

  1. Schnelligkeit: Kernaufgabe jeder IIoT-Technologie ist es, die Daten aus der physischen Produktion in Echtzeit auf allen Computer-Endgeräten zu spiegeln und ein sogenanntes Cyber-Physical-System zu schaffen. Darin werden aus voluminösen Big Data in Echtzeit nutzbare Smart Data. Die benötigte Geschwindigkeit ist nur durch eine Cloud-fähige Lösung zu erreichen, die benötigte Rechenleistung beispielsweise durch eine hauptspeicherbasierte In-Memory-Technologie in Verbindung mit einer Rule Engine (Complex Event Processing).

  2. Konnektivität: In den allermeisten Fabriken gibt es Maschinen unterschiedlicher Baujahre, Typen und Hersteller. Echte IT 4.0 ist in der Lage, solche heterogenen Maschinenparks in kürzester Zeit an die IIoT-Plattform anzuschließen und zugleich Produktion (Shop Floor) und Planung (Top Floor - ERP/SAP) nahtlos zu vernetzen.

  3. Offenheit: Oberstes Ziel ist die Nahe-Null-Fehler-Fabrik. Dafür sind erstens diverse Tools wie eine schnelle Rückverfolgbarkeit aller Teile und Prozesse oder automatische Alarmierungen notwendig. Zweitens muss eine IIoT-Plattform mit offenen Programmierschnittstellen arbeiten (Open Application Programming Interface - Open API). Nur so können alle internen Bereiche mit den erforderlichen Betriebs- und Prozessdaten versorgt und vor allem neue Technologien jederzeit integriert werden. Aktuelles Beispiel sind Lösungen für eine "Vorhersagende Wartung" (Predictive Maintenance)

Vorhersagende Wartung: "predict and prevent"

Wie wichtig die Anforderung Offenheit ist, zeigt sich am Beispiel der Predictive Maintenance. Ihr Konzept lautet: "Predict & Prevent" statt "Fail & Fix". So kann eine moderne Fabriksoftwarelösung, die mit offenen Schnittstellen ausgestattet ist, zusätzlich um eine Predictive-Maintenance-Lösung erweitert werden, welche mit Sensoren und mathematischen Schwingungsanalysen arbeiten. Durch Selbstlern-Effekte aus der künstlichen Intelligenz wird es ermöglicht, Störungen zu erkennen, bevor sie auftreten. Entsprechend vorzeitig kann gegengesteuert werden.

Beispiel: Den Energieverbrauch vorhersagen

Als zentrale Messgröße für höhere Produktivität und Ressourceneffizienz hat sich die Gesamtanlageneffektivität (OEE - Overall Equipment Effectiveness) durchgesetzt. Bislang gibt sie Auskunft über die drei Dimensionen Verfügbarkeit, Leistung und Qualität. Künftig werden noch zwei weitere Größen in die Fabriksteuerung mit einbezogen werden können: Energiebilanzen sowie die Vorhersage von Energieverbrauch und Leistungsfähigkeit der Anlagen.

Ein deutscher Automobilhersteller hat dazu mit unserem Haus sowie mit der University of Cincinnati ein innovatives Projekt gestartet. Ziel: Die Technologie berechnet im Voraus, wie die Leistungsfähigkeit sowie der künftige Energieverbrauch von Maschinen, Anlagen und Fabriken sein werden. Damit wird es möglich, bislang nur ungefähr zu klärende Fragen konkret zu beantworten: Wo wird die meiste Energie verbraucht? Wie viel Energie wird morgen/nächste Woche/nächsten Monat benötigt? Welche Energiebilanz hat meine Produktion insgesamt? Wo sind Fehler und Verschwendungen zu erwarten? Welche Maschine wird als nächstes ausfallen?

In einer Phase 1 wird eine 4.0-Lösung mit allen bekannten Merkmalen einer modernen Fabriksteuerung installiert - Echtzeit-Datenerfassung, Berichte zur Gesamtanlageneffektivität, nutzerfreundliche Echtzeit-Visualisierung. In Phase 2 wird die Lösung mit dem Tool der vorhersagenden Wartung verknüpft und bezieht auch den Energieverbrauch des Werks in die Analysen mit ein. Sensoren an ausgewählten Maschinen werten sekundengenau Vibrationen sowie den aktuellen und historischen Energieverbrauch aus und speisen sie in die Anlagensteuerung ein.

Unternehmen erreichen so wirtschaftliche wie politische Ziele: Sie erhalten einen Fabrik-Zustand, der als "Nahe-Null-Ausfall" (Near-Zero Downtime) beschrieben werden kann. Zweitens tragen sie zur "grünen Fertigung" (Green Manufacturing) bei, weil die Energiebilanz von ganzen Fabriken sichtbar wird und dadurch ein transparentes, nachhaltiges und kostenoptimiertes Produzieren.