Customer Experience – wo fängt sie an und wo hört sie auf? Muss man als Anbieter überhaupt weit ausholen, wenn man sich darauf konzentriert, dem Markt das optimale Produkt anzubieten? Selbst wenn es kein vergleichbares Produkt gibt, ist die Antwort darauf einfach: ja. Denn Product Experience ist nur ein Teil von Customer Experience. Um ein wirklich gutes Produkt entwickeln zu können, muss man den Nutzer in den Vordergrund stellen. Dazu braucht es nicht nur die Daten, wann und wie er das Produkt nutzt, sondern auch, wie er mit dem Anbieter in Kontakt treten möchte.
Ferner bedarf es der Integration des erlebten Feedbacks anhand von Nutzerrezensionen in die Weiterentwicklung von Produkt und Service. Doch um zu wissen, was der Kunde möchte, muss man ihn in den Mittelpunkt rücken und seine Erwartungshaltung entlang der gesamten Customer Journey kennen. Und dafür muss man ihn an allen Stellen des Unternehmens miteinbeziehen. Die größte Hürde bei dem Wandel zu einer kundenzentrierten Organisation liegt bei den Unternehmen darin, die vorhandenen Silos in den Köpfen aufzubrechen und alle Prozesse und Systeme in Richtung Customer Experience auszurichten.
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Bedeutung der Touchpoints
Vor allem im Handel zeigt sich, dass eine Differenzierung vom Wettbewerb nur durch eine bessere Kundenzentrierung bzw. bessere Services möglich ist. Wie sonst soll man sich von der Konkurrenz abheben, die das gleiche Produkt dem gleichen Kunden verkaufen möchte? Natürlich spielen Preis und Warenverfügbarkeit für den Kunden eine wesentliche Rolle. Für eine Differenzierung vom Wettbewerb muss ein Händler aber auch das Geschäftsmodell des Produktherstellers betrachten. Setzt dieser auf kurzfristige Geschäfte mit neuen Innovationen oder will er nachhaltig ein Produkt in den Markt bringen, das über Jahre hinweg weiterentwickelt wird? Wie kann man sich kurzfristig oder nachhaltig aufstellen, um eine optimale Customer Experience anzubieten? Entscheidend ist hier, alle Stellen zu beleuchten, an denen Kunde und Anbieter in Berührung kommen.
Ein gern vergessener Berührungspunkt sind Kündigungsfristen. Am Ende der Customer Journey zeigt sich nämlich, wie ernst ein Unternehmen die Customer Experience nimmt. Erschwert beispielsweise ein Kommunikationsanbieter seinen Kunden, den Vertrag zu kündigen, oder gestaltet er es ihnen so komfortabel wie möglich, um dadurch vielleicht auch den Grund für die Kündigung zu erfahren? Dass genau dieses Ende der Customer Journey auch über den Anfang entscheiden kann, bewies T-Mobile in den USA: Durch die Einführung einer monatlichen Kündigungsmöglichkeit in einem Markt, in dem dies bis dahin nicht üblich war, wurde eine ganz neue Customer Experience geschaffen, von der das Unternehmen profitierte.
