KI im Hospital - was ist, was wird, wo sind die Grenzen?

Das Krankenhaus der Zukunft ist smart und intelligent

18.04.2018
Von 
Jochen A. Werner ist Professor und Vorstandsvorsitzender der Universitätsmedizin Essen. Die Essener Universitätsmedizin umfasst das Universitätsklinikum Essen (UK Essen) und seine Tochterunternehmen Ruhrlandklinik, St. Josef Krankenhaus, Herzzentrum Huttrop und Westdeutsches Protonentherapiezentrum Essen.

Kann KI Depressionen erkennen?

Die diagnostische KI-Anwendung weitet sich zunehmend auch auf psychische Erkrankungen aus. So versuchen Wissenschaftler seit Jahren, mithilfe von MRT-Scans Hinweise auf Depressionen zu erhalten. Durch Einsatz maschinellen Lernens verbesserten sich die Ergebnisse. Zwischenzeitlich ergibt der Vergleich der Hirnscans von betroffenen und nicht betroffenen Personen die korrekte Diagnosestellung in fast 75 Prozent. Am Weill Cornell Medical College, New York, arbeiten Wissenschaftler an einer differenzierten Typisierung der Depression ebenfalls über Machine-Learning-Algorithmen. Diese Technik wird weiterhin eingesetzt zur Analyse von Stimmmustern, um bei Patienten in der posttraumatischen Phase zwischen Psychose und Depression zu differenzieren.

Angst vor Gespräch mit Psychologen - Eine Chance für Robotik, Bots und Co.

Eine emotionale Interaktion zwischen Mensch und Roboter sollen Androide wie FACE künftig ermöglichen.
Eine emotionale Interaktion zwischen Mensch und Roboter sollen Androide wie FACE künftig ermöglichen.
Foto: faceteam.it

Eine weitere Entwicklung in diese Richtung zeichnet sich mit dem Startup X2AI ab, das mit Tess einen psychologisch geschulten KI-Chatbot für Patienten mit Depressionen entwickelte. Derartige Chatbots können vor allem dann eine emotionale Stütze bieten, wenn die traditionelle Therapie nicht zugänglich ist. Psychologen und KI-Experten der Stanford-Universität haben WoeBot entwickelt, der als "Kummer-Bot" die psychische Gesundheit des App-Nutzers unterstützt und Depressionen sowie Angstzustände günstig beeinflussen soll. Der WoeBot tritt mit dem Nutzer täglich per Chat in Kontakt und erkundigt sich nach seinen Sorgen, Ängsten, Problemen und anderen Themen. Aus den angegebenen Daten zieht der Woebot ein "Tracking der Stimmung", das dem Nutzer dabei helfen soll, gewisse Muster in seinem Leben wiederzuerkennen. Diese Beobachtungen resultieren auch aus dem Umstand, dass sich Menschen einer Maschine wesentlich schneller und auch intensiver öffnen als ihren Psychologen und Ärzten. Sie haben weniger Furcht vor resultierender Ablehnung. Genau hier könnte die Robotik einen weiteren Entwicklungsschritt ermöglichen.

Wissenschaftler der Universität Pisa forschen an Emotionalen Interaktionen zwischen Mensch und Robotern. Die Forschergruppe nutzt einen mit Hanson Robotic entwickelten Androiden mit dem Namen FACE (Facial Automation for Conveying Emotions). Der Roboter imitiert emotionale Zustände, Empathie und nicht-verbale Kommunikation, verbunden mit automatischer Gesichtsmimik. Ein anderer Roboter mit Befähigung zum sozialen Verhalten ist Kismet, aus dem KI-Labor des MIT, Cambridge, USA. Kismet erkennt Körpersprache und Tonfall des Menschen und reagiert entsprechend. Diese unterschwelligen Interaktionen könnten zu einem Fundament für ein Lernsystem zu gefühlsmäßigen Bindungen zwischen Mensch und Roboter möglich werden.

Kuscheln mit dem Roboter?

Heftig umstritten - ist statt menschlicher Zuneigung künftig das Kuscheln mit dem Roboter angesagt? (Im Bild der Therapieroboter Paro von Parorobots als Robbe)
Heftig umstritten - ist statt menschlicher Zuneigung künftig das Kuscheln mit dem Roboter angesagt? (Im Bild der Therapieroboter Paro von Parorobots als Robbe)
Foto: parorobots.com

Die Interaktion Mensch-Roboter wirft diverse Fragestellungen auf. Die Gemüter bewegen dabei weniger die Roboter in den Laborstraßen, es geht vielmehr um Roboterassistenzsysteme bei Operationen, Pflegeroboter oder um den eher provokativ formulierten Bereich "Kuscheln mit dem Roboter". Bei der roboterassistierten Chirurgie findet die Bildgebung immer mehr Eingang in die chirurgischen Behandlungsschritte. Ein nächster Entwicklungssprung wird vollzogen, wenn Präparations- oder Resektionsverfahren von der Maschine selbstständig entlang mittels Bildanalyse wohl definierter anatomischer Strukturen vollzogen werden können. Das Thema Pflegerobotik genießt eine hohe, teilweise auch konfrontative Aufmerksamkeit, wenngleich diese aktuell noch in den Kinderschuhen steckt. Einfache Handreichungen und Dokumentationsvorgänge sind möglich. Lagerungshilfen dürften mittelfristig Entlastung bei den Pflegenden schaffen.

Ebenfalls kontrovers verlaufen die Diskussionen zur Roboterrobbe Paro. Etwa 2,7 Kilogramm schwer, 57 Zentimeter lang, ausgestattet mit einem weißen kuscheligen Fell. Die Robbe hat etliche Berührungssensoren und ermöglicht den Zugang zu Menschen, die für ihre Außenwelt kaum noch erreichbar sind. Die Kritiker pochen auf Zuwendung von Mensch zu Mensch. Was aber tun, wenn diese einfach nicht verfügbar sind? Diese und vergleichbare Fragen verdeutlichen die Notwendigkeit, ethische Aspekte in die Zukunftsplanungen zur digitalisierten Medizin einzubeziehen. So hat sich die Universitätsmedizin Essen dazu entschieden, ihren Weg zum Smart Hospital durch die Gründung einer überregional besetzten Ethik-Ellipse begleiten zu lassen.