Notwendig: Follower, Besser: Pacemaker
Eine mobil-optimierte Webseite stellt heute längst kein Alleinstellungsmerkmal mehr dar. Vor einigen Jahren galt es zwar noch als Indikator für Innovation und Wettbewerbsstärke. Heute ist eine mobile Webseite im Regelfall bereits notwendig, um überhaupt mit dem Wettbewerb mithalten zu können. Diejenigen, die die User Experience in den Vordergrund ihrer Marketing-Strategie rücken, werden denjenigen davonziehen, die sich trotz aller Warnungen nicht nach vorne orientieren.
Folglich ist es mittlerweile bereits Mindestvoraussetzung, die Mobile Web Experience in die Marketing-Strategie aufzunehmen und mit den geeigneten Partnern und Ressourcen auch umzusetzen.
- Klare Anweisungen
Der Visiten- und Postkartendruckdienst Moo.com macht es so: Ein kurzer, klarer Text in einer Spalte und unten die Aufforderung zum Handeln. - Weniger ist mehr
Drei Produkt-Highlights und Kontakt bilden die komplette Navigation: Der Heimautomatisierungs-Spezialist Basalte lebt sein Motto "Weniger ist mehr" auch in der simplen, wie übersichtlichen Navigation seiner Homepage. - Visueller "Klickzwang"
Weniger ist mehr: Auch der Online-Dienst "If this then that" setzt auf spartanisches Layout. - Suchfunktion
Beim Rad-Shop Brügelmann gibt es auf den ersten Blick eine simple, gewöhnliche Suchfunktion. Die Feinheiten werden dann auf der Ergebnisseite rechts angeboten: Der User kann die vielen Produkte nach Preis, Farbe und anderen Parametern wie Rahmenhöhe nachträglich einschränken. Ein Klick reicht und die Liste wird damit "verkürz". - What you want is what you get
Einen Kalender sollte man nicht mit Pop-up- Menüs entfremden, sondern so anbieten, wie ihn der User haben möchte: als Kalender. Ein gutes Beispiel dafür ist die die Seite der Bahn. - Schieben...
Preisbereiche lassen sich schneller per Schieberegler einstellen (hier Radshop Brügelmann)... - ... statt tippen
als per Eingabefeld (wie bei wigglersport.de). - Kunden sprechen lassen
Lassen Sie - statt über sich selbst zu reden - doch die Kunden zu Wort kommen. Das wirkt oft wesentlich überzeugender. - Grafische Kniffe
Der Cloud-Anbieter Box hebt das meistverkaufte Abomodell grün hervor. Das macht die Tabelle besser und schneller erfassbar. - Anmeldung ruck zuck
Die Social Media-Plattform Pinterest wirbt schon vor der Anmeldung damit, dass sie nur 45 Sekunden dauern wird. - Es geht auch per Mail
Die Anmeldung per E-Mail ist der im Vergleich zur Facebook-Anmeldung aufwändigere Weg. Doch hier werden nur die notwendigsten Daten abgefragt. Einige Felder wie Wohnort sind korrekt vorausgewählt und werden vermutlich per IP-Lokalisierung ermittelt. - Navigieren per Tastatur
Bei den Webby Awards gehört die Keyboard-Navigation zu den coolen Attraktionen der Website. - Keine Klickarie
Die Suche bei den Webby Awards erfordert kein Klicken in ein Texteingabefeld; der User kann einfach lostippen und oben links erscheint der eingegebene Suchbegriff. - Tastatur auch bei Twitter
Unter Powerusern sehr beliebt: Der Kurznachrichtendienst Twitter lässt sich auch im Web hervorragend per Tastatur steuern. - Standortfunktionen nutzen
Der Online-Shop etsy.com ermittelt den Standort des Besuchers und schlägt beim Erstbesuch die passende Einstellung von Land und Währung vor.
Zukünftig werden Unternehmen in der Lage sein, ganze Service-, Einkaufs- oder sonstige Prozesse auf dem Smartphone der Kunden abzuwickeln. Gerade für diejenigen Unternehmen, die besonders durch Innovation und Qualität überzeugen wollen, sind neue Ansätze wichtig. So können beispielsweise schon bald Einkäufe beim Warten auf den Bus mittels QR-Code-Scanning an den Werbetafeln getätigt werden. Support-Tickets und erste Schritte zur Fehlerbehebung können zukünftig ausschließlich über das Smartphone laufen. Auch das Essen kann bereits von unterwegs mit dem Smartphone bestellt werden, sodass der Lieferdienst im Optimalfall zeitgleich mit dem hungrigen Nutzer die eigene Wohnung erreicht.
Alle diese Use Cases sind nur erste Beispiele für eine immer stärker digitalisierte und mobilisierte Beziehung von Unternehmen und Kunden. Es ist wichtig, dass die Unternehmen die entstandene Lücke zu ihren Kunden schließen, um weiterhin das Gefühl vermitteln zu können, auf Augenhöhe zu kommunizieren.
