Wir sollten miteinander reden!" Wie Hartmut Lüerßen von der Unternehmensberatung Lünendonk erinnerte, ist dieser simpel klingende Vorsatz nicht immer einfach zu verwirklichen. Aber die Anfänge sind gemacht. Das zeigte sich auf dem diesjährigen Sourcing Day, wo IT-Verantwortliche und Einkaufs-Manager aus mehr als 50 Unternehmen miteinander ins Gespräch kamen.
Andreas Gillhuber, Leiter Infrastruktur beim Energieversorger RWE, umriss die Ist-Situation: "In der IT müssen wir mit hohem Kostendruck umgehen. Deshalb sind wir gezwungen, in Begriffen wie Near- oder Offshore zu denken. Die Sourcing-Strategie ist ein zentraler Bestandteil der IT-Strategie." Eine Rolle spielten dabei neben Kosten, Qualität und Flexibilität auch Personal- und juristische Fragestellungen.
Die Notwendigkeit interdisziplinärer Zusammenarbeit betonte Helma Göbel, Leiterin Einkauf von IT-Beraterdienstleistungen bei der Deutschen Bahn: Früher habe die IT "das eine gemacht" und der Einkauf "etwas anderes". Heute entwickelten beide gemeinsam eine Sourcing-Strategie: "Sie sitzen regelmäßig zusammen und planen Strategien für die nächsten Jahre. Natürlich gibt es dabei auch verschiedene Befindlichkeiten, aber letztlich ziehen alle an einem Strang."
- Empfehlungen für agile Unternehmen
Zu einer guten IT-Strategie gehört immer auch eine Sourcing-Strategie. Auf dem zweiten "Sourcing Day" der COMPUTERWOCHE diskutierten Manager aus IT und Einkauf über die besten Ansätze. - 1. Empfehlung
Sorgen Sie dafür, dass die Project Owner aus den Fachbereichen für Abstimmungen greifbar sind. - 2. Empfehlung
Stellen Sie die kontinuierliche Kommunikation mit allen Stakeholdern sicher. - 3. Empfehlung
Vergeben Sie Teilbudgets pro Sprints. - 4. Empfehlung
Nutzen Sie das Timebox-Verfahren. - 5. Empfehlung
Zwingen Sie die Project Owner zur Priorisierung. - 6. Empfehlung
Holen Sie die Einkäufer rechtzeitig ins Boot.
Im Video: Sourcing Day 2014 - beim IT-Einkauf will jeder mitreden
Eine eigene Strategie für jedes Thema
Andreas Biber, Head of Sourcing AT, Erste Bank, gab zu bedenken, dass es "die eine Strategie" ohnehin nicht gebe: "Es ist schon klar, dass man Sourcing- und IT-Strategie abstimmen muss", sagte er, "aber es gibt immer unterschiedliche Levels und Bereiche. Deshalb versuchen wir, für jedes Thema eine Strategie mit dem jeweiligen Fachbereich zu schreiben."
Dagegen legt Christoph Bäumer, Vice President Global Sourcing bei DPDHL, Wert darauf, "nah an den CIOs dran" zu sein. Im Deutsche-Post-DHL-Konzern hat er es gleich mit mehreren zu tun. Mit ihnen sieht er sich an, welche Beschaffungsthemen in der IT anliegen - was Commodity ist und zentral beschafft werden kann, was bereichsspezifisch ist und individuell eingekauft werden sollte.
Werner Schultheis, CIO des Personaldienstleisters Randstad, fährt zweigleisig: Für das Kerngeschäft bleibt er bei den bewährten Softwarelösungen mit bisweilen hohem Eigenentwicklungsanteil, ist aber immer bereit, "lohnende" Ausnahmen zuzulassen. Bei den "Support-Funktionen" schaut er sich mit der Fachabteilung konsequent auf dem Cloud-Markt um. Die Konsequenz für den CIO: "Wir werden mehr zu einem Manager und Integrator als zu einem Betreiber."
Über "Make versus Buy" macht sich auch Erste-Bank-Einkäufer Biber Gedanken. Die Tendenz ist je nach Bereich unterschiedlich: "Das Hosting der Mainframes ist outgesourct, Apps können wir durchaus woanders programmieren lassen, aber Daten geben wir nicht nach außen, die Kernbanksysteme auch nicht."
