Customer Experience 2022

Das Glück der Kunden liegt im Wandel

03.05.2022
Von 
Iris Lindner ist freiberufliche Journalistin für Elektronik und Automatisierung.
Den Kunden in den Mittelpunkt zu stellen, muss mehr als ein Lippenbekenntnis des Marketings sein. Doch ohne Mindshift klappt es mit der Customer Experience nicht.
Die größten Hürden auf dem Weg zu einer besseren Customer Experience sind oft die Silos in den Köpfen der Mitarbeiter.
Die größten Hürden auf dem Weg zu einer besseren Customer Experience sind oft die Silos in den Köpfen der Mitarbeiter.
Foto: Black Salmon - shutterstock.com

Customer Experience – wo fängt sie an und wo hört sie auf? Muss man als Anbieter überhaupt weit ausholen, wenn man sich darauf konzentriert, dem Markt das optimale Produkt anzubieten? Selbst wenn es kein vergleichbares Produkt gibt, ist die Antwort darauf einfach: ja. Denn Product Experience ist nur ein Teil von Customer Experience. Um ein wirklich gutes Produkt entwickeln zu können, muss man den Nutzer in den Vordergrund stellen. Dazu braucht es nicht nur die Daten, wann und wie er das Produkt nutzt, sondern auch, wie er mit dem Anbieter in Kontakt treten möchte.

Ferner bedarf es der Integration des erlebten Feedbacks anhand von Nutzerrezensionen in die Weiterentwicklung von Produkt und Service. Doch um zu wissen, was der Kunde möchte, muss man ihn in den Mittelpunkt rücken und seine Erwartungshaltung entlang der gesamten Customer Journey kennen. Und dafür muss man ihn an allen Stellen des Unternehmens miteinbeziehen. Die größte Hürde bei dem Wandel zu einer kundenzentrierten Organisation liegt bei den Unternehmen darin, die vorhandenen Silos in den Köpfen aufzubrechen und alle Prozesse und Systeme in Richtung Customer Experience auszurichten.

Informationen zu den Partner-Paketen der Studie 'Customer Experience 2022'

Bedeutung der Touchpoints

Vor allem im Handel zeigt sich, dass eine Differenzierung vom Wettbewerb nur durch eine bessere Kundenzentrierung bzw. bessere Services möglich ist. Wie sonst soll man sich von der Konkurrenz abheben, die das gleiche Produkt dem gleichen Kunden verkaufen möchte? Natürlich spielen Preis und Warenverfügbarkeit für den Kunden eine wesentliche Rolle. Für eine Differenzierung vom Wettbewerb muss ein Händler aber auch das Geschäftsmodell des Produktherstellers betrachten. Setzt dieser auf kurzfristige Geschäfte mit neuen Innovationen oder will er nachhaltig ein Produkt in den Markt bringen, das über Jahre hinweg weiterentwickelt wird? Wie kann man sich kurzfristig oder nachhaltig aufstellen, um eine optimale Customer Experience anzubieten? Entscheidend ist hier, alle Stellen zu beleuchten, an denen Kunde und Anbieter in Berührung kommen.

Ein gern vergessener Berührungspunkt sind Kündigungsfristen. Am Ende der Customer Journey zeigt sich nämlich, wie ernst ein Unternehmen die Customer Experience nimmt. Erschwert beispielsweise ein Kommunikationsanbieter seinen Kunden, den Vertrag zu kündigen, oder gestaltet er es ihnen so komfortabel wie möglich, um dadurch vielleicht auch den Grund für die Kündigung zu erfahren? Dass genau dieses Ende der Customer Journey auch über den Anfang entscheiden kann, bewies T-Mobile in den USA: Durch die Einführung einer monatlichen Kündigungsmöglichkeit in einem Markt, in dem dies bis dahin nicht üblich war, wurde eine ganz neue Customer Experience geschaffen, von der das Unternehmen profitierte.

Customer Experience und Customer Journey sind individuell

Mittlerweile gibt es unzählige Kanäle, über die Kunden und Anbieter interagieren können. Doch diese Vielfalt führt nicht automatisch zu einer guten Customer Experience. Etwa dann nicht, wenn ein Teil der Zielgruppe nicht erreicht wird, weil sie schlichtweg manche der Kanäle nicht nutzt. Auf der anderen Seite geraten durch die Digitalisierung einige Kanäle sogar in Vergessenheit, wie etwa das Callcenter. So ist das Telefon für die Customer Experience noch immer einer der wichtigsten Kanäle überhaupt. Allerdings hat sich die Erwartungshaltung der Kunden verändert: Ein Callcenter hat ebenso schnell und modern zu sein wie digitale Angebote.

