CeBIT-Eröffnungsgala

Deutschland und China - ziemlich beste Freunde

16.03.2015
Von  und
Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Die CeBIT 2015 kann beginnen. Jede Menge Prominenz fand sich am gestrigen Sonntagabend im Congress Center zu Hannover ein, um das größte Spektakel der ITK-Welt zu eröffnen. China ist das Partnerland - Freund und Konkurrent der deutschen Wirtschaft zugleich.

Mit China und Deutschland treffen in diesem Jahr zwei Nationen auf der internationalen CeBIT-Bühne aufeinander, die vor allem ihre Partnerschaft betonten - das Reich der Mitte ist schließlich das Partnerland der CeBIT. Doch auch der Wettbewerb, der sich zwischen den beiden großen Wirtschaftsmächten immer mehr zuspitzt, war zum Auftakt der weltweit größten IT-Messe deutlich zu spüren.

Der chinesische Premierminister Li Kequiang, der wegen des laufenden Parteitags der kommunistischen Partei in Peking der Einladung zur CeBIT-Eröffnung nicht folgen konnte, lobte in einer Videobotschaft zur Eröffnungsfeier Deutschland als stärkste europäische Industrienation sowie deren Initiativen rund um Digitalisierung und Industrie 4.0. Deutschlands Engagement habe einen großen Wert - auch für China. Im gleichen Atemzug verwies der chinesische Premierminister aber auch auf die eigenen Anstrengungen hinsichtlich "Made in China 2025". Das ist das Motto für den Ausbau der chinesischen Fertigungsindustrie in den kommenden zehn Jahren.

Komplementär zu Industrie 4.0

Die Worte Konkurrenz und Wettbewerb wollte Li Kequiang nicht in den Mund nehmen. Vielmehr sprach er von einem großen Potenzial in der Zusammenarbeit zwischen Deutschland und China. Sein Land wolle sich komplementär zu den Industrie-4.0-Bestrebungen aufstellen. Das CeBIT-Motto d!conomy stehe für das deutsch-chinesische Innovationsjahr 2015. Man wolle eine Straße für den gemeinsamen künftigen Erfolg bauen. Bundeskanzlerin Angela Merkel, die auch in diesem Jahr die CeBIT eröffnete, sagte indes ganz deutlich: "Wir wissen, dass wir mit China im Wettbewerb stehen." Die Konkurrenz sei groß und international, eben auch aus China. Man schätze das Land jedoch als Handels- und Entwicklungspartner für neue Technologien. Auch Merkel verwies auf 2015 als Jahr der Innovationspartnerschaft. China auf der CeBIT sei darin ein wesentlicher Baustein.

Bange ist der Kanzlerin vor der Konkurrenz aus Fernost jedoch nicht. Wettbewerb belebe schließlich das Geschäft. Merkels Rede zur CeBIT-Eröffnung machte deutlich, dass sich die Politik der anstehenden Veränderungen bewusst ist. "Digitale Techniken revolutionieren Industrien", konstatierte die Kanzlerin. Die digitale Vernetzung der Industrieproduktion biete unendliche neue Möglichkeiten. Viele deutsche Unternehmen hätten an dieser Stelle Erstaunliches vorzuweisen.

Merkel zeigte sich zuversichtlich, dass Deutschland seine hohe Industriekompetenz in die digitale Ära fortentwickeln könne. Auch die Politik sieht sie dabei in der Pflicht. Deren Aufgabe sei es, Hindernisse so weit wie möglich zu beseitigen und passende rechtliche Grundlagen zu schaffen. Merkel sprach an dieser Stelle explizit den Schutz von Patenten und geistigem Eigentum an. Es gehe um Berechenbarkeit und Verlässlichkeit: "Wir würden uns freuen, wenn die Verhandlungen zum Schutz geistigen Eigentums vorankämen."

