KI-Studie der Uni Stanford

China führt in Sachen KI – zumindest auf dem Papier

25.04.2023
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 
Die Stanford University hat in ihrem „Artificial Intelligence Index Report 2023“ erneut die weltweite KI-Entwicklung analysiert. In vielen Bereichen führt China.
Im Artificial Intelligence Index Report 2023 analysieren Forscher der Stanford University die weltweite KI-Entwicklung.
Im Artificial Intelligence Index Report 2023 analysieren Forscher der Stanford University die weltweite KI-Entwicklung.
Foto: Stanford University HAI

Zumindest auf dem Papier ist China weltweit die Nummer eins in Sachen KI. Zu diesem Ergebnis kommt der aktuelle Artificial Intelligence Index Report 2023 der Stanford University. Auf 386 Seiten analysieren die Forscher die weltweite KI-Entwicklung.

Allerdings sind die Ergebnisse der Forscher mit Vorsicht zu genießen, da sie sich primär auf die Zahl der KI-relevanten Publikationen und Konferenzen stützen. Nimmt man diese Kennzahlen als Maßstab, dann führt China weltweit. So listet der Report unter den Top-10-Universitäten weltweit mit dem MIT nur eine amerikanische Universität. Die anderen neun Hochschulen sind alles chinesische Hochschulen.

China führt bei Veröffentlichungen

Ein Bild, das sich allerdings relativiert, wenn man einzelne KI-Disziplinen wie Natural Language Processing oder Speech Recognition betrachtet. Hier halten zwar chinesische Hochschulen ebenfalls den ersten Platz, aber amerikanische Institutionen können sich auf Platz Zwei positionieren. Zudem gelingt es etlichen US-amerikanischen Einrichtungen, in der Liga der Top Ten mitzuspielen.

USA führen bei LLM

Geht es nur nach der Zahl der Publikation, so liegen Chinas Universitäten weit vorn.
Geht es nur nach der Zahl der Publikation, so liegen Chinas Universitäten weit vorn.
Foto: Stanford University HAI

Komplett wandelt sich das Bild, wenn man die seit der Vorstellung von ChatGPT heiß diskutierten KI-Technologien Large Language Models (LLM) und Multimodal Models betrachtet. Hier sind die USA weltweit führend, denn über 54 Prozent der Modelle stammen aus US-Einrichtungen, während China nur auf einen Anteil von rund acht Prozent kommt.

Beeindruckend ist dabei auch die Leistungssteigerung der Modelle. Verarbeitet das 2019 erschienene GPT-2 - für viele das erste echte LLM - noch 1,5 Milliarden Parameter, so sind es bei dem 2022 vorgestelltem Modell PaLM bereits 540 Milliarden.

Teures KI-Training

Gleichzeitig steigen mit dieser Entwicklung auch die Trainingskosten. Waren es bei GPT-2 nach Einschätzung der Forscher noch 50.000 Dollar, so kostete das Training von PaLM bereits rund acht Millionen Dollar. Eine Entwicklung, die noch zu einer anderen Konsequenz führte.

Wurden bis 2014 die wichtigsten KI-Modelle von der akademischen Welt veröffentlicht, so hat mittlerweile die Industrie das Ruder übernommen. Im Jahr 2022 gab es 32 bedeutende Modelle, die von der Industrie entwickelt wurden. Dagegen kamen nur drei Modelle aus dem akademischen Bereich.

KI-Investment rückläufig

In Sachen LLM sind dagegen die USA führend.
In Sachen LLM sind dagegen die USA führend.
Foto: Stanford University HAI

Und dies, obwohl die weltweiten privaten KI-Investitionen 2022 im Vergleich zu 2021 um rund 27 Prozent auf 91,9 Milliarden Dollar zurückgingen. Ebenfalls zurück ging die Gesamtzahl der KI-bezogenen Finanzierungsveranstaltungen sowie die Zahl der neu gegründeten KI-Unternehmen. Dennoch haben die KI-Investitionen, so die Autoren des Reports, in den letzten zehn Jahren insgesamt deutlich zugenommen. Im Jahr 2022 waren die privaten Investitionen in KI 18-mal höher als im Jahr 2013.

Dabei hat sich der Anteil der Unternehmen, die 2022 KI einsetzen, im Vergleich zu 2017 mehr als verdoppelt, obwohl er sich in den letzten Jahren zwischen 50 und 60 Prozent eingependelt hat, so der Report mit Verweis auf eine jährliche Forschungsumfrage von McKinsey. Unternehmen, die KI eingeführt haben, berichten zudem von erheblichen Kostensenkungen und Umsatzsteigerungen.

Arbeitnehmer brauchen KI-Skills

Eine Entwicklung, die sich dem Report zufolge in den USA bereits auf dem Arbeitsmarkt widerspiegelt. So würden die Arbeitgeber in den Vereinigten Staaten zunehmend nach Arbeitnehmern mit KI-Skills suchen. Dementsprechend steige die Zahl der KI-bezogenen Stellenausschreibungen.

Während die Unternehmen also die Vorzüge der KI durchaus sehen, stehen die Bürger der westlichen Industrienationen dem Thema eher skeptisch gegenüber. So stimmen nur 35 Prozent der befragten US-Amerikaner der Aussage zu, dass Produkte und Dienstleistungen, die KI nutzen, mehr Vorteile als Nachteile bieten.Ähnlich zurückhaltend beurteilen die Deutschen (37 Prozent) den Nutzen von KI.

Skeptische Bürger

Die Bürger der westlichen Industriestaaten stehem dem Thema KI eher skeptisch gegenüber.
Die Bürger der westlichen Industriestaaten stehem dem Thema KI eher skeptisch gegenüber.
Foto: Stanford University HAI

Am negativsten ist das Image von KI-gestützten Produkten in Kanada (32 Prozent) und Frankreich (31 Prozent). Geradezu euphorisch ist dagegen die Stimmung in der chinesischen Bevölkerung. Hier stimmen 78 Prozent der Frage zu. Ebenso positiv ist die Einstellung zu KI in Saudi Arabien mit 76 Prozent. Und in Indien bejahen rund 71 Prozent die Frage.

Eine Erklärung für diese unterschiedliche Einschätzung könnte eventuell sein, dass in den westlichen Industrienationen breiter in der Öffentlichkeit über KI-Missbrauchsfälle berichtet und diskutiert wird. Dem Report zufolge ist die Zahl solcher KI-Vorfälle und -Kontroversen seit 2012 um das 26-fache gestiegen.

Den gesamten Report können Sie hier herunterladen.