Industrie 4.0 verändert das Stammdatenmanagement

Das Beispiel Pharmaindustrie

11.09.2015
Von 
Christian Walch ist Senior Manager bei KPMG in Zürich. Davor war er Head of New Technology & Innovation für kundenspezifische HANA- und SAP UI5-Entwicklungen bei der Camelot Gruppe in Mannheim. Zuvor war der Diplom-Betriebswirtschafter und -Informatiker seit 2005 in verschiedenen Positionen bei SAP und dem SAP Solution Extension Partner ICON-SCM tätig.
Wie viele andere Branchen steht auch die Pharmaindustrie vor der Frage, wie sie mit Industrie 4.0 nachhaltige Wettbewerbsvorteile generieren kann. Von zentraler Bedeutung ist ein wirksames Stammdatenmanagement.

Das Projekt "Industrie 4.0" wurde von der Bundesregierung mit dem Ziel ins Leben gerufen, deutsche Unternehmen für die Zukunft global wettbewerbsfähig zu positionieren. Industrie 4.0 basiert auf der "Smart Factory", der intelligenten Fabrik, deren Produktionsprozesse weitgehend autark, das heißt ohne menschliche Eingriffe, organisiert sind.

Zahlreiche flankierende Technologien

Technologien, die mit Industrie 4.0 einhergehen, stellen für die Unternehmen heute sowohl eine Unterstützung als auch Herausforderung dar. Um den steigenden Kundenanforderungen gerecht zu werden, treiben viele Betriebe zum Beispiel die Individualisierung ihrer Produkte voran. Dazu müssen flexible und transparente Produktionsketten geschaffen werden, da einer großen Produktvielfalt komplexe und vielgestaltige Geschäftsprozesse zugrunde liegen, die anfällig für Fehler sind.

Nicht nur Produzenten von Gebrauchsgütern, sondern auch Arzneimittelhersteller können von den Produktionsabläufen mit Industrie 4.0 profitieren.
Nicht nur Produzenten von Gebrauchsgütern, sondern auch Arzneimittelhersteller können von den Produktionsabläufen mit Industrie 4.0 profitieren.
Foto: ABDA

Die Umsetzung autonomer Produktionsketten durch die Kombination verschiedener Technologien ruft gleichzeitig Fragen nach der IT-Sicherheit auf: Welche Daten soll ein Unternehmen mit seinen Geschäftspartnern teilen, welche für sich behalten? Während ein reger Informationsaustausch einerseits eine hohe Integrität bedeutet, kann damit auch ein Machtverlust des eigenen Unternehmens einhergehen.

Die Beispiele zeigen: Industrie 4.0 ist ein weites Feld an Möglichkeiten, bereits vorhandene Technologien miteinander zu vernetzen. Viele Unternehmen stehen heute vor der Frage, welche sie nutzen sollen, um ihre Wertschöpfungskette optimal zu integrieren.

Pharma 4.0 ?

Die Industrie 4.0-Initiative der Bundesregierung beeinflusst Unternehmen aller Branchen, so auch die Pharmaindustrie. Diese muss die damit verbundenen Herausforderungen trotz hoher Sicherheitsanforderungen, des Wettbewerbs in Niedriglohnländern und einer ungewissen Zukunft annehmen.

Pharmaunternehmen haben primär die Aufgabe, die Produktqualität sicherzustellen, um das Patientenwohl zu gewährleisten. Darüber hinaus stehen die Senkung der Produktionskosten, die Vermehrung des Vermögenswertes und die Sicherung von Investitionen auf der Agenda.
Um die pharmazeutischen Prozesse erfolgreich zu gestalten, sind präzise und hochwertige Echtzeitdaten erforderlich. Für die Produktqualität spielt die Serialisierung eine Rolle, mit der die einzelnen verkaufsfähigen Produkte durch Seriennummern identifiziert werden können. In Kombination mit der genauen Ortung und Zustandsbeschreibung (z.B. Temperatur) der Produkte kann der komplette Lebenszyklus wiedergegeben werden (Track and Trace). Die RFID-Technologie ermöglicht das automatische Identifizieren und Lokalisieren von Objekten über Radiowellen und wirkt damit möglichen Fälschungen von Pharmazeutika entgegen.

Auch innerhalb der Produktion setzt die Pharmaindustrie Technologien wie Sensoren ein. Wird etwa die Messgröße eines Sensors überschritten, der die Menge der Produktionsmaterialien in einer Fertigungsmaschine überprüft, sendet dieser Sensor einen Befehl zur Nachlieferung aus dem Lager. Sobald diese die Fertigungsmaschine erreicht hat, prüft das Lagerverwaltungssystem, ob eine neue Bestellung aufgegeben werden muss oder der aktuelle Lagerbestand noch über dem Mindeststand ist.

Diese Prozesse werden vordefiniert und automatisch ausgeführt. Durch das Zusammenspiel von Sensoren und Aktoren ist den Pharmaunternehmen ein proaktives Handeln möglich, mit dem sich unter anderem die hohen Lagerhaltungskosten von Chemieprodukten minimieren lassen. Gleichzeitig können diese Produkte zeitlich exakt verarbeitet werden.

Wenn die operativen Daten adäquat gepflegt sind, können sie von "Business Intelligence"-Systemen, basierend auf historischen und Echtzeitdaten, analysiert werden. Diese Auswertungen stellen die Basis für zukunftsbetreffende Entscheidungen dar und können zur Optimierung aktueller Produktionsprozesse dienen.

Neben der nachhaltigen Gewährleistung einer hohen Produktqualität stellt eine schnelle Markteinführung neuer Produkte im pharmazeutischen Bereich einen entscheidenden Wettbewerbsfaktor dar, da damit hohe Forschungs- und Entwicklungskosten verbunden sind. Durch die steigende Virtualisierung und ihre Simulationsmöglichkeiten können enorme Einsparpotenziale sowohl bei der Produktentwicklung als auch Prozessgestaltung gehoben werden.