Biologische Computer

Computerchips aus Honig

08.04.2022
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 
Die Zukunft neuromorpher Computerchips könnte im Honig liegen. Diese These vertreten zumindest US-Forscher.
Forscher der Washington State University arbeiten an Computerchips aus Honig.
Forscher der Washington State University arbeiten an Computerchips aus Honig.
Foto: Diyana Dimitrova - shutterstock.com

Computerchips aus Honig? An solchen neuromorphen Computerchips arbeiten Forscher der Washington State University (WSU). Die an der Studie beteiligten Wissenschaftler behaupten, so die Website Digitaltrends, dass diese Technologie den Weg zu einer nachhaltigen, biologisch abbaubaren und überwältigend schnellen Datenverarbeitung ebnen könnte.

Rechnen mit Honig

Die WSU-Ingenieure glauben, dass Honig der Schlüssel zu einer umweltfreundlichen Computertechnik sein könnte, die gleichzeitig leistungsfähig genug ist, um die Funktionsweise des menschlichen Gehirns nachzuahmen. Diese Form der Datenverarbeitung, die die Arbeitsweise der Neuronen in unserem Gehirn simuliert, wird als neuromorph bezeichnet. Dabei soll neuromorphes Rechnen als Brücke zwischen dem menschlichen Gehirn und Technik dienen und autonome Systeme ermöglichen, die der menschlichen Kognition sehr nahekommen. Der Begriff Künstliche Intelligenz könnte dadurch eine ganz neue Bedeutung bekommen.

Den WSU-Wissenschaftlern ist es nun gelungen, einen funktionierenden Memristor aus Honig herzustellen. Ein Memristor ist ein transistorähnliches Bauteil, das ähnlich wie ein menschliches Gehirn Daten verarbeiten und speichern kann. Diese Bauteile sind winzig klein - der Memristor der Forscher ist so breit wie ein menschliches Haar. Was aber viel zu groß ist, er muss noch deutlich schrumpfen, um in Zukunft seinen Zweck erfüllen zu können.

Als Zielgröße wird etwa 1/1000 eines menschlichen Haares angepeilt, was bedeutet, dass diese Memristoren im Nanomaßstab entwickelt werden müssen. Der Nanomaßstab ist erforderlich, da Millionen, wenn nicht Milliarden von Memristoren für den Aufbau eines voll funktionsfähigen, leistungsstarken neuromorphen Computersystems benötigt werden. Zum Vergleich: Das menschliche Gehirn hat über 100 Milliarden Neuronen oder über 1.000 Billionen Synapsen.

So funktioniert der Honig-Chip

Feng Zhao, außerordentlicher Professor an der School of Engineering and Computer Science der Washington State University, war zusammen mit dem Doktoranden Brandon Sueoka Mitautor der Studie. Zhao verglich den mit Honig hergestellten Memristor mit einem menschlichen Neuron und stellte fest, dass er sehr ähnliche Funktionen hat. Um den gewünschten Effekt zu erzielen, verwendeten die Wissenschaftler echten Honig. Sie verarbeiteten ihn zu einer festen Form, die dann zwischen zwei Metallelektroden platziert wurde - eine Simulation einer menschlichen Synapse.

Bei ihren Untersuchungen stellten die Wissenschaftler fest, dass der Honig-Memristor die Funktionsweise der menschlichen Synapsen erfolgreich nachahmt. Gemessen wurde dies an der Fähigkeit des Geräts, sich schnell ein- und auszuschalten, und zwar mit einer Geschwindigkeit, die der des menschlichen Gehirns ähnelt, also zwischen 100 und 500 Nanosekunden.

Biologisch abbaubar

Es scheint, dass Honig-Memristoren in Bezug auf ihre Leistung vielversprechend sind, wenn es um neuromorphes Computing geht. Zudem haben sie noch einen weiteren Vorteil - sie sind vollständig biologisch abbaubar. "Honig verdirbt nicht. Er hat eine sehr niedrige Feuchtigkeitskonzentration, so dass Bakterien in ihm nicht überleben können. Das bedeutet, dass diese Computerchips sehr lange stabil und zuverlässig sein werden", so Feng Zhao. "Wenn wir Geräte mit Computerchips aus Honig entsorgen wollen, können wir sie einfach in Wasser auflösen."

Das Team veröffentlichte seine Ergebnisse in einer Ausgabe des Journal of Physics D: Applied Physics. Allerdings haben die Forscher noch einen weiten Weg vor sich, bis die Technik marktreif ist und erste Computer mit Honig-Chips gebaut werden können.