Vor noch nicht so langer Zeit war vielen Entscheidungsträgern noch gar nicht bewusst, was die Digitale Transformation ist. Als ich vor vier Jahren eine Beratungsagentur gründete die sich mit der Digitalen Transformation beschäftigt, musste ich noch sehr vielen Leuten erklären, was denn diese Digitale Transformation ist.
Heute ist das anders. Alle sind Experten. Werde ich an Apéros (welche ich zu vermeiden versuche) gefragt, was ich denn so mache, antworte ich gelegentlich, dass alle meine Tätigkeiten direkt oder indirekt mit der Digitalen Transformation zu tun haben. Und nicht selten ernte ich als Reaktion ein vertrauensvolles Zwickern und die Antwort: "Ah so mit Mobile und Machine Learning". Früher hätte ich mich wohl erklären müssen. Heute antworte ich - möglichst euphorisch - mit "Ja, genau".
Keine Frage, das Thema Digitale Transformation ist in den Köpfen der Leute angekommen. Und damit meist auch das Bewusstsein, dass sich etwas in den Unternehmen ändern muss.
Das ist sehr positiv - egal ob das jetzt Angst-getrieben oder Chancen-motiviert ist. Hauptsache es geht was.
Vor noch nicht so langer Zeit…
Je höher man in der Hierarchiestufe steigt, desto strategischer werden die Gespräche und nicht selten erzählen mir Entscheidungsträger großspurig von ihren strategischen Ideen, wie sie den Markt umkrempeln und wie sie disruptive Modelle umsetzen werden. Dabei sind in ihren Unternehmen meist nicht mal die Basics der digitalen Maßnahmen umgesetzt. Aber alle wollen sie sein wie Steve Jobs oder eben Elon Musk. Ohne zu wissen was diese Leute mit ihren Unternehmen für ihre Unternehmen durchgemacht haben. Aber egal.
Demgegenüber stehen jene, welche sehr aktiv und erfolgreich Schritte in dieser Digitalen Transformation gemacht haben. Und gelernt haben: es ist sehr schwierig, in größeren Unternehmen selbst banale Projekte durch zu bringen. Glücklich können sich jene schätzen, welche Intrapreneure und Nonkonformisten einstellten, die mit viel Drive Projekte voranbringen.
Diese Führungskräfte sprechen meist nicht so hochtrabend von Disruption oder super-ambitionierten digitalen Projekten. Die Gründe dafür sind:sie haben sich damit schon einmal ein blaues Auge geholt und sie wissen, dass die Disruption einer Branche das eine ist, die Digitale Transformation des Unternehmens das andere. Und eben nicht dasselbe.
Adaption an Userverhalten
Es tut mir ja leid, dass ich schon wieder mein Erklärungsmodell zur Digitalen Transformation bemühen muss. Aber in der Digitalen Transformation geht es primär darum, die technologischen Mittel an das veränderte Kundenverhalten anzupassen.
Die Disruption hingegen löst ein bestehendes Kundenproblem auf eine komplett neue Art und Weise. Das kann digitale Komponenten beinhalten - und tut es im Moment auch oft - muss aber überhaupt nicht so sein. Über das Wesen der Disruption von Branchen habe ich hier schon einiges ausgeführt.
Erfolgreiche Digitale Transformation
Es gibt doch ein paar Unternehmen, welche die Digitale Transformation ganz gut hinkriegen. Bezeichnenderweise sind es eben gerade jene, welche sich in Punkto digital nicht so stark ins Scheinwerferlicht stellen. Wie zum Beispiel Ikea: Von der Planung bis zum Aftersales gibt es situativ viele digital gestützte Angebote welche dem aktuellen Userverhalten grösstenteils auch entsprechen.
Es liegt in der Natur der Sache, dass es eben nicht spektakuläre Dinge sind welche die Unternehmen weiterbringen, sondern jene alltäglich gewordenen Dinge, welche wir als Konsumenten eigentlich erwarten:
Produktdaten die stimmen
Informationen über Verfügbarkeit (auch im Detail)
Prozesse die Lean, einfach und kundenfreundlich auf dem Internet verfügbar sind.
Ist Ikea deshalb ein disruptiver Player? Wohl kaum.
Und doch war Ikea disruptiv: Ikea hat die Möbelbranche vor längerer Zeit umgebrochen, indem das Unternehmen ein Produkt geschaffen hat, das dem Kunden das Problem Möbel besser löste als die bestehende Branche.
Digital war damals noch gar nix.
Das eine hat mit dem anderen nur insofern zu tun, als dass der sich beschleunigende technologische Fortschritt neue disruptive Modelle in immer kürzeren Abständen ermöglicht. Der Anteil des Digitalen, in Sinne wie es heute gerade IN ist, ist dabei relativ klein.