Responsive Web Design vs. Dedicated Mobile Website
Auf der operativen Ebene stellt sich schließlich die Frage, welches Modell zu favorisieren ist. Man unterscheidet im ersten Schritt zwischen einer rein mobilen Webseite und Responsive Web Design.
Bei einer rein mobilen Webseite handelt es sich meist um eine zweite, zusätzliche Website, die mit einer weiteren URL und über Weiterleitungen auf dem Smartphone aufgerufen werden kann. Der Vorteil besteht darin, dass diese mobilen Webseiten relativ einfach aufzusetzen sind und den ursprünglichen Webauftritt für Desktops nicht beeinflusst. Der Nachteil besteht allerdings darin, dass sämtliche inhaltliche Anpassungen doppelt vorgenommen werden müssen, da es oft schwer ist, native und mobile Webseiten zu verbinden. Darüber hinaus können die Weiterleitungen auch zu kleineren Performance-Einbußen beim Nutzer führen. Die Programmierung dedizierter mobiler Webseiten war besonders zu Beginn des mobilen Internets gern genutzt. Heute ist es eher der Ausnahmefall.
Der neue Maßstab bei der Entwicklung der Webauftritte ist das sogenannte Responsive Web Design. Hierbei wird lediglich eine Website mit einer Standard-URL aufgesetzt. Der Vorteil ist, dass sich die Oberfläche - wie der Name bereits vermuten lässt - reaktiv an die jeweilige Plattform anpasst. So steigt zwar der initiale Aufwand beim Aufsetzen des Web-Portals für die Entwickler. Teilweise müssen dann auch Modifikationen an der Inhaltsstruktur oder der Navigation vorgenommen werden, um eine einheitliche Grundlage schaffen zu können. Im weiteren Verlauf ist das Responsive Web Design allerdings erheblich leichter zu verwalten. So müssen Inhalte nur in einer Version hochgeladen werden. Auch das Fehlerpatching ist häufig einfacher, da es sich nur noch auf eine vereinheitlichte Version bezieht. Insbesondere für sehr dynamische und oft aktualisierte Seiten lohnt sich das Responsive Web Design.
Das Mitwirken diverser Instanzen ist notwendig
Für die Umsetzung und Pflege eines zeitgemäßen Web-Auftritts sind interne und externe Ressourcen notwendig. Das Thema muss nach Möglichkeit bereits auf der To Do-Liste des C-Level stehen, um eine optimale Rückendeckung des gesamten Unternehmens zu gewährleisten. Wenigstens die Marketingleiter, CMOs oder gleichrangige Entscheider müssen sich der Mobile Web Experience-Thematik annehmen. Unter Umständen müssen einzelne Prozesse, die zuvor wenig digitale Elemente besaßen, angepasst werden. Hier müssen dann gegebenenfalls alle Mitarbeiter einbezogen werden, um auch nachhaltig für eine Optimierung auf der Prozessebene zu sorgen.
An vorderster Front agieren dann natürlich die IT-Abteilungen und Entwickler. Sie zeichnen sich durch praktische Erfahrungen mit neuen Development-Tools und der ständigen Weiterentwicklung der zugrundeliegenden Frameworks aus. Ist das Unternehmen nicht in der Lage, diese Ressourcen selbst bereitzustellen, müssen sie ausgelagert werden.
Ein externer Partner, der in enger Abstimmung mit den Entscheidern des Unternehmens zusammenarbeitet, bringt oftmals neue Ideen und vor allem praktische Erfahrungen mit. Sofern die Unternehmen selbst ihre Entwickler bereitstellen, können die externen Partner ihr Wissen weitergeben.
Nicht zuletzt ist die Einbeziehung externer Instanzen als strategischer Partner sinnvoll. Mit neuen Ideen und einer unabhängigen Sichtweise entstehen so in den meisten Fällen deutlich effizienter und zielgerichteter diejenigen Ergebnisse, die sich Unternehmen und Kunden wünschen.
