Vogelgezwitscher statt Verkehrslärm

Die neue Landlust der IT-Kreativen

28.07.2011
Von 
ist freie Wirtschaftsjournalistin in London.
Die kreative Klasse will jetzt im Dorf arbeiten. So entstehen neue Spielarten der Community zwischen Landlust und LinkedIn.

Die Fallhöhe ist hoch: Fergus Wünschmann arbeitete in Wien, bevor es ihn als Geschäftsführer der Web-Agentur Riegg & Partner Intercorp. in die oberfränkische 4000-Seelen-Gemeinde Neudrossenfeld verschlug. Heute schwärmt der 47-Jährige vom Landleben: "Ohne die permanente Megaphonstimme der Stadt lebt es sich erdiger." Mit dem Abstand zur Großstadt könne er Trend und Hype besser einschätzen. "Das tut der kreativen Arbeit gut."

Wünschmann ist kein Einzelfall. Die kreative Klasse spürt, dass frische Ideen auch entstehen, wenn draußen statt der Straßenbahn der Traktor vorbeidonnert. Dass der Dorfplatz ein ebenso gutes Arbeitsumfeld bieten kann wie der Potsdamer Platz. Mindestens.

Sehnsucht nach der heilen Welt

Ruhe und frische Luft: Immer mehr IT-Kreative entdecken das Landleben für sich.
Ruhe und frische Luft: Immer mehr IT-Kreative entdecken das Landleben für sich.
Foto: Fotolia, Gerhard Wanzenböck

Vogelgezwitscher statt Verkehrslärm. Magazine wie "Landlust", "Liebes Land" und "Landleben" überschwemmen die Regale. Grenzenlose Sehnsucht nach der heilen Welt, auch im Business. Die IT-Agentur Brand`s Mill im Örtchen Lipperreihe am Teutoburger Wald verbindet zum Beispiel Landleben und Cloud Computing. Rund um das Büro laufen Schafe und Hühner herum, und der Chef telefoniert mit Kunden schon mal vom Rücken eines Pferdes aus. Andere Kreativschmieden werben stolz mit dem Land-Label. Jenko Sternberg Design in Apelnstedt hat sich im Internet unter www.dorfdesigner.eu eingerichtet. Das Gestaltungsbüro Provinzglück im hessischen Gladenbach beschreibt seine Arbeit als "Synthese aus Professionalität und sauberer Luft".

Fergus Wünschmann zog von Wien nach Neudrossenfeld: "Hier lebt es sich erdiger."
Fergus Wünschmann zog von Wien nach Neudrossenfeld: "Hier lebt es sich erdiger."
Foto: Privat

Agenturchef Wünschmann fühlt sich mit seinen Kundenterminen in diversen Städten als "Grenzgänger zwischen den Welten". Das halte ihn geistig jung. "In der Stadt lasse ich mich inspirieren, hier prüfe ich die Inspirationen auf Relevanz." Das Land biete dazu Platz ohne Ende und Luft zum Atmen.

Landlust und Laptop gelten nicht länger als Gegensätze. "Durch die neuen Kommunikationsmöglichkeiten verliert das Landleben den Fluch der Einöde", sagt Klaus Burmeister, Mit-Geschäftsführer von Z_punkt, einem Beratungsunternehmen für strategische Zukunftsfragen in Köln. "Der Blick, der die Großstadt als Nabel der Welt sieht, muss daher neu überdacht werden." Blackberry und iPhone funktionierten auch zwischen Brombeersträuchern.