- Monika Schütz, Adobe
„Der Schulterschluss zwischen Business und IT ist das eine für eine gute Customer Experience. Das andere ist das digitale Know-how der kompletten Mannschaft. Gute Kundenbeziehungen gab es schon immer: Früher, als man zum Beispiel als Kind im Tante-Emma-Laden noch ein Bonbon bekam. Heute muss man das gleiche Erlebnis für den Kunden im Digitalen schaffen. Hier ändern sich die Erwartungen der Kunden schnell, weil es so viele neue Möglichkeiten gibt. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor ist daher das konstante Lernen, in dem das Know-how in digitalen Technologien vom Azubi bis hoch zum C-Level stärker gefördert werden muss.“ - Eugen Löwen, Axians
„Gerade die aktuellen Probleme in den Lieferketten zeigen verstärkt, dass die Verlagerung in die Cloud eine immer wichtigere Rolle spielen wird. Wenn viele das Problem haben, das mit einer entsprechenden Lösung behoben werden kann, können alle davon profitieren. Diese Schwarmintelligenz in der Cloud zu nutzen wird immer wichtiger, um schnell und agil auf Situationen reagieren zu können. Die Verlagerung in die Cloud ist nicht nur ein wichtiger Punkt dessen, dass man als Gesellschaft wie SAP oder vergleichbare Anbieter mehr Profit machen möchte. Es ist das Thema schlechthin, um schneller reagieren zu können und dadurch auch die Customer Experiemce der Kunden – egal ob Endkunde oder B2B-Kunde – optimieren zu können.“ - Xavier Lopez Sanchez, CGI
„Ohne einen Mindshift im Unternehmen ist es schwierig, eine richtige Customer Experience zu bieten. Es hängt auch davon ab, mit welcher Geschwindigkeit man Veränderungen umsetzen möchte, wie lange man sich Zeit gibt, um Erfolge zu erzielen, und wie man diese Ergebnisse misst. Im Grunde lässt sich dies mit einer Diät vergleichen: Wenn man zehn Kilo in zwei Wochen abnehmen möchte, dann macht man etwas, womit man zehn Kilo in zwei Wochen verliert. Fällt man aber in das alte Verhaltensmuster zurück, steht man sehr bald wieder am Ausgangspunkt. Und so verhält es sich mit der Customer Experience in den Unternehmen: Sie möchten schnelle Veränderungen implementieren, was auch immer dazu notwendig ist, vollziehen aber keinen Kulturwandel. Und so stehen sie wieder am Anfang.“ - Daniela Dilger, Damovo
„Jede Abteilung für sich hat viele Informationen zu einem Kunden gesammelt. Dieses wertvolle Wissen lässt sich aber nur effektiv einsetzen, wenn es unternehmensweit abrufbar ist. Erst dann entsteht eine ganzheitliche Customer Experience. Viele Unternehmen denken hier noch zu sehr in Silos und sind in einzelnen Spezialgebieten verhaftet. Um das aufzubrechen, müssen sie einen organisatorischen Wandel vollziehen. Es braucht einen zentral aufgehängten Verantwortungsbereich mit eigenem Budget, um zum einen das Wissen aufzudecken und die Awareness dafür im Unternehmen zu schaffen. Zum anderen müssen die Daten mittels erforderlicher Schnittstellen zusammengeführt und abteilungsübergreifend zur Verfügung gestellt werden.“ - Thomas Golatta, Macaw
„Grundsätzlich geht es um das generelle Setup im Unternehmen, um die Gesamtausrichtung auf eine zu erwartende permanente Veränderung. Was sind die Prozesse und wie kann man auf Kundenbedürfnisse end-to-end reagieren? Das ist nicht nur Marketing, sondern die gesamte IT im Unternehmen, die Produktion – eben alles, was dazu beiträgt, wirklich liefern zu können. Nur wenn man es schafft, sich auf diesen kontinuierlichen Wandel als Gesamtunternehmen einzustellen und wenn die Gesamtstrategie kundenzentriert ist, kann man auch eine ganz besondere Customer Experience kreieren.“ - Thomas Weiss, MRstudios
„Wer die Organisation der Customer Experience in die Hand nimmt, hängt allgemein von der Firmengröße ab oder wie man das Unternehmen strukturiert. Die treibende Kraft sollte aber vom Account-Manager ausgehen. Er kann vielleicht auch ein Konsortium bestimmen und Experten dazu holen, um die Customer Experience bei einzelnen Kunden voranzutreiben. Ob es nun ein Chief Customer Experience Officer ist oder nicht – letzten Endes ist der Account-Manager derjenige, der sich mit dem Kunden identifiziert und auch das Gefühl dafür hat, woran der Kunde interessiert sein könnte.“ - Mario Raatz, ROQQIO Group
