Oracle Deutschland-Chef Frank Obermeier im Interview

Cloud Computing - Oracle kommt vielleicht langsam, aber gewaltig

05.09.2015
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Wie Oracle die Weichen seiner Geschäftsstrategie in Richtung Cloud stellt, und wie der US-amerikanische Softwarekonzern auf den Ärger der deutschen Anwender über die Lizenzmodelle für virtualisierte Server-Umgebungen reagieren will, erläutert Deutschland-Geschäftsführer Frank Obermeier im Gespräch mit der COMPUTERWOCHE.

Frank Obermeier ist seit Februar 2015 als Country Leader Oracle und Head of Technology Sales für das Deutschland-Geschäft von Oracle verantwortlich. Er berichtet direkt an seinen Vorgänger Jürgen Kunz, der als Senior Vice President Northern Europe Oracle in Nordeuropa führt. Obermeier blickt auf eine über 20-jährige Karriere in leitenden Funktionen innerhalb der IT -Industrie zurück und war in dieser Zeit unter anderem für Dell und Hewlett-Packard tätig.

Frank Obermeier, Country Leader Oracle und Head of Technology Sales für das Deutschland-Geschäft von Oracle
Frank Obermeier, Country Leader Oracle und Head of Technology Sales für das Deutschland-Geschäft von Oracle
Foto: Oracle

Zuletzt führte er als Vice President Worldwide Channel Sales das weltweite Channel-Geschäft der Firmenkunden-Sparte von HP (Enterprise Group). Von 2011 bis 2013 war er dort als General Manager und Vice President für den Geschäftsbereich Personal Systems Group in Deutschland verantwortlich. Vor seinem Einstieg bei HP, leitete Frank Obermeier als Executive Vice President den internationalen Vertrieb und das Marketing beim Service Provider Teleplan International. Von 2007 bis 2010 war er bei Dell beschäftigt, zunächst als General Manager & Sales Director Global Segment Germany, ab 2009 als Area Vice President Global500 Central Europe. Frank Obermeier studierte an der Berufsakademie Stuttgart Wirtschaftsinformatik.

CW: Sie sind seit einem guten halben Jahr Deutschland-Chef von Oracle. Was stand für Sie am Anfang im Fokus?

Frank Obermeier: Die ersten Monate habe ich genutzt, um die Teams, die Kunden und die Partner kennenzulernen – und von deren Seite so viel Feedback wie möglich aufzunehmen. Da gibt es sicher die eine oder andere Herausforderung. Mir war zunächst wichtig zu verstehen: Wo steht die Mannschaft, wo stehen die Kunden, was läuft gut, was läuft weniger gut.

CW: Und wie sieht Ihre erste Bilanz aus?

Frank Obermeier: Es steckt unglaublich viel Energie in dem Laden. Das muss man zwar an der einen oder anderen Stelle herauskitzeln, aber wenn man offen auf die Menschen zugeht, dann merkt man schnell, was da an Potenzial da ist. Wir haben uns überlegt: Für was steht Oracle hier in Deutschland? Und welche Themen, wollen wir treiben?

CW: Welche sind das?

Frank Obermeier: Das erste, wofür Oracle in Deutschland steht, ist: Wir wollen unsere Kunden auf dem Weg in die Cloud begleiten. Das ist unser oberstes Ziel. Daran schließt der zweite Punkt an: unsere Kunden stehen im Fokus. Wir wollen ihre Business-Ziele verstehen und und sie mit unserem Oracle Portfolio unterstützen. Drittens wertschätzen wir unsere Mitarbeiter, und kommunizieren offen, klar und authentisch. Und der letzte Punkt ist: Wir sind ein amerikanisches Unternehmen – all das tun wir im Rahmen unserer Corporate Strategy und konzentrieren uns darauf, was wir auch beeinflussen können.

CW: US-Firmen werden meist sehr zentralistisch gesteuert. Inwieweit haben Sie überhaupt Freiräume, um auf die Besonderheiten des deutschen Markts und der deutschen Kunden eingehen zu können?

