Process Mining

Das Ziel ist kontinuierliche Prozesskontrolle

14.11.2023
Von 
Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.

Procress Mining hat erstmal nichts mit KI zu tun

Sie haben KI angesprochen. Was unternimmt Celonis, um die eigenen Produkte mit KI aufzuwerten?

Van der Aalst: Erstmal möchte ich klarstellen: Die Core-Algorithmen für Process Mining haben nichts mit KI zu tun. Das ist eine komplett andere Technologie. Aber es gibt natürlich spannende Verbindungen. KI eröffnet uns beispielsweise die Möglichkeit, Daten zu generieren, die wir sonst nicht hätten. Wir können auf die inhaltliche Ebene gehen, also beispielsweise Texte analysieren, Rechnungen vergleichen und vieles mehr.

Und dann kann ich KI nutzen, um Vorhersagen zu treffen. Ein Beispiel: An der RWTH Aachen haben wir ein Projekt laufen, in dem wir herausfinden wollen, warum einige Studenten schneller und erfolgreicher sind als andere. Wir analysieren dazu das Curriculum, also die Abfolge der Vermittlung von Lernstoff. Wir fragen etwa: Was hat es für Konsequenzen, wenn Studierende der vorgegebenen Reihenfolge nicht folgen? Ist das ein Problem? Ergeben sich vielleicht sogar Vorteile? Auf dieser Basis können wir dann gegebenenfalls das Curriculum ändern, Verwaltungsprozesse anpassen, neue Software generieren und die Studenten über Best Practices informieren.

Sie haben noch gar nicht über Generative AI gesprochen.

Van der Aalst: Das ist natürlich ein besonders vielversprechender Aspekt. Wir können es unseren Kunden damit einfacher machen, unsere Software zu bedienen. Nutzer formulieren dann in natürlicher Sprache ihre Abfrage: Warum verzögert sich die Lieferung an den Kunden XYZ? Wo sind hier die Engpässe? Celonis gibt im Dialog die Antwort.

Im Hintergrund werden die großen Sprachmodelle genutzt, mit denen natürliche Sprache verarbeitet wird, mehr aber auch nicht. Die Sprache wird in unsere Process Query Language (PQL)umgewandelt und diese wie immer ausgeführt - auf Basis der vorgefundenen Daten. Das LLM weiß nichts über die Daten, die eine Firma hat. Wir wandeln lediglich natürliche Sprache in unsere PQL um, also in etwas, das Celonis versteht. Die Antwort wird dann ebenfalls umgewandelt und in natürlicher Sprache ausgegeben.

Das Spiel wird sich erst ändern, wenn es wirklich große Sprachmodelle gibt, die spezifisch für ein Unternehmen sind. Momentan macht das noch niemand, denn ein LLM zu generieren ist sehr aufwändig. Momentan optimiert man höchstens die verfügbaren LLMs ein bisschen, damit die Antworten besser werden.

Am Ende ist Process Mining eine deterministische Technologie, man kann dem vertrauen, was herauskommt. Bei den LLMs ist das anders. Das ist vergleichbar mit autonomem Fahren. Das funktioniert immer noch nicht, obwohl Elon Musk schon 2015 gesagt hat: In ein paar Monaten sind wir so weit.

Mit Task Mining sehen, was Nutzer in SAP machen

Celonis bietet auch Task Mining an. Was steckt dahinter?

Van der Aalst: Process Mining verbessert End-to-End-Prozesse, doch genauso gut ist es möglich zu analysieren und zu optimieren, was Menschen an ihren Bildschirmen tun. Darauf setzt Task Mining.

Ist es vergleichbar mit Robotic Process Optimization (RPA)?

Van der Aalst: Nicht direkt. RPA-Anbieter schauen der Person an ihrem Arbeitsplatz quasi über die Schulter, um herauszufinden, was sie tut, und das dann eins zu eins zu automatisieren. Unsere Task-Mining-Lösung zielt darauf, anhand von Logdaten zu ermitteln, wie sich die Personen verhalten und welche Prozesse bei ihnen laufen. Unser Ziel ist es, genau zu verstehen, wie Prozesse, die Arbeitsschritte von Anwendern umfassen, ablaufen und wo es zu Problemen kommt. Oft lässt sich das anhand von Daten nachvollziehen - so wie bei den großen End-to-End-Prozessen, die wir mit Process Mining analysieren.

Dabei ist natürlich der Datenschutz besonders wichtig, die Anwender müssen darüber informiert werden und angezeigt bekommen, wann und was erfasst wird. Man kann das auch so konfigurieren, dass sich ermitteln lässt, wie einzelne Anwendungen genutzt werden. Dann sieht man zum Beispiel, was Nutzer in SAP machen. In den meisten Fällen ist diese Analyse aber eher grob. Unser Ziel ist immer, die Abläufe zu verbessern, nicht die Menschen auszuspionieren. Wir wollen herausfinden, warum Dinge solange dauern, wie sie dauern und wo es Probleme gibt - und das auch zum Nutzen der Anwender verbessern. (hv)