Für die Unternehmen eröffnet dies wiederum die Chance, sich zu differenzieren. Denn: Bei einem Anruf im Callcenter geht der Kunde davon aus, dass er warten muss. Umso positiver überrascht ist er, wenn er es nicht muss. Die Customer Experience lässt sich hier maßgeblich beeinflussen, um so einen Wow-Effekt beim Kunden herzustellen und die Kundenbindung zu stärken. Zum Beispiel lässt sich während der Warteschleife über einen Sprach-Bot die Konversation vorqualifizieren. Basierend darauf kann etwa eine Person mit einem VIP-Zugang schneller durchgestellt werden. Oder eventuell bekommt eine Anruferin einen anderen Ansprechpartner als ein Anrufer.

Eine erfolgreiche Customer-Experience-Strategie muss ein Omni-Channel-Konzept verfolgen.
Eine erfolgreiche Customer-Experience-Strategie muss ein Omni-Channel-Konzept verfolgen.
Foto: Montri Nipitvittaya - shutterstock.com

Diese Art der Personalisierung zu nutzen und dann vor allem das übergreifende Kontaktmanagement in den Mittelpunkt zu rücken, wird immer essentieller. Eine Herausforderung dabei ist, dass den Mitarbeitern, die dann die Kommunikation mit dem Kunden übernehmen, die Informationen vorliegen müssen, die zuvor etwa per Chat-Bot und Kollegen abgefragt oder über eine Website eingetragen wurden. Hier existieren oft zahlreiche Brüche, da in vielen Unternehmen noch in organisatorischen Silos gedacht wird. Customer Experience und Customer Journey sind individuell. Deshalb braucht es nicht nur das Mapping der Customer Journey. Customer Experience braucht auch Organisation.

Studie "Customer Experience 2022": Sie können sich noch beteiligen!

Zum Thema Customer Experience führt die COMPUTERWOCHE derzeit eine Multi-Client-Studie unter IT-Entscheidern durch. Haben Sie Fragen zu dieser Studie oder wollen Sie Partner werden, hilft Ihnen Regina Hermann (rhermann@idgbusiness.de, Telefon: 089 36086 161) gerne weiter. Informationen zur Studie finden Sie auch hier zum Download (PDF).

Kundenzentrierung verlangt Kulturwandel

So wie vor ein paar Jahren mit der Digitalisierung der Chief Digital Officer in den Unternehmen Einzug hielt, tritt nun zunehmend der Chief Customer Officer oder der Chief Customer Experience Officer in Erscheinung. Er bekommt die Verantwortung dafür, die Bedeutung der Customer Experience aus Callcenter- und Marketing-Einheit herauszuholen und diesen Mindset über das gesamte Unternehmen zu verteilen. So lautet die Theorie. In der Praxis fehlt oft dieser C-Level-Entscheider, der auch das Budget bekommt. Denn: Vom Organisatorischen geht es zwangsläufig auch ins Technische. Und all das muss finanziert werden. Dabei sollte Customer Experience allerdings nicht einfach als Projekt betrachtet werden. Vielmehr geht es darum, einen Kulturwandel zu vollziehen, der nur vom C-Level getrieben sein kann.

Warum dem so ist und weshalb dies in den meisten Fällen nicht ohne externe Unterstützung funktioniert, veranschaulicht ein Beispiel: Ein Hemden-Hersteller verkauft seine Produkte im eigenen Online-Shop, über einen Online-Händler und im stationären Handel. Möchte er nun kundenzentriert agieren, betrachtet er nicht mehr den Händler als Kunden sondern den Endkunden. Sich nun auf das Marketing zu konzentrieren, um sich als Marke stärker zu positionieren, bringt keinen monetären Nutzen, da der Endkunde weiterhin die Produkte über die Kanäle bezieht, die er vorher kannte. Auch mit all den schlechten Erfahrungen, die er vorher kannte. Hier gilt es Silos aufzulösen, etwa durch das Auflösen von Wholesale, e-Commerce und stationärem Handel, um dem Kunden die Experience zu vermitteln, dass er bei dem Hersteller als Marke kauft, bei einer Marke, die ihn bedient und wertschätzt. Um den Kunden eine völlig neue Customer Experience zu bieten, müssen also alle Omni-Channel-Prozesse ineinandergreifen. Sprich: Was online gekauft wurde, kann - trotz unterschiedlicher Umtauschfristen - im Ladengeschäft vor Ort umgetauscht werden. Dazu muss aber der Wholesale verstanden haben, dass alles, was der e-Commerce verkauft, dem Unternehmen ebenfalls zugutekommt.

Und um dieses Verständnis zu erreichen, muss das C-Level die Mitarbeiter beim Kulturwandel mitnehmen, ohne dabei die Employee Experience zu vergessen. Zu oft setzen Unternehmen ihren Mitarbeitern eine neue Technologie vor und bieten dazu lediglich hier und da eine kleine Schulung an. Das Change- und Akzeptanzmanagement wird allerdings völlig außer Acht gelassen. Eine gute Customer-Experience ist aber nur zu erreichen, wenn die Mitarbeiter verstehen, warum es diese Veränderungen braucht. Nur dann sind sie auch bereit, Veränderungen an ihrer Arbeiterweise anzunehmen und den Kunden auf seiner Customer Journey zu begleiten.

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