Ma Kai, Vizepremier von China, ging auf diesen Aspekt in seiner Keynote zur CeBIT-Eröffnung ein und bot vier Punkte für eine intensivere Zusammenarbeit an. Es gehe um Mut zu Wandel und Innovation. China sei bereit, den Austausch rund um Themen wie das Internet of Things (IoT), Cloud und Big Data zu intensivieren. Außerdem liege China das Wohlergehen der Branche am Herzen. Hier entständen neue Arbeitsplätze. Es sei wichtig, den Schutz des geistigen Eigentums weiter zu stärken. Nachhaltige und gesunde Weiterentwicklung der Informations- und Kommunikationstechnik sei das Ziel. Kai sprach sich außerdem für eine politische und rechtliche Harmonisierung im Handel und für einen globalen Markt aus. Schlussendlich müsse man die Anstrengungen für die Informationssicherheit verstärken. Das sei eine gemeinsame Aufgabe aller Länder, die hier Hand in Hand arbeiten sollten. Es gehe um ein internationales Regelwerk, um gemeinsam Gefahren bekämpfen zu können.

China wächst am schnellsten

China und Deutschland gehörten zu den wichtigsten Volkswirtschaften in ihren Regionen, sagte Kai. Die beiden Länder ergänzten sich. Die Wirtschaftsstruktur in China habe sich verändert - ITK habe dazu viel beigetragen. China sei der am schnellsten wachsende Markt der Welt, sagte der chinesische Politiker und verwies auf renommierte Unternehmen wie Huawei, ZTE, Baidu und Alibaba.

Jack Ma, Gründer und CEO von Alibaba, sagte zum CeBIT-Auftakt, dies sei sein dritter Anlauf in Hannover. Vor 14 und vor acht Jahren habe er noch relativ wenig Beachtung bei seinen Auftritten erfahren. Das ist in diesem Jahr anders. Der chinesische Internet- und E-Commerce-Riese hat im vergangenen Jahr den größten Internet-Börsengang aller Zeiten aufs Parkett gelegt. Ma zeigte sich dennoch vorsichtig: Kaum eine Net-Company überlebe drei Jahre. Das müsse sich ändern. Die Branche müsse so langlebig werden wie Siemens oder Daimler-Benz. Erst dann könne man von einer erfolgreichen Industrie sprechen.

Ma verwies auf die hohe Geschwindigkeit, in der sich alles verändere. Grundlage dafür seien Daten. Der Treibstoff für die Maschinen der Zukunft sei nicht Öl oder Energie, sondern Daten. Im Online-Handel werde es kein Business-to-Consumer-(B2C-), sondern nur noch ein Consumer-to-Business-(C2B-)Geschäft geben. Ohne die Daten der Kunden sei E-Commerce zum Scheitern verurteilt.

Ma geht außerdem davon aus, dass es in Zukunft mehr weibliche Führungskräfte geben wird: Sie brächten mehr Weisheit und Gefühl für das Business mit. Aus Sicht des chinesischen Firmengründers ist es nicht die Technik, die die Welt verändert, sondern die Träume und Ideen, die dahinterstecken.

Mit großen Veränderungen rechnet auch Bitkom-Präsident Dieter Kempf. In der Wirtschaft werde kein Stein auf dem anderen bleiben, beschrieb er die Auswirkungen der Digitalisierung: "Die digitale Revolution findet nicht nur im Großen statt, sondern auch beim Händler und Handwerker an der Ecke."

Kempf mahnte einen verantwortungsvollen Umgang mit der Digitalisierung an. Die Grenzen der verschiedenen Lebensbereiche seien oft nicht mehr zu erkennen. Kunden würden zu "Prosumern", die private Küche zum Home Office. "Die Choreografie des Lebens wird komplett durcheinandergewürfelt", sagte der Verbandspräsident. "Dabei müssen wir die Menschen besser mitnehmen."

Bedenken vieler Unternehmen, den Herausforderungen dieser Digitalisierung nicht gewachsen zu sein, teilt der Verbandssprecher nicht. "In der d!conomy steckt nichts, vor dem wir uns fürchten müssen", betonte Kempf. (hv/ba)