Wer einen hohen Digitalisierungsgrad hat, ist widerstandsfähiger gegen Krisen, reagiert agiler und flexibler auf sich ändernde Anforderungen des Marktes beziehungsweise der Kunden und kann datengetriebene Geschäftsmodelle zügig realisieren.
Ein wichtiger Baustein der digitalen Transformation ist der Einsatz und die Nutzung moderner Cloud-Technologien, ob in Form von Software as a Service (SaaS), Infrastructure as a Service (IaaS) oder Platform as a Service (PaaS). Eine Roundtable-Diskussion von COMPUTERWOCHE und CIO (Teilnehmer, siehe Bildergalerie) zeigte, worauf es dabei ankommt und wo die Fallstricke liegen.
Cloud-Migration mit angezogener Handbremse
Vielerorts gehen Unternehmen, allen voran mittelständische, noch mit angezogener Handbremse in die Cloud. Verantwortlich dafür ist in den meisten Fällen nicht eine mangelnde Awareness, sondern das Fehlen qualifizierter IT-Fachkräfte und zu wenig internes IT-Know-how. Darüber herrschte weitgehend Einigkeit bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des virtuellen Roundtable.
Weitere Bremsklötze für eine Migration in die Cloud sahen die Diskussionsteilnehmer auch in Themen wie Datenschutz und Datenklassifizierung sowie in den hohen regulatorischen Anforderungen, etwa in der Finanzbranche, dem öffentlichen Sektor oder bei KRITIS-Betreibern. Unternehmen aus diesen Bereichen sind gesetzlich verpflichtet ihre kritischen Daten DSGVO-konform zu verarbeiten, zu speichern und auch die Datensouveränität sicherzustellen.
Die Nutzung von Cloud-Plattformen und -Angeboten US-amerikanischer oder chinesischer Hyperscaler scheidet für diese Firmen somit aus. Als Alternative brachten einige Teilnehmer eine Migration in die Gaia-X-Cloud als offene, digitale Infrastruktur ins Spiel, die in Bezug auf die Datenverarbeitung und -speicherung europäische Standards erfüllt - Stichwort Sovereign Cloud. Allerdings ist Gaia-X noch zu wenig ausgereift.
Viele Unternehmen haben auch Bedenken, ihre kritischen Daten und damit ihre "Kronjuwelen" in der Cloud eines großen Hyperscalers zu speichern und zu verwalten. Ebenso zögern viele Unternehmen aufgrund der gegenwärtig schwierigen wirtschaftlichen Situation, einen konsequenten Cloud-Migrations-Kurs zu verfolgen. Der anhaltende Krieg zwischen Russland und der Ukraine, die hohe Inflation, das schwache Konsumverhalten - all das sind Hemmnisse, die Betriebe veranlassen, erst einmal die Pause-Taste zu drücken und Investitionen zurückzustellen.
- Henrik Hausen, all4cloud Group
„Unternehmen, die ein Cloud-Migrations-Projekt durchführen, erwarten davon einen klaren Mehrwert für das Business. Speziell bei ERP- und CRM-Systemen bietet der Umzug in die Public Cloud oder die Installation einer SaaS-Cloud-Lösung den Vorteil, Eigenentwicklungen zu minimieren und den Grad der Prozessstandardisierung deutlich zu erhöhen." - Christian Weck, CGI Deutschland
„Wir sehen, dass Unternehmen aufgrund der aktuellen wirtschaftlichen Situation bei der Cloud-Migration jetzt öfters die Pause-Taste drücken und geplante Investitionen hinauszögern. Das erschwert die angestrebte agile Unternehmenssteuerung – und sollte allen bewusst sein. Außerdem haben einige deutsche Unternehmen noch immer Vorbehalte gegenüber der Public Cloud." - Wolfgang Schuster, Flexera Software
„Hybride IT-Systemlandschaften werden in Zukunft die Regel sein. Nach unserer Erfahrung fließt gegenwärtig jeweils ein Drittel der IT-Ausgaben in On-Premises-Systeme, in SaaS-Lösungen und in Cloud-Computing. Allerdings werden die Investitionen in Cloud-Projekte in Zukunft weiter ansteigen." - Peter Bauer, matrix technology
