Wenn Unternehmen die wahren Chancen nutzen wollen, die eine Technologie für sie bereit hält, reicht es nicht herauszufinden, welche digitalen Technologien es gibt und was sie leisten. Vielmehr gilt es zu fragen: Wie können wir den Fortschritt der Technik nutzen, um einen nachhaltigen und marktverändernden Mehrwert zu erzielen? Und: Wie lässt sich ein digitales Gewebe erzeugen, das Kunden, Mitarbeiter, Partner und Lieferanten miteinander verbindet?
Ein Blick auf den Digitalisierungs-Markt zeigt einige interessante Trends und Muster. Oft haben paradoxerweise gerade jene Entwicklungen die größte disruptive Kraft, über die am wenigsten gesprochen wird, die aber das höchste Maß digitalen Denkens aufweisen. So zeigte erst kürzlich General Electrics, wie es die Geschäfts- und Betriebsdaten des aufgekauften Energiegeschäfts von Alstom integrierte – inklusive der Daten über rund 67.000 Mitarbeiter. Die Analyse dieses gigantischen Transformationsprojekts sagt mehr über den Nutzen von Digitalisierung aus, als der Hype, der um viele mobile oder Cloud-Lösungen gemacht wird.
Wie Technologie Mehrwert schafft
Sogar in Zeiten technologischer Umbrüche ändern sich einige Grundregeln nicht. Jedes Unternehmen schafft Mehrwert an der Schnittstelle von vier Gruppen: Kunden, Mitarbeiter, Partner und Lieferanten. Auch wenn neue Technologien auf dem Vormarsch sind, bleiben diese Gruppen doch dieselben, werden durch die neuen Technologien jedoch immer enger miteinander vernetzt. Da dadurch die Verbindungen zwischen den Beteiligten zahlreicher und tiefer werden, ergeben sich für das Unternehmen auch zusätzliche Wachstumschancen.
Digital erfolgte Kundenerfahrungen bieten Unternehmen zusätzliche Möglichkeiten, ihre bereits bestehenden Kundenbeziehungen zu verbessern und neue hinzuzugewinnen. Unternehmen wie Amazon gestalten den Kundenkontakt ohne Brüche. Der Anbieter hat sich eine unangefochtene Reputation als Händler erworben, der ein einfaches Online-Shopping-Erlebnis ermöglicht, das zudem beim Kauf in eine schnelle Lieferung mündet – zum Teil noch am selben Tag. Diese Ende-zu-Ende-Orchestrierung hat andere Unternehmen dazu gezwungen darüber nachzudenken, wie solch nahtlosen Online-Offline-Prozesse auch ihrem eigenen Geschäft zusätzlichen Schub verleihen können. Insofern nutzt Amazon die Digitalisierung um den Markt zu dominieren, die Transformationen im Einzelhandel anzuführen und dadurch seine Marke zu stärken.
Andere Unternehmen verschaffen sich Marktvorteile, indem sie die digital erfolgten Kundenerlebnisse im Rahmen von Datenanalyse oder Big Data untersuchen. So hat zum Beispiel der US-Einzelhandelsriese Target erfolgreich Einkaufsgewohnheiten analysiert und die Ergebnisse dazu genutzt, seinen Vertrieb zu stärken. Das Wachstum von 44 Milliarden US-Dollar Umsatz im Jahr 2002 auf 67 Milliarden im Jahr 2010 geht vor allem auf das Konto akribischer Datenanalysen.
Was macht unser Geschäft eigentlich aus?
Neue Technologien und die mit ihnen verbundenen Möglichkeiten führen dazu, dass sich Unternehmen zum Teil merkwürdige Fragen stellen müssen, wie zum Beispiel: In welchem Business sind wir eigentlich genau tätig? Da analoge Produkte und Dienstleistungen sich durch digitale Ergänzungen weiterentwickeln, müssen Unternehmen, die bislang komfortable Marktnischen besetzt haben, sich plötzlich völlig neu positionieren.
Andere proben den Angriff nach vorne und versuchen, sich an die Spitze neuer Trends zu setzen. Ein Beispiel sind die Produzenten von Bauteilen für Telekommunikationsnetze. Viele nutzen Network Function Virtualization (NFV) und Software Defined Networking (SDN), um ihre traditionellen Hardware-Produkte durch Software-Lösungen zu ersetzen. Diese neuen Software-Komponenten lassen sich einfach fernsteuern und von einer Zentrale aus beliebig oft mit Updates versehen. Zudem senden sie Messwerte und Kennzahlen des Netzwerkbetriebs an den Hersteller. Dies eröffnet eine völlig neue Welt an zusätzlichen Geschäftsmodellen, die dazu geführt hat, dass die europäische Netzwerkeindustrie mehrere Initiativen wie zum Beispiel FP7 UNIFY ins Leben gerufen hat, die neue Standards für die Zukunft der Telekommunikation setzen.
Der zunehmende Trend, Hardware durch Software zu ersetzen, führt zu riesigen Chancen, aber auch zu riesigen Gefahren. Da Produkte nun als as a service verkauft und dadurch ohne Zeitverzögerung aktiviert und eingesetzt werden können, müssen Unternehmen schnell entscheiden, ob sie weiterhin analoge Produkte verkaufen oder Preismodelle auf Abonnement-Basis anbieten wollen.
