IT-Beschaffung

Beim Sourcing müssen IT und Einkauf an einem Strang ziehen

05.01.2015
Zu einer guten IT-Strategie gehört immer auch eine Sourcing-Strategie. Auf dem zweiten "Sourcing Day" der COMPUTERWOCHE diskutierten Manager aus IT und Einkauf über die besten Ansätze.

Wir sollten miteinander reden!" Wie Hartmut Lüerßen von der Unternehmensberatung Lünendonk erinnerte, ist dieser simpel klingende Vorsatz nicht immer einfach zu verwirklichen. Aber die Anfänge sind gemacht. Das zeigte sich auf dem diesjährigen Sourcing Day, wo IT-Verantwortliche und Einkaufs-Manager aus mehr als 50 Unternehmen miteinander ins Gespräch kamen.

Andreas Gillhuber, Leiter Infrastruktur beim Energieversorger RWE, umriss die Ist-Situation: "In der IT müssen wir mit hohem Kostendruck umgehen. Deshalb sind wir gezwungen, in Begriffen wie Near- oder Offshore zu denken. Die Sourcing-Strategie ist ein zentraler Bestandteil der IT-Strategie." Eine Rolle spielten dabei neben Kosten, Qualität und Flexibilität auch Personal- und juristische Fragestellungen.

Andreas Gillhuber, RWE: "Missbrauchen Sie Outsourcing nicht als Mittel, um Mitarbeiter abzubauen. Sie müssen schließlich auch neues Know-how aufbauen."
Andreas Gillhuber, RWE: "Missbrauchen Sie Outsourcing nicht als Mittel, um Mitarbeiter abzubauen. Sie müssen schließlich auch neues Know-how aufbauen."
Foto: Marco Hergenröder/Foto Vogt

Die Notwendigkeit interdisziplinärer Zusammenarbeit betonte Helma Göbel, Leiterin Einkauf von IT-Beraterdienstleistungen bei der Deutschen Bahn: Früher habe die IT "das eine gemacht" und der Einkauf "etwas anderes". Heute entwickelten beide gemeinsam eine Sourcing-Strategie: "Sie sitzen regelmäßig zusammen und planen Strategien für die nächsten Jahre. Natürlich gibt es dabei auch verschiedene Befindlichkeiten, aber letztlich ziehen alle an einem Strang."

Im Video: Sourcing Day 2014 - beim IT-Einkauf will jeder mitreden

Eine eigene Strategie für jedes Thema

Andreas Biber, Head of Sourcing AT, Erste Bank, gab zu bedenken, dass es "die eine Strategie" ohnehin nicht gebe: "Es ist schon klar, dass man Sourcing- und IT-Strategie abstimmen muss", sagte er, "aber es gibt immer unterschiedliche Levels und Bereiche. Deshalb versuchen wir, für jedes Thema eine Strategie mit dem jeweiligen Fachbereich zu schreiben."

Dagegen legt Christoph Bäumer, Vice President Global Sourcing bei DPDHL, Wert darauf, "nah an den CIOs dran" zu sein. Im Deutsche-Post-DHL-Konzern hat er es gleich mit mehreren zu tun. Mit ihnen sieht er sich an, welche Beschaffungsthemen in der IT anliegen - was Commodity ist und zentral beschafft werden kann, was bereichsspezifisch ist und individuell eingekauft werden sollte.

Christoph Bäumer, DPDHL: "Cloud ist nicht gleich Cloud. Schauen Sie sich im Detail an, was da verkauft wird."
Christoph Bäumer, DPDHL: "Cloud ist nicht gleich Cloud. Schauen Sie sich im Detail an, was da verkauft wird."
Foto: Marco Hergenröder/Foto Vogt

Werner Schultheis, CIO des Personaldienstleisters Randstad, fährt zweigleisig: Für das Kerngeschäft bleibt er bei den bewährten Softwarelösungen mit bisweilen hohem Eigenentwicklungsanteil, ist aber immer bereit, "lohnende" Ausnahmen zuzulassen. Bei den "Support-Funktionen" schaut er sich mit der Fachabteilung konsequent auf dem Cloud-Markt um. Die Konsequenz für den CIO: "Wir werden mehr zu einem Manager und Integrator als zu einem Betreiber."

