Viel Kritik am EU-Datengesetz

Data Act – Datenkatalysator oder Bürokratiemonster?

20.03.2023
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Der Data Act soll den Austausch und die Nutzung von Daten in Europa intensivieren. Doch viele Verbände warnen, die daraus entstehende Bürokratie könnte die Ziele konterkarieren.
Angesichts der massiven Kritik am Data Act dürften den EU-Politikern noch einige Diskussionen ins Haus stehen.
Angesichts der massiven Kritik am Data Act dürften den EU-Politikern noch einige Diskussionen ins Haus stehen.
Foto: symbiot - shutterstock.com

Mit großer Mehrheit hat das Europäische Parlament den Gesetzesentwurf für den Data Act angenommen. Darin wird die Position des EU-Parlaments für die folgenden Verhandlungen mit den EU-Mitgliedsstaaten festgeschrieben. Das EU-Datengesetz soll neue Regeln für den Zugang und die Nutzung von Industriedaten festlegen. Mit dem Data Act würden Hindernisse beseitigt, die den Zugang vonVerbrauchern und Unternehmen zu Daten behindern, so die Hoffnung der EU-Politiker. "Das fördert Innovationen", heißt es in einer Mitteilung.

"Die von Menschen und Maschinen erzeugten Datenmengen nehmen exponenziell zu und werden zu einem entscheidenden Faktor für Innovationen in Unternehmen und Behörden", so eine Erklärung des EU-Parlaments. "Das Datengesetz legt Regeln für den Austausch und die gemeinsame Nutzung von Daten fest, die durch die Verwendung vernetzter Produkte wie Windkraftanlagen, intelligenter Hausgeräte oder moderner Autos oder damit verbundenen Dienste im Internet der Dinge erzeugt werden." So sollen faire Verträge über die gemeinsame Nutzung von Daten möglich werden.

Nutzerinnen und Nutzer sollen leichteren Zugang zu ihren Daten bekommen

Im Einzelnen soll der Data Act verschiedenste Aspekte im Kreislauf von Daten regeln. Beispielsweise sollen Nutzerinnen und Nutzer Zugang zu den von ihnen erzeugten Daten erhalten. Anbieter entsprechender Produkte und Services würden verpflichtet, diese Daten den daran beteiligten Konsumenten in leicht zugänglicher Form zur Verfügung zu stellen. Die Palette der davon betroffenen Geräte und Dienste ist breit. Das reicht von Sprachassistenten wie Alexa und Siri bis hin zum Connected Car.

Um die Verhandlungsposition kleiner und mittlerer Unternehmen zu stärken, verbietet der Data Act missbräuchliche Vertragsklauseln über die gemeinsame Nutzung von Daten. So soll vermieden werden, dass große Unternehmen ihre stärkere Verhandlungsposition ausnutzen, um Konkurrenz und Innovation zu verhindern. Das Datengesetz legt auch fest, wie öffentliche Stellen auf Daten im Besitz des privaten Sektors zugreifen und diese nutzen können. Wichtig sei das etwa in Notfällen wie bei Überschwemmungen und Waldbränden, hieß es.

EU spricht von einem Wendepunkt der Datenpolitik

Die Abgeordneten haben auch die Bestimmungen zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen verschärft. So soll verhindert werden, dass Konkurrenten den erweiterten Zugang zu Daten missbrauchen, um Betriebe auszuspionieren. Zudem werden strengere Bedingungen für Datenanfragen von Unternehmen an Regierungen festgelegt. Last, but not least soll das Gesetz auch den Wechsel von Anwenderunternehmen und Konsumenten zwischen Anbietern von Cloud- und anderen Datenverarbeitungsdiensten erleichtern. Neue Schutzvorkehrungen sollen unrechtmäßige internationale Datenübertragungen durch Cloud-Anbieter verhindern.

Pilar del Castillo Vera, von der EVP-Fraktion im Europaparlament, spricht von einem Wendepunkt, der den Zugang zu einer fast unendlichen Menge an hochwertigen Industriedaten ermöglicht.
Pilar del Castillo Vera, von der EVP-Fraktion im Europaparlament, spricht von einem Wendepunkt, der den Zugang zu einer fast unendlichen Menge an hochwertigen Industriedaten ermöglicht.
Foto: Europaparlament

Die EU-Politiker hoffen , dass der Data Act neue Dienste ermöglicht, insbesondere im Bereich der künstlichen Intelligenz, wo große Datenmengen für das Training von Algorithmen benötigt werden. Die geplanten Neuerungen könnten auch zu besseren Preisen für Kundendienstleistungen und Reparaturen von vernetzten Geräten führen, hieß es. "Das Datengesetz wird ein Wendepunkt sein, der den Zugang zu einer fast unendlichen Menge an hochwertigen Industriedaten ermöglicht", sagte die federführende Europaabgeordnete Pilar del Castillo Vera von der EVP-Fraktion. Wettbewerbsfähigkeit und Innovation seien Teil der DNA des neuen Gesetzes.

Data Act - Schenkelklopfer in den Schurkenstaaten

Auf Seiten der IT-Industrie kann man die Begeisterung der EU-Politiker über den Data Act nicht so recht teilen. Bitkom-Präsident Achim Berg kritisiert, dass es dem Europäischen Parlament nicht wirklich gelungen sei, "die vielen Strickfehler des Kommissionsvorschlags zu beseitigen". In seiner aktuellen Fassung zwinge der Data Act weiterhin Unternehmen auch zum Teilen von Geschäftsgeheimnissen. "In den uns weniger freundlich gesonnenen Ländern schlägt man sich bei der Lektüre des Data Act vor Freude die Schenkel wund", ätzt Berg gegen den Entwurf. "Dem Ziel der digitalen und technologischen Souveränität erweist der Data Act mit seinen Vorschlägen einen Bärendienst." Geschäftskritische Daten müssten auch künftig vor dem Zugriff von Wettbewerbern geschützt werden können.

"Dem Ziel der digitalen und technologischen Souveränität erweist der Data Act mit seinen Vorschlägen einen Bärendienst", kritisiert Bitkom-Chef Achim Berg.
"Dem Ziel der digitalen und technologischen Souveränität erweist der Data Act mit seinen Vorschlägen einen Bärendienst", kritisiert Bitkom-Chef Achim Berg.
Foto: Bitkom

Berg kritisiert auch, dass der Data Act wichtige Begriffe wie Daten oder Produkte sehr breit definiere, so dass der Anwendungsbereich nahezu unbegrenzt groß sei. "Es braucht eindeutige Definitionen und Abgrenzungen, um die notwendige Klarheit und Rechtssicherheit für alle Beteiligten zu schaffen", fordert der IT-Lobbyist. Gleiches gelte auch für die weitgehenden Datennutzungsrechte, die der öffentlichen Hand eingeräumt werden. Diese sollten ausschließlich für klar definierte Notsituationen wie etwa eine Pandemie oder eine Flutkatastrophe gelten.