- Jugendsünden von Apple, Dell oder YotTube
Apple, Dell, Google, Amazon, Facebook - sie alle sind mehr oder weniger schon seit Urzeiten mit einer Website im Netz vertreten. Haben sich vom Grunddesign her aber allesamt nur wenig verändert. Wir zeigen, wie bekannte Websites bei ihrem Launch aussahen. - Apple (Domain 1987 / Site 1996) - apple.com
Auch heute noch modern: Absatz- und Kastengestütztes Design. Nur die Farbwahl wirkt etwas kunterbunt. Bereits 1987 registrierte sich Apple die Domain, die Website folgte fast ein Jahrzehnt später. - Apple heute
- Daily Telegraph (1994) - telegraph.co.uk
Die große britische Tageszeitung machte einst mit schlichtem schwarzen Lettern auf blauem Grund von sich reden. - Daily Telegraph heute
- Weißes Haus (1994) - whitehouse.gov
Da hat jedes Telefonbuch mehr Sex-Appeal: Der Auftritt der amerikanischen Präsidentenresidenz wirkte zum Start wie eine Hacker-Datenbank. - whitehouse.gov heute
- Yahoo (1994) - yahoo.com
Yahoo startete vor 21 Jahren mit einem eher minimalistischen Design. Im Grunde nur der klassische Suchschlitz, wie man ihn von Google kennt, flankiert von ein paar Links. - Yahoo heute
- Amazon (1995) - amazon.com
Für seine Zeit schon erstaunlich klar strukturiert und vergleichsweise übersichtlich, der Web-Auftritt das Shopping-Giganten Amazon. - Amazon heute
- MSN (1995) - msn.com
Selbst die Verantwortlichen der nicht enden wollendenden Flut von Popup-Spam würden sich heutzutage für solch ein Webdesign in Grund und Boden schämen, nicht so Microsoft Anno 1995 mit seinem MSN-Portal. - MSN heute
- New York Times (1995) - nytimes.com
Die New York Times setzte von Beginn an auf ein Zeitungsähnliches Seitenlayout: Bilder und Texte korrespondieren in ähnlicher Weise auch heute noch. - New York Times heute
- Dell (1996) - dell.com
Wer bei soviel Farbvergnügen keine Lust verspürt, neue Technik anzuschaffen, hat kein ästhetisches Empfinden. Heute setzt Dell zwar auf eine wesentlich technologisch-moderne, kalte Farbgebung - aber als PC-Versender groß geworden ist der Konzern mithilfe von verspielten Bausatz-Seiten. - Dell heute
- Google (1996) - google.com
Seit 18 Jahren macht die Google-Startseite vor allem durch eins von sich reden: durch die kaum vorhandenen Änderungen. Mit Erfolg. Lediglich das Design wurde von Jahr zu Jahr ansprechender, an der Struktur der Seite hat sich bis heute nichts geändert. - Wikipedia (2001) - wikipedia.org
Wer das Wissen der Welt versammeln möchte, braucht eine performante und mächtige Datenbank. Am besten wird die aber so versteckt, dass der potenzielle Wissenslieferant und -suchende nicht gleich wieder durch das komplexe Design verschreckt wird. Hat bei Wikipedia anfangs nicht ganz geklappt - geschadet hat es dennoch nicht. Merke: Wenn der Inhalt einer Seite gut ist, ist das Design zweitrangig. - Wikipedia heute
- Myspace (2003) - myspace.com
Myspace entstand zu der Zeit, als die zweite Internet-Welle im Entstehen begriffen war. Entsprechend 'zwonullig' schon das Ursprungsdesign. - Myspace heute
- Facebook (2004) - facebook.com
Facebook startete im Gegensatz zu Myspace nicht ganz so hip, obwohl erst im Jahr darauf gelauncht. Der beeindruckenden Erfolgsgeschichte des Social Networks hat es keinen Abbruch getan. - Facebook heute
- Flickr (2004) - flickr.com
Wer vor allem von der Nutzerpartizipation lebt, muss auf sein Seitendesign nicht ganz so großen Wert legen, da lediglich die Technik dahinter stimmig sein muss. Flickr machte hier keine Ausnahme. - Flickr heute
- Youtube (2005) - youtube.com
Zunächst passierte auf der weltgrößten Videoplattform Youtube: nichts. Später dann immer mehr. - Youtube heute
- Twitter (2006) - twitter.com
Twitter ist seit acht Jahren live, am Design hat sich seit 2006 wenig geändert - die Idee stemmt die Seite, alles Weitere ergibt sich von selbst. Mit der steigenden Zahl mobiler Clients und anderer Zugriffsmöglichkeiten ist der Webauftritt an sich zwar obligatorisch, aber längst nicht mehr die erste Anlaufstelle. - Twitter heute
- Google heute
Ausblick
Mobile Web Experience ist heute bereits ein entscheidender Faktor. Unternehmen sind zum Handeln aufgerufen und müssen sich zeitnah an die konkrete Umsetzung setzen. Das Thema Responsive Web Design ist aktuell stark im Fokus.
Zukünftig werden nicht nur die Web-Auftritte, sondern ganze Geschäftsprozesse auf dem Smartphone stattfinden. Flächendeckend werden Prozesse rund um den Customer Journey auf Mobilgeräten abgebildet.
Mobile Web Experience ist der Anfang einer langen Reise. Der Kunde wird zukünftig eine gänzlich neue Dimension der User Experience erwarten. Ob es dazu kommt, dass zukünftig möglicherweise auch die Unternehmen wieder zum Gestalter dieser Innovationen werden, steht noch in den Sternen. (bw)