"Wir brauchen eine App!" oder "Hauptsache, wir richten erst einmal ein Innovationszentrum ein": Damit ist für viele Unternehmen das Thema Digitalisierung erledigt. Doch wer so denkt, übersieht einen wesentlichen Aspekt der digitalen Transformation. Unternehmen müssen sich vielmehr folgende Frage stellen: Wie können sie im digitalen Zeitalter neue Wege finden, um ihre Kunden genau so zu betreuen, wie die sich das wünschen? Und wie können sie ihre Mitarbeiter auf diesem Weg mitnehmen?
Dass an einem echten digitalen Wandel kein Weg vorbeiführt, haben Mittelständler längst erkannt: 42 Prozent der mittelständischen Unternehmen haben laut dem Digitalisierungsindex der Deutschen Telekom das Thema Digitalisierung fest in ihrer Geschäftsstrategie verankert. Das Bewusstsein für die Bedeutung der Digitalisierung ist innerhalb eines Jahres stark gewachsen, so die Studie.
Digitalisierung - nicht nur eine Frage der Technik
In der Praxis schaffen es viele Unternehmen jedoch nicht, mit den Veränderungen Schritt zu halten, die sich durch den digitalen Wandel ergeben. Zu diesem Ergebnis kommen nahezu alle Studien von Marktforschern und Beratungshäusern. Ein Kardinalfehler besteht demnach darin, dass Geschäftsführung und Entscheider das "Problem Digitalisierung" einfach zu einer Frage der Technik umdefinieren und an die IT-Abteilung wegdelegieren.
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Diese Einstellung findet sich besonders stark im Mittelstand. Fast 58 Prozent der mittelständischen Unternehmen in Deutschland betrachten demnach technische Aspekte und die IT-Infrastruktur als größte Herausforderung im Rahmen der Digitalisierung. Das ergab eine Befragung der Managementberatung Vivaldi. Auf welche Weise und mit welchen neuen Angeboten sie die geänderten Bedürfnisse von Kunden erfüllen können, ist nur für neun Prozent der Mittelständler relevant. Und lediglich jeder Fünfte sieht im Rahmen von Digitalisierungsprojekten bei der Unternehmenskultur und der internen Organisationsstruktur Handlungsbedarf.
Das ist eine gravierende Fehleinschätzung, stellt das Beratungshaus Capgemini in mehreren Studien zu den Themen Digitalisierung, Change-Management und Innovation fest: "Wenn die Digitalisierung die Unternehmen auf eine höhere Stufe der Wertschöpfung bringen soll, ist Technik nur die notwendige Voraussetzung", so die Experten. Und sie räumen gleichzeitig mit einer weiteren Fehleinschätzung auf: Ein Innovationszentrum alleine macht noch lange nicht kreativ und innovativ. Denn so gut wie kein Unternehmen, das ein solches Center betreibt, schaffte es laut Capgemini bislang, Innovationsprozesse komplett umzusetzen - von der Idee für ein neues digitales Angebot über dessen Entwicklung bis hin zur Vermarktung und der Schaffung eines entsprechenden Ökosystems.
Die Kultur muss stimmen
Doch woran liegt es, wenn in dem einen Unternehmen Digitalisierungsvorhaben versanden, während sie anderswo mit Erfolg umgesetzt werden? Vereinfacht gesagt: Die Köpfe machen den Unterschied. Das belegt unter anderem eine Studie des SAP Center for Business Insight in Zusammenarbeit mit Oxford Economics. Demnach ist es für den Erfolg der digitalen Transformation unverzichtbar, ein Digital Mindset im Unternehmen zu entwickeln. Dazu gehört eine Unternehmenskultur, die Digitalisierung als Chance und Notwendigkeit betrachtet, nicht als Modephänomen oder gar als Arbeitsplatz-Vernichter.
Ein Digital Mindset zeichnet sich durch Offenheit und Neugier sowie ein ausgeprägtes Interesse an aktuellen Technologien, Führungsmodellen und Vorgehensweisen aus. Ein zentraler Punkt ist, eine Unternehmenskultur zu schaffen, die Querdenken fördert. Mitarbeiter in allen Abteilungen müssen darin bestärkt werden, den Status Quo in Frage zu stellen und Neues auszuprobieren. Auch etablierte Abläufe, Geschäftsmodelle, Prozesse und Vertriebsstrategien müssen auf den Prüfstand gestellt werden - und das nicht nur einmal, sondern immer wieder. Argumente wie "Das haben wir schon immer so gemacht" müssen der Vergangenheit angehören.
Wie eine erfolgreiche, ganzheitliche Geschäftstransformation aussehen kann zeigt das Beispiel der WEIG-Unternehmensgruppe. Dem inhabergeführte Anbieter von Recycling-Dienstleistungen und Verpackungen aus Mayen bei Koblenz war klar, dass er sich früher oder später wandeln muss, um in Zeiten der digitalen Transformation wettbewerbsfähig zu bleiben. Innerhalb kürzester Zeit veränderte WEIG seine strategische Ausrichtung und vollzog den Wandel von einer produktgetriebenen zu einer nachfragegetriebenen Firma. Ausschlaggebend war dabei, dass der Mittelständler seine IT nicht als reinen Erfüllungsgehilfen sieht. Neue Technologien sollten stattdessen Prozesstreiber im Unternehmen sein und so neue Chancen erschließen.
Kalkulierte Risiken eingehen
Wichtig ist zudem, dass Geschäftsführung und Abteilungsleiter einen Kulturwandel forcieren. Denn in der Praxis zeigt sich immer wieder, dass Führungskräfte zu einer Politik der Risikovermeidung neigen und auf ein "Weiter so!" setzen. Natürlich ist niemandem damit gedient, wenn ein Unternehmen durch riskante Digitalisierungsmanöver in eine Schieflage gerät. Ein gangbarer Weg ist, kalkulierte Risiken einzugehen, um die Tragfähigkeit neuer Digitalisierungsoptionen auszuloten. Dabei können Digital Labs oder Innovationszentren eine wichtige Rolle spielen. Das funktioniert aber nur dann, wenn deren Ideen auch in der Praxis zum Einsatz kommen.
Ein weiteres Kennzeichen von Unternehmen, deren Mitarbeiter über ein Digital Mindset verfügen: Alle Kollegen sind Teil der digitalen Reise. Und sie sind vielleicht sogar schon weiter, als man ihnen oftmals zutraut: 71 Prozent der Mitarbeiter eignen sich laut einer Befragung des SAP-Partners Accenture proaktiv neue digitale Tools und Fähigkeiten an, um fit für die Anforderungen der Digitalisierung zu werden. Unternehmen mit einem Digital Mindset fördern das Engagement ihrer Mitarbeiter und schöpfen ihr Potential gleichzeitig voll aus.