„Es ist davon auszugehen, dass Unternehmen in Zukunft verstärkt in die Public-Cloud gehen. Die meisten brauchen auf diesem Weg externe Unterstützung. Da hybride IT-Architekturen Standard sind, verlangen sie von ihrem Dienstleister, dass er sich sowohl in der Public Cloud als auch mit On-Premises bzw. Private Cloud Strukturen auskennt." - Thomas Huber, Nutanix
„Mittelständische Firmen haben in der Regel kein ausreichendes internes IT-Know-how, um Cloud-Migrations-Projekte effizient umzusetzen. Darüber hinaus muss sich jedes Unternehmen mit der Frage auseinandersetzen, ob ein Public-Cloud- oder ein On-Premises-Betriebsmodell oder eine Kombination aus beidem seine Anforderungen am besten erfüllt." - Alexander Wallner, PlusServer
„Die Innovationskraft eines Unternehmens ist nicht in erster Linie von der Cloud abhängig. Wer in eine Public Cloud geht, muss aber genau wissen, welche Daten in der Cloud gespeichert werden und welche nicht aus der Hand gegeben werden sollen. Vor allem im Mittelstand fehlt dafür das nötige IT-Personal und IT-Know-how." - Heike Marquordt, Unit4
„Ein wichtiger Erfolgsfaktor bei Cloud-Migrations-Projekten ist, dass die Belegschaft in die Cloud Journey frühzeitig miteinbezogen und mitgenommen wird. Genauso wichtig für den Erfolg ist ein aktives Changemanagement, das die Sorgen und Ängste der Beschäftigten vor Veränderungen abbaut und Vertrauen schafft."
Geschäftsmodell bestimmt Innovationen, nicht die Cloud
Aus Sicht der Anbieter werden damit die Sales-Zyklen für entsprechende Vorhaben deutlich länger. Das verwundert nicht, da eine Cloud-Migration in der Regel kein Nebenschauplatz ist. Unternehmen wollen daraus einen klaren Nutzen und Mehrwert für das eigene Geschäft ziehen. Für den Anfang genügte es oft, einige "Quick Wins" zu identifizieren und zu realisieren. Das können zum Beispiel die Reduzierung der IT-Kosten um einen bestimmten Prozentsatz oder die Entlastung der internen IT von bestimmten Routineaufgaben sein, damit mehr Zeit für Kernaufgaben bleibt.
Unterschiedliche Auffassungen gab es in Bezug auf Legacy-Applikationen im On-Premises-Betrieb. Einige Diskutanten betonten, dass die Altsysteme eine Bremse in der digitalen Transformation darstellten. Andere sagten, die Innovationskraft von Unternehmen hänge letztendlich nicht von der Migration des IT-Betriebsmodells in die Cloud ab. Vielmehr werde umgekehrt ein Schuh daraus: Allein das Geschäftsmodell begründe den Erfolg, es müsse durch IT-Lösungen bestmöglich unterstützt werden - unabhängig davon, ob Legacy- oder SaaS-Systeme die Merhrwerte schafften. Zudem gab es massive Zweifel daran, ob Mittelständler mit ihrem notorischen Engpass beim IT-Fachpersonal überhaupt eine "Cloudifizierung" ihrer Legacy-Applikationen stemmen könnten.
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Zum Thema Cloud-Migration führt die COMPUTERWOCHE derzeit eine Multi-Client-Studie unter IT-Entscheidern durch. Haben Sie Fragen zu dieser Studie oder wollen Sie Partner werden, helfen Ihnen Regina Hermann (rhermann@idg.de, Telefon: 089 36086 161) und Manuela Rädler (mraedler@idg.de, Telefon: 089 36086 271) gerne weiter. Informationen zur Studie finden Sie auch hier zum Download (PDF). |
ERP und CRM - Cloud-Migration bringt großen Nutzen
Großen Nutzen bietet eine Cloud-Migration nach Meinung der Diskussionsteilnehmer bei ERP- und CRM-Systemen, die vielerorts über die Jahre durch Eigenentwicklungen, individuelle Reports oder Modifikationen individuell angepasst wurden und oft komplex sind. ERP- und CRM-Systeme würden häufig durch Hunderte oder gar Tausende eigenentwickelter Funktionen und Tabellen unnötig belastet. Von diesen Features werde meist nur ein Bruchteil genutzt.
