Offener Brief von Musk und anderen Tech-Größen

6 Monate Moratorium für KI-Entwicklung

31.03.2023
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 
In einem offenen Brief fordern Tech-Größen ein sechsmonatiges KI-Entwicklungsmoratorium. Es sei Zeit, über die Sicherheit von KI zu diskutieren.
1377 Unterzeichner eines offenen Brifes fordern einen Entwicklungsstopp für KI-Systeme, die leistungsfähiger als GPT-4 sind.
1377 Unterzeichner eines offenen Brifes fordern einen Entwicklungsstopp für KI-Systeme, die leistungsfähiger als GPT-4 sind.
Foto: Urban Images - shutterstock.com

In einem offenen Brief mit dem Titel "Pause Giant AI Experiments: An Open Letter" fordert das US-amerikanische Future of Life Institute einen sechsmonatigen Entwicklungsstopp für KI-Systeme, die leistungsfähiger als GPT-4 sind. Das Schreiben wurde bislang von 1377 Personen unterzeichnet.

Prominente Unterzeichner

Zu den Unterzeichner zählt auch Elon Musk, der zudem auch als Berater der Instituts fungiert. Glaubt man Reuters, so ist Musk ferner der größte Geldgeber der Organisation. Neben Musk, der als Dritter den Aufruf unterschrieb, stehen auf der Liste der Unterzeichner auch Tech-Größen wie der Apple-Mitbegründer Steve Wozniak oder der KI-Pionier Yoshua Bengio. Ansonsten kommt das Gros der Unterzeichner aus dem akademischen Bereich.

KI außer Kontrolle

In dem Schreiben bringen die Autoren ihre Sorge zum Ausdruck, dass in den letzten Monaten ein außer Kontrolle geratenerWettlauf um immer leistungsfähigere KI-Systeme begonnen habe. Nicht einmal die Erfinder der Systeme, so ein weiterer Vorwurf, könnten das Verhalten ihrer Entwicklungen verstehen, vorhersagen oder zuverlässig kontrollieren.

Führt KI in die Apokalypse?

Des Weiteren zeichnen die Autoren in ihrem Schreiben ein geradezu apokalyptisches Bild der Zukunft und befürchten, dass die Menschheit mit der derzeitigen KI-Entwicklung die Kontrolle über die eigene Zivilisation verliere. Zudem dürften die weiteren Entscheidungen in Sachen KI-Entwicklung nicht ungewählten Technikführern überlassen werden.

KI-Regulierungsbehörde gefordert

Doppelmoral: Während Musk vor zu viel Regulierung in Kalifornien nach Texas floh, fordert er Regulierungsbehörden für KI-Unternehmen.
Doppelmoral: Während Musk vor zu viel Regulierung in Kalifornien nach Texas floh, fordert er Regulierungsbehörden für KI-Unternehmen.
Foto: Tesla

Geradezu schizophren mutet das Schreiben an, wenn Leute wie Elon Musk ein sechsmonatiges KI-Entwicklungsmoratorium fordern und verlangen, dass dieses, falls es nicht schnellstens auf freiwilliger Basis erfolgt, von den Regierungen durchgesetzt wird. Ergänzend dazu fordern die Unterzeichner neue Regulierungsbehörden, die sich speziell mit KI befassen. Zur Erinnerung: Musk floh aus Kalifornien und gründete in Texas sein eigene Stadt, weil ihm in Kalifornien staatliche Regulierung und rechtliche Auflagen wie der striktere Arbeitsschutz nervten.

Negatives Echo im Netz

Grundsätzlich wäre ein offener Diskurs um einen verantwortungsvollen Umgang mit KI zu begrüßen. Ebenso ist die Forderung nach gemeinsamen Sicherheitsprotokollen für das KI-Design nicht von der Hand zu weisen. Auch der Gedanke, man müsse vermeiden, dass immer größere, unberechenbarere KI-Black-Boxen entstehen, ist nachvollziehbar.

Doch all diese durchaus diskussionswürdigen Punkte kommen bei den Diskussionen im Internet zu diesem Thema unter die Räder. Dort dreht sich die Diskussion meist um die Doppelzüngigkeit von Elon Musk, wobei Vorwürfe wie Heuchelei und Verlogenheit noch zu den freundlicheren Ausdrucksweisen gehört.

Musk und seine Doppelmoral

Stein des Anstoßes ist dabei meist, dass Musk von anderen einen verantwortungsvollen Umgang mit KI fordert, während er selbst aber seine Teslas mit unausgereiftem KI-gestütztem Autopilot seit Jahren auf die Menschheit loslässt. Zudem, so ein weiterer Vorwurf, wirke es wenig glaubhaft, von anderen Verantwortung einzufordern, während man selbst im Dezember noch Menschenversuche mit Gehirnchips von Neuralink angekündigt habe.

Allianz der Loser?

Andere Kritiker lästern wiederum, bei den Unterzeichnern handele es sich um eine Allianz der Loser, beziehungsweise zu spät gekommenen. Deshalb würden sie aus reinem Eigennutz ein sechsmonatiges Moratorium fordern, um so ihren Entwicklungsrückstand aufholen zu können.