Wo die Grenze zwischen Kerngeschäft und Commodity verlaufe, sei nicht immer klar, gab RWE-Manager Gillhuber zu bedenken: "Im Zeitalter von Smart Metering, Smart Grid und E-Mobility muss man das Rechenzentrum richtig positionieren, weil man dort womöglich die Daten von Millionen Kunden gespeichert hat, beispielsweise für neue Geschäftsmodelle, an denen eventuell auch der Outsourcing-Provider Interesse hat."
Im Rahmen des Workshops berichtete RWE-Manager Andreas Gillhuber auch über das im Februar gestartete Projekt zum IT-Workplace-Outsourcing.
Knapp 45.000 Anwender und 36.000 Computer sind von der Zentralisierung und Auslagerung der IT-Dienstleistungen betroffen.
Dazu sollten etwa 250 IT-Mitarbeiter (Fulltime Equivalents) den Arbeitgeber wechseln.
Der Partner T-Systems betreibt den Service - konsolidiert - großteils von Deutschland und Ungarn aus.
Wie Gillhuber betont, war dies ein "Leuchtturmprojekt für RWE". Der Bedeutung des Vorhabens entsprechend sei auch das Management bis hin zum Vorstand involviert gewesen.
Im Video: Sourcing Day 2014 - retained Organisation für besseres Sourcing
Fallstricke bei der Auslagerung
Hat man sich für ein Outsourcing entschieden, braucht man unbedingt einen Plan B. Fehlt er, kann es gehen wie laut Biber den Österreichischen Bundesbahnen, die vermutlich deshalb ihr Bonusprogramm einstellen mussten. Als sie es nach beendetem Outsourcing ins Unternehmen zurückholen wollten, hätten sie kein Know-how für die Retransition mehr besessen. Nicht einmal die Punkteabfrage funktionierte.
- Ausblick Outsourcing-Markt 2014
ISG erstellt regelmäßig den ISG Outsourcing Index (vormals TPI Index). Die ersten Zahlen von 2014 deuten auf ein starkes Jahr hin. - IT-Outsourcing vor BPM
Ein Blick auf die einzelnen Felder zeigt, dass Unternehmen insbesondere IT-Outsourcing wieder mehr forcieren. Business Process Management (BPM) entwickelt sich bisher weniger stark. - Positive Entwicklung
Insgesamt können Service Provider optimistisch ins neue Jahr blicken. Zwar ist das erste Quartal 2014 nicht so stark wie das aus dem Jahr 2012, aber gegenüber den ersten drei Monaten 2013 zeigt sich ein Anstieg. ISG rechnet jedenfalls für die ersten sechs Monate mit Zuwachs. - Anbieter weltweit
ISG will kein Ranking der Anbieter erstellen. Die Experten listen jedoch die weltweit gesehen wichtigsten Player auf. Laut ISG hat sich hierbei in den vergangenen Jahren wenig verändert. - Anbieter EMEA
Ein Vergleich der Anbieter zeigt, dass Unternehmen aus der Region EMEA (Europa, Nahost und Afrika) durchaus andere Provider bevorzugen. So zählt ISG Cognizant, IBM, Wipro und Xerox weltweit zu den führenden Anbietern. In EMEA sind diese nicht unter den Top 20 vertreten (Kategorie: ITO und BPM zusammengefasst).
Auf ein Insourcing oder einen Provider-Wechsel sollten sich die Unternehmen rechtzeitig vorbereiten, warnte auch Deutsche-Post-Mann Bäumer. Man müsse regelmäßig "an den Markt gehen" und den Provider überprüfen. Beim Logistikkonzern geschehe das zum Teil anderthalb Jahre, bevor der aktuelle Vertrag ende.
Ein Beispiel dafür, wie es nicht laufen dürfe, beschrieb Gillhuber: Wenn der Supplier nicht mehr nach optimalen Marktkonditionen liefere oder gar Teile des Vertrags nicht erfülle, man aber den Ausstieg nicht geklärt habe, werde der Anbieter den Auftrag kaum kampflos aufgeben. In diesem Fall könne man den Service zwar neu ausschreiben und einen besser geeigneten Supplier beauftragen, doch der alte werde versuchen, seinen Kunden "zu schröpfen".
Change-Management ist Pflicht
Die Perspektive der User nahm Randstad-CIO Schultheis ein: "Wie verändern sich die Prozesse für Anwender , wenn man beispielsweise den Desktop-Service auslagert? Das Gefühl wird irgendwie industrieller, weil man erst ein Ticket aufmachen muss, bevor man Hilfe bekommt. Da müssen Sie die User abholen, wenn Sie den Schwenk zum Outsourcing machen."
