Die Fallhöhe ist hoch: Fergus Wünschmann arbeitete in Wien, bevor es ihn als Geschäftsführer der Web-Agentur Riegg & Partner Intercorp. in die oberfränkische 4000-Seelen-Gemeinde Neudrossenfeld verschlug. Heute schwärmt der 47-Jährige vom Landleben: "Ohne die permanente Megaphonstimme der Stadt lebt es sich erdiger." Mit dem Abstand zur Großstadt könne er Trend und Hype besser einschätzen. "Das tut der kreativen Arbeit gut."
Wünschmann ist kein Einzelfall. Die kreative Klasse spürt, dass frische Ideen auch entstehen, wenn draußen statt der Straßenbahn der Traktor vorbeidonnert. Dass der Dorfplatz ein ebenso gutes Arbeitsumfeld bieten kann wie der Potsdamer Platz. Mindestens.
- Wie wollen wir in Zukunft arbeiten?
neue Antworten auf diese Frage suchten 28 Absolventen aus aller Welt in Berlin. Sechs Wochen lang dauerte der Workshop "Palomar 5". Foto: Palomar 5/ Carolin Seeliger - Sie haben Palomar 5 organisiert:
Philippa Pauen, Dominik Wind, Jonathan Imme, Hans Raffauf, Simon Wind, Mathias Holzmann (von links nach rechts) - 600 Menschen aus aller Welt haben sich beworben....
....28 Absolventen, die unter anderem an Eliteuniversitäten in Harvard, Oxford oder Princeton studierten, wurden schließlich nach Berlin eingeladen. Foto: Carolin Seeliger - Denken ohne Grenzen
Sechs Wochen lebten die Kreativen in einer alten Berliner Malzfabrik und entwarfen Konzepte für ein neues Arbeiten. Foto: Norbert Ittermann - Nur der Schlafplatz war begrenzt.
Jeder Teilnehmer musste sich in einer drei Quadratmeter großen Koje aus Spanbretter betten. Foto: Norbert Ittermann - Ansonsten boten die einstigen Fabrikräume...
viel Platz für die Suche nach Ideen. Foto: Norbert Ittermann - Teamarbeit ohne Grenzen...
...ist für die jungen Generation ganz wichtig. Im Workshop praktizierte sie sie auch täglich.Foto: Norbert Ittermann - Rückzugsorte...
...fanden sich natürlich trotzdem. Foto: Carolin Seeliger - Achtung Auftritt..
..hieß es beim Abschlussgipfel, als alle Teams ihre Ideen präsentierten. Darunter ein mobiles Holodeck für mehr Entspannung im Arbeitsalltag (The Egg). Foto: Carolin Seeliger - 300 Gäste aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Kultur.
..hörten sich die Ideen der jungen Wilden an, die anders arbeiten wollen. Ohne Hierarchien, ohne feste Arbeitszeiten und nicht in Konzernen. Foto: Carolin Seeliger
Sehnsucht nach der heilen Welt
Vogelgezwitscher statt Verkehrslärm. Magazine wie "Landlust", "Liebes Land" und "Landleben" überschwemmen die Regale. Grenzenlose Sehnsucht nach der heilen Welt, auch im Business. Die IT-Agentur Brand`s Mill im Örtchen Lipperreihe am Teutoburger Wald verbindet zum Beispiel Landleben und Cloud Computing. Rund um das Büro laufen Schafe und Hühner herum, und der Chef telefoniert mit Kunden schon mal vom Rücken eines Pferdes aus. Andere Kreativschmieden werben stolz mit dem Land-Label. Jenko Sternberg Design in Apelnstedt hat sich im Internet unter www.dorfdesigner.eu eingerichtet. Das Gestaltungsbüro Provinzglück im hessischen Gladenbach beschreibt seine Arbeit als "Synthese aus Professionalität und sauberer Luft".
Agenturchef Wünschmann fühlt sich mit seinen Kundenterminen in diversen Städten als "Grenzgänger zwischen den Welten". Das halte ihn geistig jung. "In der Stadt lasse ich mich inspirieren, hier prüfe ich die Inspirationen auf Relevanz." Das Land biete dazu Platz ohne Ende und Luft zum Atmen.
Landlust und Laptop gelten nicht länger als Gegensätze. "Durch die neuen Kommunikationsmöglichkeiten verliert das Landleben den Fluch der Einöde", sagt Klaus Burmeister, Mit-Geschäftsführer von Z_punkt, einem Beratungsunternehmen für strategische Zukunftsfragen in Köln. "Der Blick, der die Großstadt als Nabel der Welt sieht, muss daher neu überdacht werden." Blackberry und iPhone funktionierten auch zwischen Brombeersträuchern.