Auch im elften Jahr seit der Entstehung der Messe und des Kongresses für Bildungstechnologien Learntec können die beiden Gründer Winfried Sommer und Uwe Beck einen Erfolg verbuchen. Die Zahl der Aussteller stieg auf 308. Viel wichtiger ist den beiden Professoren jedoch die Gesamtperspektive. Die Karlsruher Wissenschaftler sind überzeugt, dass Bildung auf Krisen nicht so anfällig reagiert wie andere Branchen: „Bildung ist wie ein Tanker, sie bewegt sich schwer, und wenn sie auf Kurs ist, lässt sie sich schwer stoppen.“
Konsequent treiben Beck und Sommer die Internationalisierung der Learntec voran. Vor drei Jahren luden sie Österreich und die Schweiz als Partnerländer ein, dann folgte die Unesco, dieses Jahr war die Kommissarin für Bildung und Kultur Viviane Reding dabei, und nächstes Jahr sind die mittelosteuropäischen Länder als Partner eingeladen. Die Bildungskommissarin startete am ersten Messetag das neue E-Learning-Internet-Portal der EU. Es soll, so die EU-Vertreterin in Karlsruhe, „als virtueller Treffpunkt und Informationsverzeichnis für alle Aspekte des E-Learning“ dienen.
Oberste Priorität habe die „Bekämpfung der digitalen Kluft“. Die Entwicklung der Wissensgesellschaft berge das Risiko einer neuen Art der sozialen Ausgrenzung. Allen Lernenden müsse deshalb der Zugang zum Internet ermöglicht werden. Zweite Priorität habe der Ausbau europäischer virtueller Campus-Projekte. Über die Frage, ob Online-Lernen eingesetzt werden soll, wird in vielen Firmen gar nicht mehr diskutiert. Ihnen bleibt nichts anderes übrig, wenn es beispielsweise darum geht, Mitarbeiter an verschiedenen Standorten rasch und billig auszubilden. Was die Anbieter gelernt haben, und das zeigte sich auf der Learntec sehr deutlich, ist, dass sie in diesen schwierigen Zeiten mehr denn je bereit sei müssen, auf die Wünsche der Anwender einzugehen.
Erwartet werden flexible, schnelle und kostengünstige Lösungen, und zwar im Mix von Präsenz- und Online-Training, seit einiger Zeit bekannt unter dem Namen „Blended Learning“. Am ehesten erteilen die Anwenderunternehmen Aufträge für Produktschulungen. Volker Zimmermann, Vorstandssprecher des Saarbrücker Anbieters Imc, zeigte sich pragmatisch: „Wenn der Kunde wenig Geld hat, müssen wir darauf reagieren.“ Imc hat sich ein Werkzeug ausgedacht, das den Unternehmen helfen soll, ihre Lerninhalte ohne großen Aufwand und Programmierarbeit selbst zu entwickeln.
Andreas Lotz, E-Learning-Chef bei SAP, hat beobachtet, dass die Mitarbeiter kleine Häppchen bevorzugen, die aber immer abrufbar sein sollten. 27 Prozent der Beschäftigten, das ergab eine interne Befragung beim Softwareriesen aus Walldorf, lernen zu Hause oder unterwegs. Vor allem für Führungskräfte, die über Zeitmangel klagen, sei es wichtig, ein umfassendes Online-Angebot bereitzuhalten, so Stefan Janssen, Geschäftsführer von Thomson Netg. Er stellt in den Unternehmen eine steigende Nachfrage nach Management-Inhalten fest, angefangen von so genannten weichen Themen wie dem Führen eines Beurteilungsgesprächs oder Umgang mit schwierigen Mitarbeitern bis hin zu Informationen über Börsenbewertung einer Firma nach amerikanischen Richtlinen.
Als Reaktion auf diesen Bedarf bietet das Unternehmen gemeinsam mit amerikanischen Universitäten einen kompletten Online-Studiengang zum Master of Business Administration (MBA) für rund 18000 Euro an. Die verschiedenen Themen des Studiengangs sind auch einzeln buchbar. Damit möchte man vor allem mit Firmen ins Geschäft kommen, die ihren Management-Nachwuchs fördern.
Lernen im virtuellen Klassenzimmer
Auf der technischen Seite war zu beobachten, dass die Anbieter von Lern-Management-Systemen (LMS) den Kommunikationsteil ihrer Plattformen erweitern. Das virtuelle Klassenzimmer nimmt Gestalt an. So kann ein Dozent von seinem PC-Arbeitsplatz aus Mitarbeiter an unterschiedlichen Orten erreichen, mit ihnen gemeinsam am Rechner Themen bearbeiten und sich in Bild und Ton mit den Lernenden austauschen. SAP-Mann Lotz glaubt, dass diese Anwendung der Trend der nächsten Monate sein wird.
Zwar ist sie nicht neu, aber bisher waren die Systeme teuer und nicht benutzerfreundlich. Zudem bemühen sich die Anbieter, ihre Systeme mit Leistungsmerkmalen zu ergänzen, die bisher eher in Personal-Management-Softwarepaketen zu finden waren, zum Beispiel einer Skill-Datenbank. Hier werden die Jobprofile der Mitarbeiter abgelegt, ergänzt mit ihren Seminarbesuchen und dem, was sie in nächster Zeit an Weiterbildung benötigen. In den nächsten Jahren dürfte es darauf ankommen, E-Learning noch stärker in Personal-Management- und noch besser in die unternehmsweiten Prozesse zu integrieren.