Der Anteil der Unternehmen, die bereits "S/4HANA" einsetzen, stagniert. Das hat die aktuelle Investitionsumfrage der SAP-Usergroup DSAG ergeben. Demzufolge arbeiten aktuell drei Prozent der 244 in der DACH-Region befragten SAP-Nutzer mit dem neuen ERP-Paket aus Walldorf. Vor einem Jahr lag der Anteil ebenfalls bei drei Prozent, 2017 waren es zwei Prozent. Betrachtet man den Anteil der SAP-Anwenderunternehmen, die im Rahmen der Umfrage angaben, 2019 auf S/4HANA umsteigen zu wollen, wird deutlich, dass der Wechsel in vielen Betrieben nicht so vorankommt, wie ursprünglich geplant.
Fünf Prozent der Befragten gaben zu Protokoll, noch in diesem Jahr auf S/4HANA wechseln zu wollen. Auch im vergangenen waren es fünf Prozent, die diese Absicht äußerten. "Wir müssten eigentlich bei acht Prozent sein, die S/4HANA bereits verwenden", rechnete Marco Lenck, Vorstandsvorsitzender der DSAG, vor. "Die Rate derer, die Projekte realisiert haben, stockt." Das könnte aus Sicht der Anwendervertretung auch daran liegen, dass Firmen aktuell Projekte initiieren, die länger dauern als geplant, oder auf "Brownfield-Implementierungen" setzen, bei denen der Komplettumzug von einem System ins andere komplex ist. Oft werde aber auch der Aufwand zunächst falsch eingeschätzt, hieß es. Die Umsetzung verlaufe nicht so schnell wie erwartet. "Die Projekte sind komplexer und sie ziehen sich hin", konstatierte Lenck.
Lesen Sie Mehr zum Thema ERP:
Die SAP-Verantwortlichen selbst beziffern die Zahl der S/4HANA-Kunden in ihrem aktuellen Corporate Fact Sheet auf 10.500. Diese Zahl bezieht sich auf das vierte Quartal 2018. Das entspricht einem Anteil von 2,5 Prozent an der Gesamtklientel der Walldorfer (425.000).
Auch wenn die Kunden noch nicht so recht vom Fleck kommen, scheinen die meisten doch einen Plan, wenigstens aber eine Meinung zu einem Softwareumzug zu haben. 39 Prozent wollen in den kommenden drei Jahren wechseln (plus sechs Prozentpunkte gegenüber 2018). Weitere 30 Prozent nach diesem Zeitraum (plus zehn Prozentpunkte). 16 Prozent der befragten Anwender haben sich dagegen noch nicht entschieden, das sind neun Prozentpunkte weniger als noch vor einem Jahr. Sechs Prozent wollen an der Business Suite festhalten. Im vergangenen Jahr waren es noch 13 Prozent.
Auch wenn diese Zahlen belegen, dass die Bedeutung von S/4HANA weiter zunimmt, bleibt die Business Suite nach wie vor für viele Anwender relevant, so die DSAG-Vertreter. Zwar sinken die Investitionen in diese Lösung - nurmehr jeder zehnte befragte SAP-Anwender identifizierte die Business Suite als Investitionsschwerpunkt, vor zwei Jahren war es noch ein Drittel. Laut DSAG liegt das aber vor allem daran, dass die Business Suite in vielen Unternehmen ausgereift sei.
Die Anwender warnen SAP davor, ihre Entwicklungsanstrengungen rund um die Altsoftware zu reduzieren. "SAP-Kunden, die mit der Umstellungsgeschwindigkeit nicht mithalten können, dürfen nicht abgehängt werden, etwa durch eine deutliche funktionale Ausdünnung der Business Suite", so DSAG-Chef Lenck. "Es wird noch eine lange Übergangszeit geben, in der beide Lösungen zum Einsatz kommen." Nutzer der Business Suite könnten im Rahmen ihrer Supportgebühren erwarten, dass SAP die Lösung weiter unterstütze und aktuell halte. Gerade was das Einpflegen von gesetzlichen Veränderungen betrifft, auch international, hake es manchmal an der einen oder anderen Stelle, merkten die DSAG-Vertreter an.
Die Hochschule Koblenz arbeitet an einer Positionsbestimmung S/4HANA - hier gehts zur Umfrage
Lenck verwies zudem darauf, dass SAP die Wartung der Business Suite bis mindestens zum Jahr 2025 zugesagt habe. Was danach passiere, darüber gebe es noch keine Aussagen seitens des Softwareherstellers. Der DSAG-Chef ließ jedoch keinen Zweifel daran, dass er für die Business Suite Wartungsbedarf über das Jahr 2025 hinaus sieht.
Digitalisierung gerät ins Stocken
Auch an anderer Stelle identifiziert der Anwenderverein Verbesserungsbedarf. Gerade im Zusammenspiel der Business Suite mit den neuen SAP-Lösungen wie S/4HANA und den Cloud-Angeboten gebe es noch Luft nach oben. Lenck nennt Punkte wie Stammdaten-Harmonisierung sowie -Austausch zwischen den Softwarewelten. Hier gebe es Defizite in den Schnittstellen zwischen alten und neuen SAP-Systemen.
Auffällig ist, dass der zögerliche S/4HANA-Umstieg bei den Anwendern sich in einer negativen Einschätzung des bisherigen Digitalisierungserfolgs widerspiegelt. Aktuell bewerten 62 Prozent ihren Digitalisierungsstatus mit "nicht weit". Im Vergleich zum Investitionsreport 2018 bedeutet dies eine Verschlechterung um zehn Prozentpunkte. Eine Erklärung dafür ist aus Sicht der DSAG, dass die Unternehmen ihre Ausgangssituation heute besser analysiert hätten und nun genauer wüssten, welche Projekte sie in diesem Zusammenhang zu stemmen haben und wie komplex diese sind. "Das ist ein hartes Stück Arbeit", sagte Lenck.
"Die Themen lassen sich heute besser greifen und damit auch, welche organisatorischen oder technischen Brocken bei den Digitalisierungsvorhaben noch vor den Unternehmen liegen", merkt der DSAG-Chef weiter an. Als Anwendervertretung wolle man hier künftig mehr Hilfestellungen geben in Form von Wissensvermittlung und Erfahrungsaustausch. "Wir wollen aber auch auf SAP Einfluss nehmen, damit geeignete Lösungen geschaffen werden", sagte Lenck und machte in diesem Zusammenhang auf ein Kostenproblem aufmerksam.