Werner Schultheis, Randstad: "Entscheiden Sie klar, was Sie outsourcen wollen – auch im Hinblick darauf, dass Sie eventuell Talente und Kompetenzen verlieren."
Werner Schultheis, Randstad: "Entscheiden Sie klar, was Sie outsourcen wollen – auch im Hinblick darauf, dass Sie eventuell Talente und Kompetenzen verlieren."
Foto: Marco Hergenröder/Foto Vogt

Über "Make versus Buy" macht sich auch Erste-Bank-Einkäufer Biber Gedanken. Die Tendenz ist je nach Bereich unterschiedlich: "Das Hosting der Mainframes ist outgesourct, Apps können wir durchaus woanders programmieren lassen, aber Daten geben wir nicht nach außen, die Kernbanksysteme auch nicht."

Wo die Grenze zwischen Kerngeschäft und Commodity verlaufe, sei nicht immer klar, gab RWE-Manager Gillhuber zu bedenken: "Im Zeitalter von Smart Metering, Smart Grid und E-Mobility muss man das Rechenzentrum richtig positionieren, weil man dort womöglich die Daten von Millionen Kunden gespeichert hat, beispielsweise für neue Geschäftsmodelle, an denen eventuell auch der Outsourcing-Provider Interesse hat."

Im Rahmen des Workshops berichtete RWE-Manager Andreas Gillhuber auch über das im Februar gestartete Projekt zum IT-Workplace-Outsourcing.

  • Knapp 45.000 Anwender und 36.000 Computer sind von der Zentralisierung und Auslagerung der IT-Dienstleistungen betroffen.

  • Dazu sollten etwa 250 IT-Mitarbeiter (Fulltime Equivalents) den Arbeitgeber wechseln.

  • Der Partner T-Systems betreibt den Service - konsolidiert - großteils von Deutschland und Ungarn aus.

Wie Gillhuber betont, war dies ein "Leuchtturmprojekt für RWE". Der Bedeutung des Vorhabens entsprechend sei auch das Management bis hin zum Vorstand involviert gewesen.

Im Video: Sourcing Day 2014 - retained Organisation für besseres Sourcing

Fallstricke bei der Auslagerung

Hat man sich für ein Outsourcing entschieden, braucht man unbedingt einen Plan B. Fehlt er, kann es gehen wie laut Biber den Österreichischen Bundesbahnen, die vermutlich deshalb ihr Bonusprogramm einstellen mussten. Als sie es nach beendetem Outsourcing ins Unternehmen zurückholen wollten, hätten sie kein Know-how für die Retransition mehr besessen. Nicht einmal die Punkteabfrage funktionierte.

Auf ein Insourcing oder einen Provider-Wechsel sollten sich die Unternehmen rechtzeitig vorbereiten, warnte auch Deutsche-Post-Mann Bäumer. Man müsse regelmäßig "an den Markt gehen" und den Provider überprüfen. Beim Logistikkonzern geschehe das zum Teil anderthalb Jahre, bevor der aktuelle Vertrag ende.

Ein Beispiel dafür, wie es nicht laufen dürfe, beschrieb Gillhuber: Wenn der Supplier nicht mehr nach optimalen Marktkonditionen liefere oder gar Teile des Vertrags nicht erfülle, man aber den Ausstieg nicht geklärt habe, werde der Anbieter den Auftrag kaum kampflos aufgeben. In diesem Fall könne man den Service zwar neu ausschreiben und einen besser geeigneten Supplier beauftragen, doch der alte werde versuchen, seinen Kunden "zu schröpfen".

Change-Management ist Pflicht

Die Perspektive der User nahm Randstad-CIO Schultheis ein: "Wie verändern sich die Prozesse für Anwender , wenn man beispielsweise den Desktop-Service auslagert? Das Gefühl wird irgendwie industrieller, weil man erst ein Ticket aufmachen muss, bevor man Hilfe bekommt. Da müssen Sie die User abholen, wenn Sie den Schwenk zum Outsourcing machen."

Change-Management liege in der Pflicht der IT, konstatierte Schultheis. Außerdem sei es hilfreich, die Service-Levels mit den internen Kunden abzustimmen. Und last, but not least: "Entscheiden Sie klar, was Sie outsourcen wollen - auch im Hinblick darauf, dass Sie eventuell Talente und Kompetenzen verlieren."