Frank Obermeier: Wenn Sie ein Land wie Deutschland vertreten, dann liegt es an Ihnen, dass Sie in der Corporation die Bedürfnisse dieses großen Marktes auch entsprechend nachhaltig darstellen und repräsentieren. Sie müssen ein klares Bild des Marktes und der Bedürfnisse der Kunden zeichnen. Dann bekommen Sie auch den entsprechenden Support.

Das Cloud-Business ist ein Marathon

CW: Sie sprachen das Cloud-Geschäft an. Oracle ist hier erst spät eingestiegen – warum?

Frank Obermeier: Für mich ist das Cloud-Business vergleichbar mit einem Marathon. Es geht nicht darum, schnell aus den Blöcken zu kommen und die Kunden schnell in die Cloud zu führen. Es geht darum, die gesamte Strecke in einer guten Zeit und gut trainiert zu bewältigen. Tatsache ist, dass unsere Kunden – ob groß oder mittelständische – natürlich die Flexibilität und die Möglichkeiten einer Cloud nutzen wollen.

Aber jeder steht bezogen auf sein On-Premise-Business vor einer individuell anderen Situation. Und genau darauf haben wir uns sehr gut vorbereitet. Wir bieten eine komplette Suite an. Diese Suite erlaubt es unseren Kunden, zwischen On-Premise und Cloud hin- und her zu manövrieren. Das erlaubt unseren Kunden absolute Flexibilität und Optimierung ihres Businesses.

CW: Wie wichtig ist das Cloud-Geschäft für Sie?

Frank Obermeier: Wir sind an dieser Stelle sehr gut unterwegs. Wie man in den Quartalsberichten sieht, zeigen wir schnelles Wachstum. Wir haben unsere Hausaufgaben sehr solide gemacht und sind breit aufgestellt – wir haben eine ganze Palette an Lösungen angefangen bei Finance, Marketing und Sales. Wir wollen unsere Kunden bei der Transformation nachhaltig und umfassend begleiten und nicht schnell vorne wegpreschen – sondern sauber vorbereitet.

CW: Ist die Situation hier in Deutschland hinsichtlich der Cloud eine besondere?

Frank Obermeier: Es gibt bestimmt Länder, in denen die Cloud-Adaption schneller passiert. Wir sind in Deutschland vorsichtiger, das gilt für die Kunden wie auch für unser Unternehmen. Wir schauen genau, ob das auch alles funktioniert, und man diesen Schritt gehen kann. Wenn wir diesen Schritt dann aber machen, dann gehen wir ihn auch richtig. Das sehen wir auch bei unseren Kunden.

CW: Die Cloud bedeutet auch eine Transformation für Oracle selbst – vor allem vom Business-Modell, das hier dahintersteckt. Von den Margen, die Oracle beispielsweise im Wartungsgeschäft erzielt, kann in der Cloud überhaupt keine Rede sein – ein Problem?

Frank Obermeier: Auch wenn Sie ein Business-Modell haben wie das Lizenz-Wartungs-Geschäft, das die vergangenen Jahre hervorragend funktioniert hat, müssen Sie sich dem Neuen stellen. Das heißt natürlich auch, dass sich mit dem Cloud-Geschäft unsere Geschäftsbasis verändern wird. Wir haben im vergangenen Jahr rund 1,5 Milliarden Dollar Umsatz in der Cloud gemacht. Ein Dollar im Cloud-Geschäft bedeutet aber auch, auf zehn Jahre gesehen, den zehnfachen Umsatz, weil es wiederkehrender Umsatz ist. Damit bauen wir auch unser Geschäft Schritt für Schritt um.

CW: In welchen Zeitdimensionen denken Sie hier – gerade auch vor dem Hintergrund der Sicherheitsdiskussionen?

Frank Obermeier: Ein Zeitrahmen ist nur schwer absehbar. Wir Deutsche werden uns das Thema sehr genau anschauen und dann Schritt für Schritt vorgehen. Aber ich glaube auch, dass uns die Anforderungen der Kunden an dieser Stelle überrollen werden. Das sehen Sie auch an den Wachstumsraten der reinen Cloud-Wettbewerber.