„Natürlich gehört zu einer guten Customer Experience, dass man als Anrufer im Gespräch mit dem Callcenter-Mitarbeiter nicht alles wiederholen muss, was man dem Chat-Bot bereits in der Warteschleife mitgeteilt hat. Doch für eine wirklich gute Customer Experience sollte man einen Schritt weiter vorne anfangen. Ziel sollte es sein, den Kunden in die Lage zu versetzen, so wenig wie möglich Kontakt zum Callcenter aufnehmen zu müssen. Er macht dies ja immer dann, wenn er seine Ware nicht bekommen hat, die Qualität nicht in Ordnung war, oder sonstige Probleme auftauchen. Dazu muss man viel früher ansetzen. Die Auseinandersetzung mit dem Callcenter sollte dann die Ausnahme sein.“ - Dr. Oliver Bohl, Triplesense Reply
„Die Rolle des CDOs kam aufgrund der Notwendigkeit, Digitalexpertise in die Unternehmen zu holen auf, doch im Idealfall sollte die Digitalisierung Aufgabe des CEO sein. Dasselbe gilt bei der Kundenzentrierung, die ebenfalls von zentraler Bedeutung ist und in alle Funktionen hineingehen muss. In der Praxis braucht es dazu aber jemanden, der vielfältige Aspekte der Customer Experience kann und zu treiben beherrscht. Wichtig dabei: Die Rolle muss dann mit dem Treibstoff des Unternehmens verbunden sein, also mit Produkt- oder Umsatzverantwortung. Beim CDO war dies leider oftmals nicht der Fall und daraus sollten wir lernen. Nötig ist kein pro forma Kundenversteher, sondern jemand mit umfassenden Erfahrungen bei der Gestaltung von Kundenerlebnissen. Dies allein schon, damit sich die Stärke an allen Stellen entfalten kann.“ - Andy Mura, Zenloop
„Im Moment ist in vielen Unternehmen die Customer Experience nicht institutionalisiert, d.h. es gibt keine CX-Einheit, die übergreifend mit verschiedenen Einheiten arbeiten kann. Manchmal ist CX auch von Anfang an zum Scheitern verurteilt, weil die CX-Themen zum Beispiel im Marketing oder Vertrieb gesetzt werden. Die Anreize oder Initiativen sind aber total falsch für solche Commercial-Abteilungen. Ein weiteres Problem: Das CX-Management spricht nicht die Sprache der Firma, besonders wenn es um kundenorientierte Innovation geht. Die Sprache von CX-Einheiten ist nicht agil, sie denken in Long-term Value. Zudem haben sie die falsche Metrik und bekommen kein Buy-In, da es keinen ROI gibt. Und manchmal limitiert der Datenfluss die Customer Experience: Wegen gewissen Regularien ist ein Datenaustausch nicht möglich und Silos lassen sich nicht aufbrechen.“
Customer Experience und Customer Journey sind individuell
Mittlerweile gibt es unzählige Kanäle, über die Kunden und Anbieter interagieren können. Doch diese Vielfalt führt nicht automatisch zu einer guten Customer Experience. Etwa dann nicht, wenn ein Teil der Zielgruppe nicht erreicht wird, weil sie schlichtweg manche der Kanäle nicht nutzt. Auf der anderen Seite geraten durch die Digitalisierung einige Kanäle sogar in Vergessenheit, wie etwa das Callcenter. So ist das Telefon für die Customer Experience noch immer einer der wichtigsten Kanäle überhaupt. Allerdings hat sich die Erwartungshaltung der Kunden verändert: Ein Callcenter hat ebenso schnell und modern zu sein wie digitale Angebote.
Für die Unternehmen eröffnet dies wiederum die Chance, sich zu differenzieren. Denn: Bei einem Anruf im Callcenter geht der Kunde davon aus, dass er warten muss. Umso positiver überrascht ist er, wenn er es nicht muss. Die Customer Experience lässt sich hier maßgeblich beeinflussen, um so einen Wow-Effekt beim Kunden herzustellen und die Kundenbindung zu stärken. Zum Beispiel lässt sich während der Warteschleife über einen Sprach-Bot die Konversation vorqualifizieren. Basierend darauf kann etwa eine Person mit einem VIP-Zugang schneller durchgestellt werden. Oder eventuell bekommt eine Anruferin einen anderen Ansprechpartner als ein Anrufer.