Ein Umzug der ERP- und CRM-Lösungen in eine Public Cloud oder die Einführung eines SaaS-basierten ERP-oder CRM-Systems ermöglichten es, diesen Ballast abzuwerfen und die Prozesse weitgehend zu standardisieren. Unternehmen verfügen dann zwar "nur" über eine 90-Prozent-Lösung, die aber ist schlank und einfach. Sie wird vielmehr genutzt.
Wer eine ERP- oder CRM-Lösung im SaaS-Modell einführt, profitiert auch davon, dass der Anbieter sie kontinuierlich weiterentwickelt. Man ist stets auf dem aktuellen Stand der Technik. Neue Funktionen und Upgrades werden in kurzen Zyklen bereitgestellt, in der Regel alle drei Monate, so dass Unternehmen schneller von Verbesserungen und Innovationen profitieren. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass nicht alle SaaS-Lösungen die regulatorischen Anforderungen bestimmter Branchen wie der Finanzwirtschaft adäquat abdecken.
Die Public-Cloud-Angebote eignen sich außerdem sehr gut, um überhaupt erst einmal herauszufinden, welche Cloud-Services konkreten Nutzen für das eigene Business bieten. Im Unterschied zum On-Premises-Betrieb lassen sich Szenarien rund um Internet of Things (IoT), künstliche Intelligenz (KI) und Machine Learning (ML) sowie Proof-of-Concept-Anwendungen (PoC) oder Mock-ups in einer Public Cloud mit wenig Aufwand und zu überschaubaren Kosten umsetzen. Auch deshalb nutzen Startups Public-Cloud-Angebote sehr gern, können sie damit doch viel experimentieren, ohne selbst eine IT-Infrastruktur aufbauen zu müssen.
Hybride IT-Architekturen bleiben Standard
Einig waren sich die Teilnehmenden darin, dass hybride IT-Architekturen aus privaten und öffentlichen Clouds sowie On-Premises-Anwendungen auch in Zukunft das Bild dominieren werden. Der Grund: Unternehmen wollen Spezialprogramme, die wettbewerbsdifferenzierenden Charakter haben, weiterhin On-Premises betreiben. Manche denken auch an eine Verlagerung via Lift & Shift in die Cloud oder trauen sich ein "Full Rebuild" zu. Dazu muss allerdings die Kosten-Nutzen-Kalkulation überzeugen.
Durchaus kritisch wurde diskutiert, ob sich der IT-Betrieb in einer Public Cloud generell einfacher und effizienter gestaltet als in der On-Premises-Welt. Das Ergebnis: Auch in der Wolke kann das Chaos regieren, sofern die Ziellandschaft nicht genau definiert ist. Zudem ist nicht in erster Linie das Betriebsmodell entscheidend, sondern ein effizienter, zielführender IT-Betrieb. Um die Voraussetzung für eine Cloud-Migration zu schaffen, müssen IT-Architekturen zudem erst einmal Cloud-ready gemacht werden, woran es in vielen Fällen hapert.
Cloud-Migration braucht Change Management
Einigkeit herrschte bei den Roundtable-Teilnehmern darüber, dass eine Cloud-Migration nicht nur ein IT-Projekt, sondern auch ein Business-Projekt sei. In der Regel zieht die Transformation in eine (Public-)Cloud nämlich Struktur- und Organisationsveränderungen nach sich, die zu bewältigen eine Herausforderung darstellt. Umso wichtiger ist es, die Belegschaft von Beginn an zu involvieren und an neue Gegebenheiten wie Änderungen in den Prozessabläufen heranzuführen.
Zu den sensiblen Aufgaben gehört es, die Sorgen der Beschäftigten vor Kontrollverlust - Stichwort: Aufbrechen von Silodenken und Herrschaftswissen - durch ein aktives Change Management abzubauen und Vertrauen zu schaffen. Dann steht dem Erfolg einer Cloud-Migration nichts mehr im Weg, vorausgesetzt sie wird nicht wie ein Jugend-forscht-Projekt umgesetzt, sondern ist gut vorbereitet und das Vorgehen klar strukturiert.
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