Trotz der aktuell heiß diskutierten Security- Thematik wollen die Unternehmen eher schneller in Richtung Cloud gehen. Ich glaube, dass die Private Cloud mehr als etabliert ist, die Hybrid Cloud ist auch da. Beim Thema Public Cloud gibt es einfach noch Bedenken. Was der IT Branche in Deutschland hilft, sind Statements wie beispielsweise von Bundesinnenminister Thomas de Maizière über die Entwicklung einer Bundes-Cloud.

CW: Für wie realistisch halten Sie das Szenario einer Bundes-Cloud? Die Bundesregierung hat sich zuletzt in Sachen IT-Sicherheit nicht gerade mit Ruhm bekleckert.

Frank Obermeier: Wenn verschiedene Ministerien in ihren Bereichen Cloud-Services anbieten, kann ich mir gut vorstellen, dass das Thema Cloud den Status des 'Neuen' bald überkommen wird und die Leute das immer mehr annehmen werden. In der Diskussion vergessen wir auch gerne eines: Die nachkommende Generation geht ganz anders mit diesen Services um.

Das sind junge Menschen, die diese Themen sehr schnell adaptieren und weniger in diesem Sicherheitsgedanken leben. In fünf bis zehn Jahren stehen diese Menschen mit ihrem Zugang zu Cloud, Big Data und Co. mitten im Leben. Ich davon überzeugt, dass das Ganze auch eine Generationsfrage ist.

CW: Und wie sieht es heute aus? Wo stehen aus Ihrer Sicht aktuell die Anwenderunternehmen mit dem Thema Cloud Computing?

Frank Obermeier: Meine Wahrnehmung aus den Gesprächen mit CIOs ist folgende: Es ist eine sehr individuelle Thematik für jede einzelne Firma. Es lässt sich nicht pauschal sagen: Diese Branche macht das, die andere Industrie geht so vor. Abhängig vom jeweiligen Setup der Firmen ist es meist eine Integration: Der Anspruch, die Cloud-Lösung schnell testen zu können – in wenigen Wochen live zu stellen und zu pilotieren, um zügig entscheiden zu können, wie die Lösung weiter skalieren soll. Eine Abhängigkeit zur Gesamtstrategie eines Unternehmens ist nicht von der Hand zu weisen.

Firmen, die viel akquirieren, sind meist sehr offen für Cloud-Lösungen, weil sie damit schnell skalieren können und keine langen Projekt-Vorlaufzeiten haben. Und es gibt die ganz jungen Unternehmen: Wenn sie in der Startup-Szene in Berlin unterwegs sind, reden Sie mit diesen Unternehmen nur über ganzheitliche Cloud-Lösungen. Die interessiert weniger, Server aufzustellen oder Lizenzabkommen auszuhandeln. Die sagen: Ich möchte das haben, wenn ich es brauche.

CW: Oracles Wurzeln liegen im Datenbankgeschäft. Werden denn Datenbanken als Cloud-Services nachgefragt?

Frank Obermeier: Absolut – was oft nachgefragt wird, sind Test- und Development-Umgebungen. Und hier gehört auch die Datenbank eindeutig dazu. Die Unternehmen wollen eine IaaS-Umgebung mit Compute und Storage, sie wollen einen Database-Layer as a Service. Optimalerweise noch Middleware as a Service, um in diesem Umfeld ganzheitlich entwickeln und pilotieren zu können.

CW: Gibt es denn über Test- und Entwicklungsumgebungen hinaus Bestrebungen, auch komplette Datenbanklandschaften inklusive geschäftskritischer Daten in eine Cloud zu verlagern?

Frank Obermeier: Es gibt Unternehmen, die kurz davorstehen, das in die Tat umzusetzen. Das ist zwar noch nicht referenzierbar, aber die Überlegungen gehen dort weit über Test und Development hinaus.