Borkener Pioniere arbeiten zusammen

Data Science bringt Sachlichkeit in die Güllediskussion

02.06.2019
Von 
Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.
Mit Big-Data- und KI-Technologien wollen das Systemhaus NETGO und die NDM Naturwertstoffe GmbH einem Problem zu Leibe rücken, das Landwirtschaft und Verbraucher gleichermaßen beschäftigt - und nicht wenige Emotionen auslöst: die Gülle.
Industrie-Anlage zur Gülleaufbereitung.
Industrie-Anlage zur Gülleaufbereitung.
Foto: NDM Naturwertstoffe GmbH

Zu viele tierische Hinterlassenschaften sind ein ernstes Problem für die Umwelt. Stickstoffverbindungen beeinträchtigen die Luftqualität durch Stickstoffdioxid, Ammoniak und sekundären Feinstaub. Zudem leidet das Grundwasser unter den großen Nitratmengen. Die NETGO GmbH und die NDM Naturwertstoffe GmbH, ein von Landwirten aus dem Kreis Borken gegründeter Spezialist für Gülle-Vollaufbereitung, gehen das Problem nicht emotional, sondern faktenbasiert an: Im Rahmen einer strategischen Partnerschaft haben sie eine "skalierbare und multiplizierbare Plattform aus Technologien, Maßnahmen und Verfahren" entwickelt. Mit dem Projekt zählen sie zu den aussichtsreichen Bewerbern im Wettbewerb "Digital Leader Award" von IDG Business Media GmbH und Dimension Data Deutschland.

Mithilfe von Data Science ist das Duo heute immer besser in der Lage, die komplexen Zusammenhänge hinter den Stickstoffeinträgen zu erkennen und zu verstehen. Ziel ist ein lückenloses Live-Monitoring von Umweltdaten, dem eigene und auch externe Datenquellen zugrunde liegen sollen. NETGO und NDM möchten Institutionen und Unternehmen ein Verfahrenskonzept für eine Vielzahl von Fragestellungen im Bereich der Umwelt zur Verfügung stellen.

Cloud-Plattform als technische Grundlage

Die Zusammenarbeit begann 2013. Damals steckte NDM noch in der Planungsphase einer inzwischen fertiggestellten Industrie-Anlage zur Gülle-Aufbereitung in der westfälischen Bauernschaft Nordvelen. Die Partner entwickelten zunächst eine Cloud-Plattform (IaaS und SaaS) als technische Grundlage für ein Forschungszentrum rund um Gülle-Aufbereitung. Das Data-Science-Team von NETGO analysiert auf dieser digitalen Infrastruktur Prozessdaten und stellt - auch mithilfe von KI-Algorithmen - Informationen für verschiedene Stakeholder bereit. Im engen Austausch mit den NDM-Experten werden so die für Umweltschutz und Verfahrenstechnik relevanten Fragestellungen verfolgt.

NETGO baute dafür eine sichere IT-Infrastruktur auf und kombiniert dort die erhobenen Maschinendaten und das verfahrenstechnische Know-how von NDM mit Methoden aus dem Data-Science-Bereich. Alle Systeme fließen in der Microsoft-Cloud zusammen, wo die Daten gesammelt, analysiert und visualisiert werden. Als herausfordernd bezeichnen die Projektbeteiligten das Einbinden externer Datenquellen, die beispielsweise der Deutsche Wetterdienst, die Energieversorger oder auch diverse Nährstoff- und Gewässerinformationsdienste beisteuern.

Neue Erkenntnisse über Stickstoff- und Phosphorkreisläufe

Um Wirtschaftsdünger sinnvoll wiederaufzubereiten, bedarf es jeder Menge Daten.
Um Wirtschaftsdünger sinnvoll wiederaufzubereiten, bedarf es jeder Menge Daten.
Foto: NDM Naturwertstoffe GmbH

Das Team erreicht eigenen Angaben zufolge inzwischen eine "so noch nicht dagewesene Verfügbarkeit und Auswertbarkeit von Daten im Bereich Umwelttechnologien zur Vollaufbereitung von Wirtschaftsdüngern". Durch das Zusammenspiel von Prozessentwicklung und Daten könnten ganz neue Informationen über Zusammenhänge und Wirkungen von Stickstoff- und Phosphorkreisläufe in der Landwirtschaft gewonnen werden. Auf dieser Datenbasis ließen sich neue innovative Umwelttechnologien entwickeln, die auch gleich im großen Maßstab erprobt werden könnten.

Kennzahlen, an denen das Team seinen Erfolg misst, sind etwa Recyclingkosten, die Energiebilanz oder auch Emissions- und Gewässer-Einleitwerte. Im nächsten Schritt sollen mittels der Datenanalyse Kennwerte und Vorgaben für die Bauern entwickelt werden. NETGO und NDM stehen in einem engen Dialog mit zuständigen Ministerien und Institutionen auf Bundes- und Landesebene. Etablierte Strategien zur Minderung von Stickstoffbelastung und Gülleausbringung würden anhand der erhobenen Daten durchaus in Frage gestellt.