Diese Art der Personalisierung zu nutzen und dann vor allem das übergreifende Kontaktmanagement in den Mittelpunkt zu rücken, wird immer essentieller. Eine Herausforderung dabei ist, dass den Mitarbeitern, die dann die Kommunikation mit dem Kunden übernehmen, die Informationen vorliegen müssen, die zuvor etwa per Chat-Bot und Kollegen abgefragt oder über eine Website eingetragen wurden. Hier existieren oft zahlreiche Brüche, da in vielen Unternehmen noch in organisatorischen Silos gedacht wird. Customer Experience und Customer Journey sind individuell. Deshalb braucht es nicht nur das Mapping der Customer Journey. Customer Experience braucht auch Organisation.
Studie "Customer Experience 2022": Sie können sich noch beteiligen! |
Zum Thema Customer Experience führt die COMPUTERWOCHE derzeit eine Multi-Client-Studie unter IT-Entscheidern durch. Haben Sie Fragen zu dieser Studie oder wollen Sie Partner werden, hilft Ihnen Regina Hermann (rhermann@idgbusiness.de, Telefon: 089 36086 161) gerne weiter. Informationen zur Studie finden Sie auch hier zum Download (PDF). |
Kundenzentrierung verlangt Kulturwandel
So wie vor ein paar Jahren mit der Digitalisierung der Chief Digital Officer in den Unternehmen Einzug hielt, tritt nun zunehmend der Chief Customer Officer oder der Chief Customer Experience Officer in Erscheinung. Er bekommt die Verantwortung dafür, die Bedeutung der Customer Experience aus Callcenter- und Marketing-Einheit herauszuholen und diesen Mindset über das gesamte Unternehmen zu verteilen. So lautet die Theorie. In der Praxis fehlt oft dieser C-Level-Entscheider, der auch das Budget bekommt. Denn: Vom Organisatorischen geht es zwangsläufig auch ins Technische. Und all das muss finanziert werden. Dabei sollte Customer Experience allerdings nicht einfach als Projekt betrachtet werden. Vielmehr geht es darum, einen Kulturwandel zu vollziehen, der nur vom C-Level getrieben sein kann.
Warum dem so ist und weshalb dies in den meisten Fällen nicht ohne externe Unterstützung funktioniert, veranschaulicht ein Beispiel: Ein Hemden-Hersteller verkauft seine Produkte im eigenen Online-Shop, über einen Online-Händler und im stationären Handel. Möchte er nun kundenzentriert agieren, betrachtet er nicht mehr den Händler als Kunden sondern den Endkunden. Sich nun auf das Marketing zu konzentrieren, um sich als Marke stärker zu positionieren, bringt keinen monetären Nutzen, da der Endkunde weiterhin die Produkte über die Kanäle bezieht, die er vorher kannte. Auch mit all den schlechten Erfahrungen, die er vorher kannte. Hier gilt es Silos aufzulösen, etwa durch das Auflösen von Wholesale, e-Commerce und stationärem Handel, um dem Kunden die Experience zu vermitteln, dass er bei dem Hersteller als Marke kauft, bei einer Marke, die ihn bedient und wertschätzt. Um den Kunden eine völlig neue Customer Experience zu bieten, müssen also alle Omni-Channel-Prozesse ineinandergreifen. Sprich: Was online gekauft wurde, kann - trotz unterschiedlicher Umtauschfristen - im Ladengeschäft vor Ort umgetauscht werden. Dazu muss aber der Wholesale verstanden haben, dass alles, was der e-Commerce verkauft, dem Unternehmen ebenfalls zugutekommt.
Und um dieses Verständnis zu erreichen, muss das C-Level die Mitarbeiter beim Kulturwandel mitnehmen, ohne dabei die Employee Experience zu vergessen. Zu oft setzen Unternehmen ihren Mitarbeitern eine neue Technologie vor und bieten dazu lediglich hier und da eine kleine Schulung an. Das Change- und Akzeptanzmanagement wird allerdings völlig außer Acht gelassen. Eine gute Customer-Experience ist aber nur zu erreichen, wenn die Mitarbeiter verstehen, warum es diese Veränderungen braucht. Nur dann sind sie auch bereit, Veränderungen an ihrer Arbeiterweise anzunehmen und den Kunden auf seiner Customer Journey zu begleiten.
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