In anderen Fällen machen digitale Lösungen klassische Produkte für Anwender nützlicher. Withings, ein Anbieter von Gesundheits- und Lifestyle-Technologie, hat zum Beispiel das Display seiner Blutdruckmessgeräte entfernt, weil eine mobile App diese Funktion viel umfangreicher und einfacher erfüllt und zudem automatische Updates an Krankenhäuser versenden kann. Indem das Display wegfiel, konnte Withings das Messgerät leichter und günstiger anbieten und mithilfe der App dazu noch standortbasierte Funktionen anbieten, die es vorher nicht gab.
- Pizza kommt per #EasyOrder
Seit Mai 2015 können Domino's-Kunden die Lieferung ihrer Lieblingspizza per Twitter veranlassen – dazu posten sie ein "Pizza-Emoji" an @Dominos oder nutzen den Hashtag #EasyOrder. Mehr als jeder zweite Pizzafan nutzt das bereits. - "Blinde Vorbestellung" bei Taco Bell
Die amerikanische Fast-Food-Kette Taco Bell startete im vergangenen Februar die "blinde Vorbestellaktion" eines neuen Produkts. Um was es sich handelte, blieb geheim – sicher war nur, dass es sich online vorbestellen ließ und dann am 6. Februar zwischen 14 und 16 Uhr im lokalen Restaurant abgeholt werden konnte. Die Taco-Bell-Jünger kamen in Scharen. - Edeka-Video #HeimKommen
Das weihnachtliche Werbevideo der Supermarktkette Edeka berührte im vergangenen Winter viele Hunderttausende Zuschauer. - Niveas zweite Haut
Auch dieser Weihnachtsclip aus 2015 ging viral: Kosmetik-Hersteller Niva stellte sein "Second Skin Project" vor und erreichte deutlich sechsstellige Abrufzahlen. - Snapchat-Kampagne zur Oscar-Verleihung
PricewaterhouseCoopers (PwC) kümmert sich seit 82 Jahren um die Auszählung der Stimmen für die Academy Awards, im Volksmund auch Oscar-Verleihung genannt. Für die 2016er-Ausgabe startete PwC eine Snapchat-Story rund um die berühmten goldenen Umschlägen mit den Oscar-Gewinnern. Viele neue Fans und ein Shorty Award waren der Lohn. - Lustige Sprüche frei Haus
"Unsere Klingen sind so gut, dass du sie einen ganzen Monat lang benutzen kannst" - das Start-up Dollar Shave Club verschickt unter diesem Claim im Monatsabo Rasierer und Rasierklingen per Post. Die zugehörige Marketing-Kampagne mit Bildern abgewetzter Klingen und lustigen Sprüchen sorgte für eine große Aufmerksamkeit im Social Web. - Für eine Handvoll Dollar
Black Friday als Konsum-Höhepunkt des Jahres? Der Partyspiel-Anbieter "Cards Against Humanity" machte da im vergangenen Jahr nicht länger mit. Er nahm seinen Shop einen Tag lang vom Netz und bot den Kunden stattdessen "nichts" für fünf Dollar an. Die dankten es ihm und zahlten - es kamen über 71.000 Dollar zusammen. - Luxus bei Snapchat
Das britische Modelabel Burberry war im April 2016 die erste Luxusmarke, die eine native Snapchat-Werbeanzeige buchte. 24 Stunden lang wurde ein neues Parfum beworben - mit exklusiven Videos, darunter dem Kurzfilm "Mr. Burberry" des Oscar-prämierten Regisseurs Steve McQueen, der binnen eines Monats bei Youtube fast 370.000 Mal aufgerufen wurde. - "Deadpool" – ein durchschlagender Erfolg
Das Antihelden-Epos "Deadpool" verhalf 20th Century Fox zu neuen Social-Web-HöhenflügeN: Die fast 500.000 Follower des @deadpoolmovie-Twitter-Kanals, der fast ein Jahr (!) vor dem Kinostart mit einem mehr als 55.000 Mal retweeteten Posting gestartet ist, die vielen prominenten Fans der Comicreihe und der im Social Web ebenfalls sehr aktive Hauptdarsteller Ryan Reynolds ließen die Grenzen zwischen PR und purer Fan-Vorfreude verschwimmen. - Verkaufen per Pinterest
Nach dem "127 Corridor Sale" im vergangenen Jahr bot der Spraydosen- und Farbenverkäufer Krylon dort erworbene und aufgehübschte Waren online via Pinterest Buyable Pins zum Verkauf an - als erster Anbieter überhaupt. Neben den erzielten Einnahmeen, die kmplett gespendet wurden, erfuhr Krylon für die Aktion eine mediale Aufmerksamkeit, die das Unternehmen ein Vielfaches von dem gekostet hätte, wäre sie auf klassischem Wege per Werbeanzeige zustande gekommen.
Sogar Unternehmen ohne digitale Produkte finden sich im digitalen Business wieder. So hat Social Media den Einzelhandel einschneidend verändert, weil kleinen unbekannten Anbietern nun Massenplattformen offen stehen, auf denen sie großen, etablierten Marken Kunden abspenstig machen können.
Der Brillenhändler Warby Parker etwa etablierte sich dank Social Media auf den Online-Märkten, indem er Facebook als Kundenservice-Kanal nutzte. Dort berichtete er über populäre Lifestyle-Themen und Events, um die eigene Marke aufzubauen und bekannt zu machen. Dank der Unmittelbarkeit von Social Media können auch Unternehmen, von denen zuvor noch nie zuvor jemand gehört hat, auf den Zug populärer Trendthemen aufspringen und dadurch die eigene Marke entsprechend aufladen. Hinzu kommt: Dieser schnelle und virale Trends nutzende Markenaufbau kostet nur einen Bruchteil traditioneller Kampagnen.