Vom Hype zum Mehrwert
Business-Verantwortliche wollen nicht mehr hören, dass sie ihr Geschäft digitalisieren müssen, wenn sie nicht „uberisiert“ werden wollen. Sie wollen jenseits des Hypes wissen, wie und wann sich Digitalisierung für sie lohnt und wie sie im Rahmen ihrer spezifischen Organisation und Branche aussehen kann. Um an dieser Stelle Transparenz zu erhalten, lohnt es sich, eine digitale Roadmap zu erstellen:
1. Welchen Mehrwert bietet Digitalisierung für Ihr Unternehmen?
Beginnen Sie mit einer gründlichen Analyse, inwiefern die digitale Revolution Ihre Branche verändert. Diese Studie sollte unabhängig von Externen erfolgen und nicht durch die Betriebsbrille Ihres Unternehmens. Konzentrieren Sie sich darauf zu untersuchen, wie Ihr Unternehmen einen Unterschied machen kann. Zum Beispiel: Wie lassen sich die Kosteneinsparungen, die Sie durch eine gut gemanagte digitale Lieferkette erzielen, in differenzierte Preismodelle umsetzen?
Vor allem marktführende Unternehmen müssen bei dieser Analyse sorgfältig vorgehen, da sie durch die Newcomer am Markt besonders häufig unter Druck geraten. Renommierte Autohersteller etwa wurden davon überrascht, dass quasi über Nacht Gebrauchtwagenplattformen auftauchten, auf denen sich jeder einfach und günstig darüber informieren kann, wie viel ein bestimmtes Modell am Markt wirklich kostet. Die kostbaren Daten über Automodelle, ihre Preise und ihre Kunden standen diesen Online-Anbietern plötzlich wesentlich umfangreicher zur Verfügung als den Fahrzeugherstellern selbst.
Strategische Analysen darüber, wie Digitalisierung das Angebot eines Unternehmens stärken, ergänzen oder schützen kann, sollte schließlich in die Definition konkreter Initiativen münden, die geschäftlichen Mehrwert erzeugen. Die Herausforderung dabei besteht darin, dass Sie sich durch disruptive Technologien neue Türen öffnen, bevor die alten sich schließen.
2. Investieren Sie vorsichtig
Hüten Sie sich davor, dem Digitalisierungs-Hype zu verfallen. Heutzutage zahlt es sich nicht mehr aus, einfach Neues aufzubauen und zu warten, bis sich der Erfolg von alleine einstellt. Stattdessen überprüfen Sie genau, welche der von Ihnen definierten Initiativen Gewinne am ehesten erhöhen und drohende Verluste am besten vermeiden können. Verwenden Sie dafür Ihre bestehenden Gewinn- und Verlustrechnungen oder erstellen Sie sie bei Bedarf neue. Da Ihre IT-Abteilung weiß, wie man Technologie designt und kauft, binden Sie sie ein, wenn es um das Design des Blueprint und der Plattform Ihrer Digitalisierung geht. Setzen Sie die Stufen der Digitalisierung so auf, dass Sie anhand kontrollierter Experimente am Markt kontinuierlich dazulernen.
3. Kaufen Sie digitale Fähigkeiten zu
Schnelles Verhalten am Markt ist im digitalen Zeitalter unabdingbar. Deshalb haben Sie nicht immer die Zeit, alle notwendigen digitalen Fähigkeiten selbst aufzubauen. Suchen Sie deshalb aktiv nach neuen Partnerschaften, um an solche Fähigkeiten zu gelangen – sei es nur vorübergehend oder langfristig. Geschwindigkeit ist eines der wichtigsten Elemente, wenn Sie Ihr „digitales Gewebe“ erstellen. Ihre Mitbewerber werden versuchen, Ihren Erfolg zu kopieren. Bleiben Sie ihnen immer einen Schritt voraus.
4. Wandel beginnt ganz oben
Wie jede einschneidende Transformation betrifft auch die Digitalisierung viele, wenn nicht sogar alle Bereiche Ihres Unternehmens. Deshalb muss das Top-Management den Weg für diese Transformation bereiten, muss Hürden beseitigen und Prioritäten setzen. Binden Sie die gesamte Organisation mit ein, damit die Sicht aller Beteiligten in das Lösungsdesign miteinfließen kann. Spezielle Transformationsteams sollten Empfehlungen aussprechen, welche Innovationen zugekauft werden, wie das Design der digitalen Plattform aussieht und wie die Kundenerfahrungen nahtlos von offline in online übergehen und umgekehrt. Der IT kommt dabei eine besondere Führungsrolle zu. Der CEO von Burberry, einem britischen Hersteller von Luxusartikeln, hat die Rolle seines CIO in die eines CTO überführt und ihm mit auf den Weg gegeben: Setzen Sie sich von den hinteren Sitzen, wo sich die IT normalerweise befindet, ganz nach vorne in den Bus.
- Aufruf zum Change
Die Hochschule St. Gallen und der BVDW haben typische Fehler bei der Digitalisierung analysiert. Change-Management-Expertin Claudia Schmidt gibt Tipps, wie man es besser macht. - Projekte nicht isoliert betrachen
Viele Unternehmen organisieren die digitale Transformation in isolierten Einzel-Projekten, etwa im Marketing, im Vertrieb oder als reines IT-Projekt. Das ist zu kurz gedacht, mahnen die Studienautoren. Es sei wichtig, die Zusammenhänge zwischen den Projekten aufzuzeigen und die Auswirkungen der Projekte auf das Unternehmen darzustellen. Schmidt plädiert dafür, Projekte immer als Teilabschnitt auf dem Weg zu einem zukunftsfähigen - also digitalisierten - Unternehmen zu sehen. - Teamstrukturen aufbrechen
Je unterschiedlicher die Teammitglieder sind, die gemeinsam an einem Projekt arbeiten, umso höher die Innovationsfähigkeit des gesamten Teams. Dieser These stimmen die Uni St. Gallen und der BVDW zu. Unternehmen müssen die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Abteilungen fördern. Auch Expertin Schmidt sagt, dass Projekte immer das gesamte Unternehmen beeinflussen: "Die Wirkung und die Bewegung, die sie erzeugen, gilt es zu verstehen, zu nutzen und für die Organisation und die Menschen nutzbar zu machen." - Das mittlere Management mitnehmen
Die Geschäftsleitung will Digitalisierung, die Mitarbeiter am Kunden und in der Praxis könnten Ideen liefern - wenn nicht das mittlere Management dazwischen stünde. Für Beraterin Schmidt geht es dabei um das Thema Flexibilität. Die Digitalisierung verlange von Unternehmen eine Überprüfung von Kultur und Führung: "Damit das mittlere Management sich bewegen kann, braucht es ein neues Verständnis von seiner Rolle und davon, wie sich seine Spielräume und Verantwortung verändern." - Claudia Schmidt, Mutaree
Schmidt erklärt: "Sind erst digitale Prinzipien erfolgreich verankert in Führung und Arbeitskultur, wird parallel die Anpassungsfähigkeit steigen. Soll der ROI erreicht werden, muss gewährleistet sein, dass die Menschen die Veränderung verstehen, sie dabei befähigt werden, diese umzusetzen und sich aktiv einbringen können."