Change-Management liege in der Pflicht der IT, konstatierte Schultheis. Außerdem sei es hilfreich, die Service-Levels mit den internen Kunden abzustimmen. Und last, but not least: "Entscheiden Sie klar, was Sie outsourcen wollen - auch im Hinblick darauf, dass Sie eventuell Talente und Kompetenzen verlieren."
- Change-Projekte steuern
Nur gut jedes zweite Change-Projekt klappt. Weil Argumente alleine so wenig nutzen wie das reine Gefühl, haben die Berater von Strategy& zehn Prinzipien aufgestellt. - 1. Mit der Firmenkultur arbeiten, nicht gegen sie.
Wer Veränderung will, darf die bestehende Unternehmenskultur nicht als Legacy betrachten. Die Art, wie Menschen kommunizieren, soll beibehalten werden. Manchmal können Entscheider diese Kultur aber nur schwer benennen oder haben bloß ein vages Gefühl dafür. Dann hilft ein alter Trick: die Mitarbeiter fragen. Führungskräfte können die Belegschaft bitten, zu beschreiben, in welcher Art sie arbeiten. Die Antworten helfen bei der Gestaltung des Change-Managements. - 2. Oben anfangen:
Strategy& stimmt der These zu, dass Change nur gelingt, wenn er auf allen Hierarchiestufen eines Unternehmens umgesetzt wird. Aber der Firmenleitung kommt eine Vorbildfunktion zu. Dass sie diese übernimmt, muss im Unternehmen sichtbar sein. - 3. Jeden mitnehmen:
Nach Schritt zwei folgt Schritt drei: Jeder Mitarbeiter muss in den Change einbezogen werden. Das ist aber kein einseitiger Prozess. Zwar beginnt die Veränderung oben, aber das Feedback von unten ist unabdingbar. Das kann zum Beispiel über eine firmeninterne Website geschehen, auf der jeder Kommentare abgeben, Erfahrungen mitteilen und Vorschläge machen darf. - 4. Rationale und emotionale Aspekte einbringen:
Entscheider setzen oft nur auf Argumente. Aussagen wie "diese Umstrukturierung wird den Umsatz in den kommenden drei Jahren um 20 Prozent steigern" mögen überzeugen - emotional berühren werden sie kaum. Die gefühlsmäßige Seite der Mitarbeiter spricht auf symbolträchtige Aktionen an. Wer etwa die Grenzen bisher getrennter Teams aufheben will, kann Trennwände in Büros einreißen lassen oder Schreibtische neu gruppieren. Solche Bilder erreichen die Mitarbeiter emotional. - 5. Gemäß der neuen Denke handeln:
Es ist wichtig, Policies und Direktiven zu erstellen. Auch Incentives unterstützen den Change. Noch wichtiger sind aber Handlungen. Will beispielsweise eine Bank den Kundenservice verbessern, muss die Führungsriege nicht nur die Schalteristen nach ihren Erfahrungen befragen - sondern sich auch einmal selbst in die Schalterhalle begeben. - 6. Drüber reden:
Kommunikation ist für Strategy& ein Schlüsselwort. Das bedeutet, dass die Firmenleitung ihre oberen Stockwerke verlassen und sich den Fragen der Belegschaft stellen muss. Nach dem Modell interner Messen können Entscheider zu bestimmten Zeiten im Foyer stehen und Fragen beantworten oder kurze Präsentationen zeigen. - 7. Spezialkräfte einsetzen:
Führung hat innerhalb jeden Unternehmens mindestens zwei Aspekte: Menschen mit formalen Titeln und solche mit informellen. Das kann ein Projekt-Manager sein, mit dem jeder gern zusammenarbeitet - oder die Empfangsdame, die schon 25 Jahre im Hause ist. Strategy& rät, diese Spezialkräfte zu Botschaftern des Changes zu machen. Sie genießen Respekt und Vertrauen innerhalb der Firma und können viel bewirken. - 8. Formale Mittel nutzen:
Sichtbar wird Veränderung an Formalem wie Trainings und Belohnungs-Systemen. Verbale Anerkennung für Mitarbeiter, die dem Change folgen, ist nötig, aber alleine nicht ausreichend. Sie sollten auch eine formale Belohnung erhalten. - 10. Die Wirkung messen und nachbessern:
Letztendlich nützen alle Change-Initiativen ohne Erfolgskontrolle nichts. Das heißt: Unternehmen müssen Metriken für das Gelingen ihrer Projekte festlegen und diese auch anwenden. Nur so ist es möglich, die Vorgehensweise immer wieder nachzubessern.